Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Warum Porsche gerade jetzt an die Börse soll

Lesezeit: 4 min

Volkswagen erzielt mit der Marke Porsche hohe Gewinne. Nun sollen auch Porsche-Aktien dem Konzern viele Milliarden Euro einbringen. Manche Investoren halten das für eine schlechte Idee.

Von Caspar Busse

Das Timing könnte besser sein: Erstmals verkündete VW die Börsen-Pläne für seine Tochterfirma Porsche ausgerechnet am 24. Februar 2022. Es war der Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel. Jetzt, mehr als sechs Monate später, gab Volkswagen nach monatelanger Prüfung und einer Nachtsitzung von Vorstand und Aufsichtsrat bekannt, dass der Weg für einen Börsengang der Sportwagentochter endgültig frei sei. Dabei ist inzwischen ein Ende des Kriegs nicht absehbar, die Krise wird vielmehr immer größer.

VW-Finanzchef Arno Antlitz zeigte sich am Dienstag dennoch optimistisch: "Das ist ein großer Moment für Volkswagen. Der Börsengang der Porsche AG gebe der Transformation von Volkswagen "spürbaren Rückenwind", sagte er. Schon von Ende September oder Anfang Oktober an sollen die Porsche-Aktien gehandelt werden, wenn nichts dazwischenkommt. Der Börsengang wäre einer der größten in Europa. Der Wert von Porsche wird auf 60 bis mehr als 80 Milliarden Euro geschätzt. "Wir sind hochmotiviert, das jetzt ins Ziel zu fahren", betonte Antlitz.

Volkswagen will mit dem Verkauf der Aktien - der Erlös könnte bei bis zu zehn Milliarden Euro liegen - vor allem den Umbau hin zur Elektromobilität finanzieren. Zudem muss der Autokonzern künftig verstärkt in Software und Batterietechnologie investieren. Porsche ist derzeit einer der großen Gewinnbringer im VW-Konzern, die Marke ist nach wie vor attraktiv. Die operative Rendite liegt bei 15 Prozent, der Umsatz erreichte zuletzt 33 Milliarden Euro, ausgeliefert wurden 2021 rund 300 000 Fahrzeuge. Eines der bekanntesten Modelle ist der Sportwagen 911.

Die Rahmenbedingungen für den Börsengang sind aber mehr als schwierig. Zuletzt gingen die Aktienmärkte, auch in Deutschland, angesichts der Energiekrise und des Kriegs in der Ukraine vor allem nach unten. Die Unsicherheiten sind groß. Dazu kommen die hohe Inflation und die steigenden Zinsen, die Europäische Zentralbank wird demnächst wohl die Sätze weiter anheben. Manche Experten rechnen mit einem herben Wirtschaftseinbruch. Die Volatilität an den Kapitalmärkten ist hoch - denkbar schlechte Voraussetzungen für einen milliardenschweren Börsengang. Die Bewertungen von anderen Luxusautoherstellern wie Aston Martin und Ferrari sind zuletzt deutlich gefallen. Deswegen behält sich Volkswagen vor, sich notfalls mit dem Börsengang bis zum Ende des Jahres Zeit zu lassen. Eine Absage sei nur bei "einer sehr ernsten geopolitischen Lage" vorstellbar, sagte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke.

Volkswagen ist trotz des Gegenwinds von der Attraktivität der Porsche-Aktien überzeugt, das betonte auch VW-Chef Oliver Blume. "Wir gehen davon aus, dass sehr großes Interesse bestehen wird", sagte Antlitz. Katar habe bereits signalisiert, knapp fünf Prozent übernehmen zu wollen. Das Land ist auch VW-Aktionär. Geplant ist, die Aktien nicht nur institutionellen Investoren, sondern auch Privatanlegern in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien anzubieten.

Investoren kritisieren die Doppelrolle von Konzernchef Blume

Einige größere Investoren kritisierten zuletzt aber die Pläne, insbesondere auch die Doppelrolle von Konzernchef Oliver Blume. Sie fürchten mögliche Interessenkonflikte. Der 54-Jährige führt in Personalunion die Vorstände des VW-Konzerns und von Porsche. 2013 wurde Blume in den Vorstand des Sportwagenbauers berufen, seit 2015 ist er Vorstandvorsitzender. Seit Anfang September dieses Jahres steht er nun als Nachfolger von Herbert Diess, der den Posten überraschend räumen musste, auch an der Spitze von Volkswagen. "Die Doppelrolle von Herrn Blume wird eine Dauerlösung sein. Auf mögliche Interessenskonflikte sind wir professionell vorbereitet", sagte Antlitz.

Durch den geplanten Börsengang soll Porsche zudem unabhängiger von VW werden und eigenständiger agieren. Wie das mit einem Chef, der gleichzeitig VW steuert, gelingen kann, ist offen.

Der Sportwagenbauer aus Stuttgart-Zuffenhausen, der nun an die Börse soll, ist keinesfalls zu verwechseln mit der Porsche Automobil Holding, die kurz als Porsche SE bezeichnet wird und die im deutschen Leitindex Dax notiert ist. Diese Holdinggesellschaft, die wiederum von den Familien Porsche und Piëch kontrolliert wird, hält die Mehrheit der Stimmrechte am gesamten Volkswagen-Konzern.

Für den Börsengang von Porsche soll das Grundkapital der Porsche AG je zur Hälfte in Vorzugs- und Stammaktien aufgeteilt werden. Bis zu 25 Prozent der Vorzüge, also 12,5 Prozent des Gesamtkapitals, sollen am Kapitalmarkt platziert werden. Vorzugsaktien sind nicht stimmberechtigt, damit ist auch in Zukunft gewährleistet, dass VW das uneingeschränkte Sagen bei Porsche hat.

Noch vor dem Börsengang des Sportwagenbauers sollen auch 25 Prozent der Stammaktien verkauft werden, nämlich an die Familienholding. Mit dem Erwerb der Aktien erhalten die Eignerfamilien Porsche und Piëch wieder direkten Zugriff auf die Porsche AG, den sie nach der Übernahmeschlacht vor zehn Jahren an Volkswagen verloren hatten. Bislang waren die Familien nur indirekt beteiligt, die Porsche AG gehört derzeit nämlich zu hundert Prozent zu VW.

Drei Börsengesellschaften, die dieselben Wurzeln haben

Insgesamt fließen Volkswagen durch den Verkauf der beiden Aktienpakete zunächst geschätzt zwischen 15 und 20 Milliarden Euro zu. 51 Prozent davon, also bis zu zehn Milliarden Euro, behält der Konzern, um seine Elektroauto-Strategie zu finanzieren. 49 Prozent sollen über eine Sonderdividende an die eigenen Aktionäre ausgeschüttet werden, das wären also auch bis zu knapp zehn Milliarden Euro. Noch im Dezember, so die Planung, sollen die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung darüber abstimmen. Weil auch die Familienholding VW-Anteile hält, finanziert sie sich durch diese Sonderausschüttung einen Teil der Kosten für die direkte Beteiligung an Porsche. Die Ausschüttung solle voraussichtlich Anfang kommenden Jahres fließen.

Am Ende bleibt also ein nicht unerheblicher Teil des Geschäfts in der Familie. Auch daran gibt es laute Kritik. Hendrik Schmidt, Experte für Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft DWS, nannte die neue Konstruktion außergewöhnlich, da sie fast ausschließlich die Familieneigner begünstige. Ähnlich sieht es Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka: "Mit dem IPO erlangt Porsche keine echte Unabhängigkeit, sondern die Eigentümerfamilie erhält die Kontrolle durch den Kauf der Stammaktien." Der Kapitalmarkt habe nur die Rolle eines Geldgebers ohne Mitspracherecht. Genau das präferieren aber offenbar die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche.

Künftig gibt es also drei börsennotierte Firmen - VW, Porsche und die Porsche Holding - die alle dieselben Wurzeln haben: 1931 gründet Ferdinand Porsche ein Konstruktionsbüro in Stuttgart, aus dem später der Sportwagenbauer hervorgeht. 1934 erhält Ferdinand Porsche den Auftrag, ein massentaugliches Auto zu entwickeln, die Geburtsstunde des VW Käfers. 1937 wird dann für die Produktion von den Nazis die "Gesellschaft zur Vorbereitung des Volkswagens mbH" gegründet, aus der später VW entsteht. 1960 wird das Unternehmen privatisiert.

Lange waren Porsche und VW eigenständige Aktiengesellschaften. 2005 wollte dann die Porsche AG den deutlich größeren VW-Konzern übernehmen, was am Ende an der Finanzkrise scheiterte. Stattdessen wurde Porsche damals in den Konzern eingegliedert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5651780
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.