Autoindustrie:Wer will was bei Volkswagen?

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Um seine Zunft geht es: Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. (Foto: Silas Stein/dpa)

Der Machtkampf bei VW ist in vollem Gange. Am Donnerstag wird ein neues Detail offenbar - und die Lage wird noch unübersichtlicher.

Von Max Hägler

An diesem Donnerstag stellten wieder einmal alle in Wolfsburg die große Text-Exegese an. Wie stets, wenn etwas Internes aus diesem einzigartigen Unternehmen nach außen dringt. Im Handelsblatt war im Detail nachzulesen, was im Groben bereits Allgemeinwissen ist: Volkswagen-Chef Herbert Diess hat die Kontrolleure in der Aufsichtsratssitzung vom 24. September vor den Kopf gestoßen mit seiner Forderung, über den Abbau von 30 000 oder 35 000 Jobs nachzudenken. Er wisse aus seiner Zeit als Manager in Großbritannien, wie schnell die Autoindustrie ins Hintertreffen geraten könne. Das dürfe bei VW nicht passieren. Die Effizienz müsse steigen, die Zeit dränge, damit es kein böses Erwachen gebe. So ziemlich alle teilen die Analyse - aber keiner ist einverstanden mit der Vorschlaghammer-Art, mit der Diess das unabgesprochen präsentiert. Das ist Anlass der laufenden Personaldiskussion um ihn.

Neu sind manche Details, und so fragen sich nun alle: Hat da jemand das Sitzungsprotokoll weitergegeben? Anlass gibt dafür vor allem ein Zitat, das keiner dementiert: Stephan Weil, der SPD-Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, das auch 20-Prozent-Eigentümer bei VW ist, beklagt demnach die Sprachlosigkeit von Diess. Seit dessen Vertragsverlängerung im Sommer habe es keinen Kontakt zu ihm gegeben. "Das ist nicht konstruktiv", wird Weil zitiert: "Das ist kein gutes Zeichen."

Nicht ausgeschlossen ist, dass das Treffen der Aufsichtsräte wieder verschoben wird

Nun gibt es natürlich viel Kontakt zwischen der Staatskanzlei und VW, zumal über den Personalvorstand Gunnar Kilian und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Dennoch lesen manche heraus, dass Weil nicht gut wegkomme durch die Schilderung. Will die Gewerkschaft IG Metall den Sozialdemokraten so dazu drängen, Stellung zu beziehen - gegen Diess, der ungeliebt ist, weil bekanntermaßen harsch? Hat Weils Kollege, CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, damit den Kampf um die Landtagswahl im kommenden Herbst eröffnet? Dann wäre auch noch "das Land" gespalten. Dabei ist die Macht über Europas größten Industriekonzern sowieso schon weit verteilt: Da sind ja auch noch die Familien Porsche und Piëch sowie die IG Metall und der Betriebsrat. Oder liest sich das einfach nur zufällig so, ohne, dass irgendjemand explizit einen anderen anschießen will? Und wer hat eigentlich einst die Zahl gestreut? War das vielleicht Diess selbst, um etwas voranzubringen?

Sie entscheiden: VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch (links) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). (Foto: Ronny Hartmann/dpa)

Die Gemengelage ist unübersichtlicher denn je, auch nachdem man am Donnerstag mit etlichen Leuten gesprochen hat. Aus den verschiedenen Lagern heißt es immerhin: Der Bericht sei nicht spielentscheidend bei den Verhandlungen um Herbert Diess' Zukunft, bei den Fragen zur Neuordnung des Konzerns und den passenden Elektromodellen am Stammwerk Wolfsburg. Von Arbeitnehmerseite hört man am Donnerstag stattdessen: Man habe bekanntlich harsche Kritik geübt an Diess, an Stil und Leistung, und erwarte Antwort. Vom unabwendbaren Rauswurf redet dort aber weiterhin keiner.

Wie es nun weitergeht? Am Wochenende könnte es die wirklich entscheidenden Gespräche geben, heißt es. Aber da ist noch die sich wieder verschärfende Corona-Seuche: Per Videochat lässt sich eine derartige Lage nicht regeln. Jetzt braucht es Sitzungen von Angesicht zu Angesicht, mit der Chance zum Zur-Seite-Nehmen. Schwer machbar zum Höhepunkt der vierten Welle. Als nicht ausgeschlossen gilt deshalb mittlerweile - so hört man zumindest aus zwei Lagern -, dass die wegen des Streits bereits auf den 9. Dezember vertagte Aufsichtsratssitzung abermals verschoben wird.

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