Volkswagen:Winterkorn warnt vor harten Zeiten

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Warnt vor schweren Zeiten: VW-Chef Winterkorn

(Foto: Bloomberg)

Die Autos glänzen, aber allen Herstellern geht es schlecht. Auch bei Volkswagen sinkt die Umsatzrendite. VW-Chef Winterkorn klingt auf einmal ganz anders: bescheiden.

Von Kristina Läsker, Hannover

Hostessen wuseln umher, mit Staubwedeln aus pink gefärbtem Lammfell feudeln sie über Autos und Motorräder. Über einen gelben Beetle, einen silbernen Porsche 911, eine rote Ducati. Ein Knäuel aus Menschen nähert sich. Mittendrin steckt Ferdinand Piëch, eingehakt bei Ehefrau Ursula. Es ist Donnerstagmorgen vor der Hauptversammlung von Volkswagen. Der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende flaniert mit VW-Chef Martin Winterkorn und Stephan Weil, neuer Ministerpräsident von Niedersachsen, durch eine Messehalle in Hannover - heute: die Welt der zwölf Marken von VW. Das hat Tradition, das machen die Granden immer so vor dem Aktionärstreffen von VW. Ein wenig Lack streicheln hier, ein bisschen fachsimpeln da. Es könnte so schön sein. Wie bisher. Als VW weiter und weiter fuhr gen Weltspitze.

Jetzt ist alles anders. Obwohl die Autos blitzen. Jetzt ist Autokrise in Europa. Selbst VW kann sich, als letzter Hersteller des Landes, der schwachen Nachfrage nicht mehr entziehen. Nach Opel, Daimler hat es die erfolgsverwöhnten Wolfsburger erwischt, das lässt sich nicht wegfeudeln.

Ein neuer, bescheidener Ton klingt in der Auftaktrede von Konzernchef Winterkorn mit. Wie bei einem Aufsteiger, der ungläubig auf der Stelle treten soll. "Die kommenden Monate werden alles andere als leicht", ruft er den mehr als 2000 Aktionären zu. "2013 wird für die gesamte Branche zum Jahr der Bewährung." So blase auch Volkswagen ein "harter Gegenwind ins Gesicht", sagt Winterkorn.

Diese Wortwahl ist ist neu, Winterkorn redet jetzt sogar über Gewinneinbrüche: "ein echter Belastungstest", sagt er. Seit Jahresbeginn ging der operative Profit vor Steuern um mehr als ein Viertel auf 2,3 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz fiel leicht auf 46,6 Milliarden Euro. Dafür gibt es auch interne Gründe: Rückstellungen für die Lkw-Tochter MAN und Kosten für den Rückruf von Autos in China belasten das Ergebnis in dreistelliger Millionenhöhe.

Jetzt muss selbst VW herbe Zugeständnisse bei Preisen machen. "Ja, auch wir geben Rabatte", bestätigt Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh am Rand des Treffen. "Aber nicht so hohe wie die Konkurrenz." Was wohl heißen soll, dass es allen schlecht geht. Aber VW am wenigsten.

Doch die Rabatte schmerzen, denn Winterkorn und Piëch wollten ihren Konzern doch so gerne profitabler machen. Um im Kampf um die Marktführerschaft zu bestehen. Stattdessen aber ist die operative Umsatzrendite im vergangenen Jahr sogar von 7,1 auf 6,0 Prozent gesunken. Zu wenig, um zur absoluten Spitze der Auto-Industrie zu gehören - dort will VW bis 2018 hin. "Ob im Auf- oder im Abschwung: Es ist unser Anspruch", sagt Winterkorn. Das soll kraftvoll klingen, doch es klingt etwas lahmer als sonst. Wie auch. Marktführer Toyota aus Japan schafft eine Umsatzrendite von 6,8 Prozent. Angreifer Hyundai aus Korea kommt gar auf 10,0 Prozent.

Die Mathematik ist klar: Die Rendite wird weiter sinken

Tatsächlich dürfte die Profitabilität von Volkswagen sogar weiter sinken. Der Konzern wolle in den nächsten Wochen an Fahrt aufnehmen und den Jahresumsatz erhöhen, aber der operative Gewinn werde stagnieren, so Winterkorn. Dabei muss die Rendite sinken, das ist schlicht Mathe.

So schauen sie nun alle auf die Tochterfirma Audi. Die Premium-Marke ist mit einer Umsatzrendite von elf Prozent ein glänzendes Vorbild, und sie soll Rückgänge etwa bei der Marke Volkswagen-Pkw ausgleichen. "Wir halten uns noch relativ gut", sagt Audi-Chef Rupert Stadler auf Nachfrage. Die Frage ist: wie lange noch. Denn Stadler geht von einer Durststrecke von drei bis fünf Jahren am europäischen Markt aus.

Doch Stadler will das nicht weiter erörtern. Ebenso wenig wie das Thema, über das sie hier beim Kaffee tratschen: die Steuerhinterziehung samt Selbstanzeige von Uli Hoeneß. Denn der Präsident des FC Bayern München ist eng mit VW verbunden. Audi gehören gut neun Prozent an dem Fußball-Club, Audi ist auch Sponsor. Winterkorn und Stadler sitzen im neunköpfigen Aufsichtsrat des Clubs, der Audi-Chef ist sogar stellvertretender Vorsitzender.

Allesamt sind sie Fußballfans, sie kennen Hoeneß gut, doch sie wollen heute keine Antworten geben. Darauf, ob sie noch hinter dem Präsidenten stehen. Ob dieser als Aufsichtsratschef von Bayern München noch tragbar ist. Oder ob Hoeneß nach der nächsten Aufsichtsratssitzung am Montag seinen Posten ruhen lassen muss - bis diese Affäre geklärt ist.

Arbeitnehmer-Vertreter Osterloh hat für das Thema nur eine Geste übrig. Er legt Zeigefinger an Daumen und streicht von rechts nach links über seinen Mund, als würde er einen Reißverschluss verschließen. Ganz so, als hätten sie sich kollektiv einen Maulkorb verordnet. Anders als Kanzlerin Angela Merkel, die sich distanziert hat, schweigen die Auto-Manager. Es ist kein freundliches Schweigen. Sie servieren Hoeneß damit nicht direkt ab. Aber den Rücken stärken sie ihm auch nicht.

Bei all den Minenfeldern bleibt nur eines, über das sie hier gerne plaudern: über den ökologischen Umbau von VW. "Wir arbeiten mit ganzer Kraft am Ziel, den CO2-Ausstoß unserer europäischen Neuwagen-Flotte bis 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer zu senken", ruft Winterkorn. 168 Seiten ist der neue Nachhaltigkeitsbericht dick. 37 Ziele für Wirtschaft, Soziales und Umwelt hat sich der Hersteller gesetzt, dazu ist ein aktueller Status vermerkt. Die Lektüre könnten sich lohnen, nur ein Beispiel: VW will die Geldwäsche-Prävention verbessern. Status: teilweise erreicht.

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