Volkswagen:Neu lackiert

Wolfsburger Wundertüte: VW macht aus dem Modell Jetta eine eigene Submarke, um junge Käufer aus China zu locken. Aber warum das denn? Völlig verschiedene Fahrzeuge tragen dann nämlich künftig diesen Namen.

Von Max Hägler und Angelika Slavik, Hamburg/Wolfsburg

Volkswagen verstärkt seine Bemühungen um den chinesischen Markt mit einer neuen Marke. Am Dienstag kündigte VW an, in China künftig Autos der Marke "Jetta" zu verkaufen - gemeinsam mit VWs chinesischem Partner FAW. Das Sortiment der Marke umfasst zunächst eine Limousine und zwei SUVs, sagte VW-Markenvorstand Jürgen Stackmann. Der Verkauf der neuen Modelle soll schon bald beginnen, im dritten Quartal 2019. Mit Jetta wolle VW in das bisher von lokalen Herstellern dominierte Segment günstiger Fahrzeuge vordringen, das etwa ein Drittel des chinesischen Marktes ausmache, sagte Stackmann bei der Präsentation. Die Autos sollen aber mehr als die im Einstiegssegment üblichen 5000 bis 6000 Euro kosten.

Der Jetta ist bislang eigentlich als Stufenheckversion des Bestsellers Golf bekannt und wird weltweit in vielen verschiedenen Varianten verkauft. Wieso also verwendet VW den Namen eines Modells nun für eine ganze Marke? Volkswagen begründet das damit, dass in China der Name Jetta eine besondere Bedeutung habe. Denn mit diesem Wagen habe vor fast 30 Jahren die Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten begonnen. Er sei also vergleichbar mit dem VW Käfer in Deutschland. Jetta ist die erste Marke von Volkswagen, die ihren Ursprung in einem Modell hat.

Für die neue Marke will Volkswagen ein eigenes Händlernetz aufbauen, mit digitalen Showrooms, mobilen Verkaufs-Lkw und Verkaufsständen in großen Einkaufszentren. Produziert werden die Autos in der VW-Fabrik in Chengdu.

China ist für VW von großer Bedeutung. VW hat dort im vergangenen Jahr 3,1 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, was einem Rückgang um zwei Prozent im Vergleich zu 2017 entspricht. Dennoch baute das Unternehmen seine Position auf dem Markt aus, denn die Nachfrage auf dem weltweit größten Pkw-Markt war insgesamt rückläufig, vor allem wegen des Handelsstreits mit den USA. Fast die Hälfte der VW-Auslieferungen geht in die Volksrepublik. Sie ist damit der größte Einzelmarkt der Kernmarke VW. Konzernweit sind es knapp 40 Prozent. Wenn es in China gut läuft, können Schwächen in anderen Absatzmärkten gut aufgefangen werden. Würde der Absatz in der Volksrepublik schwächeln, hätte der Konzern ein Problem. Aber was ist die Motivation, dafür noch eine weitere Marke zu schaffen? Mit einer neuen Marke kann sich der Konzern unterhalb der gehobenen Volkswagen-Modelle positionieren und neuen Käuferschichten gerade abseits der Metropolen etwas anbieten. Womöglich sogar über Online-Vertriebswege. Diese sind in China sehr beliebt, bisherige VW-Händler würde dabei allerdings auf die Barrikaden gehen. Bereits seit einigen Jahren verfolgt der Konzern ähnliche Pläne auch in Indien. Zugleich wird einer der beiden Joint-Venture-Partner damit gepflegt: Das Volkswagen-Reich ist in China zweigeteilt, mit einem Partner in Shanghai (SAIC) und einem in Peking (FAW), die in harter Konkurrenz zueinander stehen. Anders als SAIC (Santana, Skoda) hatte FAW bislang keine Angebote im Einstiegssegment. Das wird nun nachgeholt, in der Hoffnung, dass die lukrative Partnerschaft noch lange bestehen bleibt. Jetta steht bei VW beinahe als Synonym für Wundertüte. In Deutschland kann man das Modell gar nicht mehr regulär erwerben. Ganz anders aber in den Auslandsmärkten: In den USA versucht VW mit einem neuen Jetta, das untere Mittelklasse-Segment zu erobern, das Auto kostet dort 18 500 Dollar. Und in China war bislang ein Jetta - der sich technisch völlig von seinem US-Namensvetter unterscheidet - für 80 000 Renminbi erhältlich, etwa 10 500 Euro. Welche Bedeutung der chinesische Markt hat, zeigt sich auch bei einer Personalie: Herbert Diess, der Vorstandschef des VW-Konzerns, hat sich gerade selbst zum China-Beauftragten gemacht. Was wichtig ist, macht der Chef am liebsten selbst.

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