Volkswagen:Südstaaten-Blues

Vertreter der US-Autogewerkschaft UAW planen bei der VW-Hauptversammlung den großen Showdown mit dem Konzernvorstand. Grund: Sie wollen in der Fabrik in Chattanooga als Tarifpartner anerkannt werden.

Von Thomas Fromm

Es ist ein eher seltener Besuch, der am Mittwoch bei der Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns in Hannover aufschlagen wird. Gäste, die eine längere Reise hinter sich haben und genau wissen, was sie wollen. Die Emissäre der amerikanischen Autogewerkschaft UAW (United Auto Workers) kommen unter anderem aus dem tiefen Süden der USA, aus Chattanooga/Tennessee, aus einem VW-Werk, in dem unter anderem der Passat gebaut wird und in dem die Gewerkschaftsorganisation "UAW Local 42" heißt. Das einzige VW-Werk weltweit, so heißt es in dem Gegenantrag, den die Gewerkschafter zur VW-Hauptversammlung eingereicht haben, "ohne eine vom Unternehmen anerkannte Mitarbeitergewerkschaft".

Absender des Antrags: UAW, Solidarity House, Detroit Michigan.

Dass sie dem Vorstand die Entlastung verweigern wollen und dabei vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre unterstützt werden, ist wohl symbolisch. Was sie mit ihrer Aktion wirklich wollen: Der Welt zeigen, dass ausgerechnet jener Konzern, bei dem Betriebsräte und Landespolitiker viel mitzureden haben, es woanders offenbar nicht so genau nimmt. Nach dem Dieselskandal jetzt auch noch ein Gewerkschaftsthema in den USA? VW kann zurzeit einiges gebrauchen, aber sicherlich keine Eskalation seines Streits mit der UAW.

Volkswagen: Arbeiter im Volkswagen-Werk in Chattanooga/Tennessee - wo es jetzt Ärger mit der Autogewerkschaft UAW gibt.

Arbeiter im Volkswagen-Werk in Chattanooga/Tennessee - wo es jetzt Ärger mit der Autogewerkschaft UAW gibt.

(Foto: Erik Schelzig/AP)

Das weiß man auch im Solidarity House. "In Deutschland verhält sich VW sozial verantwortungsvoll; Betriebsräte und Gewerkschaften können mitreden, aber hier in den USA werden wir wie Dritte-Welt-Arbeiter behandelt", sagt Gary Casteel, der bei der Gewerkschaft unter anderem für Finanzen zuständig ist. VW zwischen dem von der IG Metall mitbestimmtem Wolfsburg und dem fernen Chattanooga - eine Art "Doppelleben" sei das, findet Casteel.

VW sagt, man respektiere "die Rechte seiner Beschäftigten, frei über die Frage gewerkschaftlicher Vertretung zu entscheiden". Allerdings müssten für eine Tarifpartnerschaft Bedingungen erfüllt sein, die es in Chattanooga nicht gebe. Schon seit Jahren sprechen VW und UAW über eine Arbeitnehmervertretung. "Sowohl die Gewerkschaft als auch das Unternehmen stimmten darin überein, dass nach US-Recht ein Betriebsrat nur gegründet werden kann, wenn eine anerkannte Gewerkschaft vorhanden ist", so die UAW.

Die gab es, und als Ende 2015 eine kleinere Gruppe von Wartungsarbeitern für die UAW als ihre Interessenvertretung - zum Beispiel in Tarifgesprächen - stimmte, schien die Sache klar. Für VW allerdings nicht: Nur eine kleine Gruppe von an die 160 Spezialarbeitern aus der Instandhaltung habe zugestimmt; eine "gewerkschaftliche Vertretung ausschließlich für die Gruppe der Instandhalter" - dies "entzweie" die Belegschaft. Denn ohne die Arbeiter aus der Produktion entspreche eine Wahl nicht dem "One-team-Gedanken". Einige Arbeiter seien durch die Gewerkschaft vertreten, andere nicht. So einfach sei das mit der Tarifpartnerschaft nicht. Die UAW wandte sich daraufhin an die US-Arbeitsaufsicht NLRB und bekam dort Recht. Doch damit war die Sache nicht zu Ende; Volkswagen blieb bei seiner Position und legte gegen die Entscheidung Berufung ein. "Volkswagen verletzt nicht nur amerikanisches Arbeitsrecht, sondern auch seine eigenen Prinzipien der sozialen Verantwortung", sagt Casteel. Es sei wie beim Diesel, sagt er: VW mache sich seine "eigenen Standards", anstatt die amerikanischen Standards zu respektieren.

Gary Casteel

Gary Casteeel bekommt auch Rückendeckung vom Wolfsburger Betriebsrat. Das VW-Management solle die Wahlergebnisse bei der UAW "endlich" akzeptieren, heißt es dort.

(Foto: Erik Schelzig/AP)

Diesel und arbeitsrechtliche Konflikte, gewissermaßen in einem Topf - bei der UAW weiß man, dass dies eine ziemlich toxische Mischung für den deutschen Autobauer werden kann. Zumal die USA für VW noch nie ein leichter Markt waren.

Schon vor mehr als drei Jahren polterte der mächtige VW-Betriebsratsboss Bernd Osterloh: Das US-Geschäft sei eine einzige "Katastrophenveranstaltung"; irgendwie gelänge es dem deutschen Unternehmen nicht, die richtigen Autos für die Amerikaner zu bauen. "Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler", sagte Osterloh damals. Was Osterloh meinte, war: Wer in den USA erfolgreich sein will, muss sich auf die Amerikaner und ihre Vorliebe für große Geländewagen einlassen. Mit europäischen Limousinen und Kleinwagen allein gehe das nicht.

Dann kam der Dieselskandal, und er nahm ausgerechnet in den USA seinen Anfang. Hässliche Schlagzeilen, das Image am Boden, Ärger mit Kunden, Politikern und Gerichten, Verkaufsstopp für Dieselfahrzeuge, Milliardenstrafen - Diesel machte die Sache nicht gerade besser in den USA. Und nun kommen die UAW-Leute und besuchen ihren Autobauer in dessen Heimat Niedersachsen.

Die Stimmung ist gereizt. Schon seit Langem sagen Kritiker, dass sich gerade ausländische Autobauer aus Japan, aber auch VW, BMW und Mercedes lieber in den strukturschwachen Südstaaten der USA niederlassen statt in der Motorstadt Detroit - auch weil ihnen dort, am Traditionsstandort der amerikanischen Autoindustrie, die UAW zu stark ist. Und weil den meist konservativen Politikern des Südens die UAW ein Dorn im Auge sei, vermeide man einen zu engen Pakt mit ihr.

Autos und Politik - VWMitarbeiter "rund um die Welt" würden verstehen: Wenn sich der Konzern schlecht in Chattanooga verhalten könne, dann könne das "überall passieren". Sagt Gary Casteel, und es klingt nach einer Warnung.

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