Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Winterkorn redet für 150 Euro - vielleicht

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Der frühere VW-Chef soll als Zeuge bei Gericht aussagen, was er über die Abgasaffäre des Autokonzerns weiß.

Von Katja Riedel und Klaus Ott, München

Ehemalige Konzernchefs, die aus dem Nähkästchen plaudern sollen, sind als Redner meist ziemlich teuer. Nicht so Martin Winterkorn, der frühere Vorstandsvorsitzende von Volkswagen. Sein erster großer öffentlicher Auftritt seit dem Rücktritt vor über einem Jahr wegen der Abgasaffäre kostet, sofern der Termin denn klappt, ganze 150 Euro. So viel hat die Rechtsschutzversicherung eines VW-Kunden an das Landgericht Paderborn überwiesen; als Kostenvorschuss für eine Verhandlung am 2. Dezember. An diesem Tag soll Winterkorn aussagen, was er über die manipulierten Schadstoff-Messungen bei Millionen Diesel-Fahrzeugen weiß.

Der VW-Kunde, Besitzer eines VW Tiguan 2.0 TDI, verklagt den Autokonzern in Paderborn auf Schadenersatz. Die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Rogert & Ulbrich, die den Tiguan-Fahrer vertritt, hat Winterkorn als Zeugen benannt. Daraufhin verfügte das Landgericht, dass der frühere Volkswagen-Chef kommen solle. Und dass für jeden Zeugen 150 Euro vorab bei der Justizkasse einzuzahlen seien. Anwalt Marco Rogert hat das für seinen Mandanten gerne geregelt. Es könnte spannend werden, wenn Winterkorn öffentlich Fragen zur Abgasaffäre beantwortet.

Winterkorns Anwalt schrieb der Justiz, sein Mandant könne die Aussage verweigern

Sofern der ehemalige Volkswagen-Chef denn kommt. Sein Frankfurter Anwalt Kersten von Schenk hat dem Landgericht Paderborn bereits im Oktober geschrieben, Winterkorn dürfe die Aussage verweigern, weil er auch selbst verklagt und weil gegen ihn ermittelt werde. Schenck regte an, Winterkorn von der Pflicht zu "entbinden", vor der Justiz zu erscheinen. Für die Verhandlung am 2. Dezember ist der frühere VW-Chef laut Landgericht Paderborn aber weiterhin als Zeuge geladen.

Eine Gerichtssprecherin teilte am Montag auf Anfrage mit, Winterkorn könne zwar immer noch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, auch schriftlich. "Bisher sieht es aber so aus, als würde er auch erscheinen", sagte die Gerichtssprecherin. Kläger-Anwalt Rogert will Winterkorn unter anderem zu einer Mail befragen, die der damalige VW-Chef am 23. Mai 2014 bekommen haben soll. Darin soll Winterkorn intern gewarnt worden sein, die US-Behörden könnten "Ermittlungen anstellen", ob der Autokonzern mit einer speziellen Software arbeite. Mit einer Software, mit der das Fahrzeug erkenne, ob es sich zwecks Schadstoffmessung auf dem Prüfstand befinde. Oder ob es im Straßenverkehr unterwegs sei.

Volkswagen gab das aber erst im Sommer 2015 zu. Abschließend machten die US-Behörden die Manipulationen öffentlich. Winterkorn trat zurück, beteuerte aber zugleich, er habe davon nichts gewusst und habe sich deshalb auch nichts vorzuwerfen. Manche VW-Kunden aus dem In- und Ausland sehen das anders und verklagen deshalb neben dem Autokonzern auch den ehemaligen Konzernchef auf Schadenersatz. Solche Verfahren laufen beispielsweise beim Landgericht Braunschweig und auch in den USA. Unter Hinweis auf diese Klagen hat Winterkorns Anwalt dem Landgericht Paderborn geschrieben, sein Mandant habe ein umfassendes "Aussageverweigerungsrecht". Jede Antwort auf Fragen bei Gericht setze Winterkorn "der Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme" aus, notierte Schenck.

Aus Schencks Sicht gibt es noch einen zweiten Grund, weshalb sein Mandant nicht in Paderborn aussagen müsse. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen Winterkorn, weil er die VW-Aktionäre zu spät über drohende finanzielle Folgen der Abgasaffäre informiert haben soll. Das wäre eine Manipulation des Börsenkurses von Volkswagen gewesen, was der frühere Konzernchef bestreitet. Zudem seien, so Schenck, Ermittlungen gegen Winterkorn "auch in den USA nicht ausgeschlossen". Auch deshalb könne der Ex-Vorstandsvorsitzende die Aussage verweigern, da er sich ansonsten "einer weitergehenden strafrechtlichen Verfolgung im In- und Ausland aussetzen würde".

Kläger-Anwalt Rogert entgegnet, gegen Winterkorn werde in Deutschland ja nicht wegen Abgas-Manipulationen ermittelt. Also könne der Ex-Chef dazu bei Gericht aussagen. Rogert sagt, er gehe davon aus, "dass Winterkorn als Zeuge erscheinen muss".

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Quelle:
SZ vom 08.11.2016
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