Müller bei der EPA:VW gibt sich artig

Konzern-Boss Müller trifft die Chefin der US-Umweltbehörde McCarthy. Anschließend sind beide Seiten recht schweigsam.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Der erfahrene Reporter einer großen amerikanischen Tageszeitung war fassungslos, als er sich auf der Auto-Messe in Detroit einer kleinen Gruppe deutscher Berichterstatter näherte. "Sagt mal", begann er und blickte die Kollegen mit großen Augen an, "nimmt der Mann etwas?"

"Der Mann", das ist Matthias Müller, der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Autobauers VW, Chef von 600 000 Mitarbeitern. Müller war in den vergangenen Tagen in den USA unterwegs gewesen, um bei Politikern, Beamten und Journalisten für sein Unternehmen zu werben, dessen Image durch groß angelegte Betrügereien bei amtlichen Abgastests massiv gelitten hat. Am Mittwoch stand sein wichtigster Termin an: ein Gespräch mit Gina McCarthy, der Chefin der Umweltbehörde EPA, die von VW eine rasche technische Beseitigung der Probleme und eine strikte Einhaltung des US-Luftreinhaltungsgesetzes verlangt. Einen Durchbruch brachte das einstündige Treffen erwartungsgemäß nicht.

Aber immerhin: Man spricht wieder mit- statt übereinander. Müllers Mission war in den Tagen zuvor so desaströs verlaufen, dass der erwähnte US-Reporter gar Mutmaßungen über die Einnahme unerlaubter Substanzen anstellte. Noch am Sonntagabend hatte sich der VW-Chef in einer Rede gleich mehrfach für die Fehler des Konzerns entschuldigt und einen Kulturwandel angekündigt - nur um in anschließenden Einzelgesprächen mit US-Journalisten das gerade Erreichte wieder einzureißen. VW habe gelogen? Aber mitnichten. In Wolfsburg gebe es ein ethisches Problem? Schon die Frage sei abwegig. Volkswagen habe Gesetze gebrochen? Nein, nur missverstanden.

Der Eindruck, den Müller hinterließ, war so verheerend, dass sich die EPA und ihre kalifornische Schwesterbehörde Carb zu einer Retourkutsche veranlasst sahen: Unmittelbar vor dem Treffen des VW-Chefs mit McCarthy gaben beide Ämter bekannt, dass sie das Konzept des Konzerns zur Beseitigung der technischen Probleme als unzureichend ablehnen. Zwar war der Beschluss so erwartet worden, schließlich war Müller ja eigens von Detroit nach Washington weitergereist, um ein neues, überarbeitetes Maßnahmenpaket zu präsentieren. Form und Zeitpunkt der Zurückweisung waren aber wohl kein Zufall, schließlich werfen die US-Behörden VW schon seit Wochen eine mangelnde Kooperations- und Aufklärungsbereitschaft vor.

Das Paket, das Müller am Mittwoch Politikern und Beamten in Washington vorstellen wollte, sieht unter anderem vor, dass weitere der 580 000 VW-, Audi- und Porsche-Fahrer in den USA 1000 Dollar geschenkt bekommen. Darüber hinaus will Volkswagen seinen Kunden drei Jahre lang rund um die Uhr kostenlos Pannenhilfe anbieten. Zudem wollte Müller dem Vernehmen nach ankündigen, dass Volkswagen einen neuen Katalysator entwickelt hat, der die strengen US-Abgasgrenzwerte einhält und der in mehr als 400 000 Wagen eingebaut werden könnte. Autos, bei denen eine Umrüstung zu teuer würde, wird VW wohl zurückkaufen. Um wie viele Wagen es sich dabei handeln könnte, ist aber offen. Beide Seiten, die EPA wie VW, zeigten sich nach dem Gespräch zugeknöpft. "Wir begrüßen das Gespräch mit Volkswagen", sagte eine Behördensprecherin in Washington nüchtern. "Wir werden die Arbeit an einer Lösung fortsetzen." Volkswagen erklärte, man wisse es zu schätzen, dass sich die EPA-Chefin "Zeit für ein Treffen mit uns genommen hat". Mehr kann man in Wolfsburg wohl derzeit schlicht nicht erwarten.

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