Volkswagen:US-Justiz klagt Ex-VW-Chef Winterkorn im Abgasskandal an

Winterkorn Volkswagen Anklage USA Abgasskandal

Dem ehemaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn wird Verschwörung zur Täuschung der US-Behörden vorgeworfen.

(Foto: picture alliance / Bernd von Jut)
  • Im Prozess um manipulierte Abgaswerte in den USA wird der ehemalige Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn angeklagt.
  • Die US-Justiz wirft ihm "bewussten und absichtlichen Betrug" vor.
  • Bislang wurden zwei VW-Manager in den USA im Zuge des Skandals zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt.

Das US-Justizministerium beschuldigt Volkswagens ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn der Mittäterschaft im Abgasskandal. Winterkorn und fünf weitere VW-Manager hätten "bewusst und absichtlich Betrug begangen", um die US-Abgasvorschriften zu umgehen, hieß es in einer am Donnerstag bei Gericht in Detroit im Bundesstaat Michigan eingereichten Anklageschrift. Die US-Behörden vermuten Winterkorn Justizkreisen zufolge in Deutschland, von wo ihm vorerst keine Auslieferung drohen dürfte.

"Wer versucht, die Vereinigten Staaten zu betrügen, wird einen hohen Preis bezahlen", erklärte US-Justizminister Jeff Sessions in einer Mitteilung. Die Tatsache, dass kriminelle Straftaten von VW von der höchsten Ebene der Konzernführung abgesegnet gewesen sein dürften, sei erschreckend, sagte der zuständige Staatsanwalt Matthew J. Schneider vom östlichen Bezirk Michigans. Die Strafanzeige gegen Winterkorn in den USA wurde der erweiterten Anklageschrift zufolgt bereits im März gestellt, aber erst an diesem Donnerstag veröffentlicht.

Winterkorn wird vorgeworfen, Teil einer Verschwörung zum Verstoß gegen US-Umweltgesetze gewesen zu sein. Der Top-Manager war im September 2015 von seinem Amt zurückgetreten, kurz nachdem US-Behörden Abgasmanipulationen von zahlreichen Dieselautos bei VW aufgedeckt hatten. Dem 70-Jährigen drohen einem Gerichtssprecher zufolge im Fall einer Verurteilung bis zu 25 Jahre Haft und und eine Geldstrafe von maximal 275 000 Dollar. Winterkorn hatte aber betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein.

Winterkorn habe bereits im Mai 2014 von den Manipulationen bei Abgasmessungen gewusst und entschieden, den Betrug fortzusetzen, erklärte das US-Justizministerium. Volkswagen hatte im September 2015 auf Druck der US-Behörden zugegeben, weltweit in rund elf Millionen Diesel-Fahrzeuge unterschiedlicher Marken eine illegale Software eingebaut zu haben. Das Programm verringert den Ausstoß von schädlichen Stickoxiden bei standardisierten Tests, aber nicht im Normalbetrieb auf der Straße.

Der 70-jährige Winterkorn hatte bis zu seinem Rücktritt im Herbst 2015 eine glänzende Karriere hingelegt. Zusammen mit dem früheren VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch stand er unangefochten an der Spitze des Autokonzerns - bis zum Ausbruch des Dieselskandals. Der frühere Audi-Chef Winterkorn war zuvor seit 2007 Konzernchef von Europas größtem Autokonzern Volkswagen gewesen.

Abgasskandal kostete VW bislang über 22 Milliarden Dollar

Die von Volkswagen im Zuge der Aufarbeitung des Skandals ausgehandelten Entschädigungen und Strafzahlungen in den USA belaufen sich inzwischen auf mehr als 22 Milliarden Dollar. Der Autohersteller rief in den Vereinigten Staaten etwa 600 000 Autos zurück.

Durch die Affäre wurde auch das Image des Diesel schwer beschädigt. Diese Krise hält bis heute an. Die US-Justizbehörden hatten zuvor bereits Strafanzeigen gegen acht amtierende und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Zwei von ihnen wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt.

Gegen Winterkorn und andere Manager wird auch in Deutschland ermittelt. Zum einen wegen des Anfangsverdachts des Betruges, zum anderen wegen Marktmanipulation. Anleger klagen deswegen auf Schadenersatz in Milliardenhöhe, weil die VW-Aktie nach Bekanntwerden des Skandals auf Talfahrt ging. Die Manager sollen die Finanzmärkte im Herbst 2015 zu spät über den Abgasskandal informiert haben. Der Konzern betont stets, dies rechtzeitig getan zu haben.

Volkswagen betont Kooperation mit US-Behörden

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte, dass Winterkorn derzeit nicht inhaftiert sei. Volkswagen kooperiere weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium, teilte das Unternehmen mit. Allerdings sei es nicht angemessen, zu individuellen Verfahren Stellung zu nehmen.

Nachfolger Winterkorns war im Herbst 2015 der damalige Porsche-Chef Matthias Müller geworden. Müller wiederum war erst vor kurzem von VW-Markenchef Herbert Diess an der Konzernspitze abgelöst worden. Damit verbunden war ein massiver Konzernumbau.

Diess hat angekündigt, VW schlagkräftiger zu machen. Das Tempo für Innovationen solle erhöht und neue Akzente gesetzt werden. Die Autobranche ist mitten in einem grundlegenden Wandels, hin zu alternativen Antrieben, immer mehr Internet im Auto und autonomen Fahrzeugen.

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