Volkswagen:Jenseits von Wolfsburg

Während in der VW-Zentrale der Vorstand umgebaut wird, treibt Lkw-Chef Renschler den Börsengang voran und handelt Allianzen in Japan aus. Sein nächster Coup: der Umzug des Unternehmens nach München.

Von Thomas Fromm

Jahreszahlen MAN

Neues und altes Lkw-Zentrum: Mitarbeiter am Band im Münchner MAN-Werk.

(Foto: Andreas Gebert/picture alliance/dpa)

Ein Chefwechsel an der Spitze, Rücktritte, ein Großumbau, Intrigen und viele Gerüchte: Volkswagen in der vergangenen Woche, das war wie so oft in der Vergangenheit wieder einmal: großes Kino. Interessant ist, wer an solchen Tagen nicht mittendrin ist, sondern weit weg. In diesem Fall war es: VW-Nutzfahrzeug-Chef Andreas Renschler.

Während in Wolfsburg VW-Vorstandschef Matthias Müller aus dem Amt gefegt und sein Nachfolger Herbert Diess mit einer selten dagewesenen Machtfülle inthronisiert wurde, weilte Renschler in Tokio. Während in der Zentrale in Niedersachsen Politik gemacht wurde, machte Renschler mit der Volkswagen-Sparte "Truck & Bus" Geschäft. Er fädelte eine Partnerschaft mit dem japanischen Hersteller Hino Motors ein, einem Hersteller, der zu Toyota gehört. In Wolfsburg sagte Diess, dass er den Konzern weiterentwickeln, aber keine Revolution wolle. In Tokio sprach Renschler von seinem Nutzfahrzeuggeschäft mit einem Jahresumsatz von 24 Milliarden Euro als einem "Global Champion der Transportbranche". Der große VW-Umbau, er findet also längst statt. Und zwar nicht bei den Autos, sondern bei den Lkw.

Der frühere Daimler-Mann Renschler kam Anfang 2015 zu den Wolfsburgern. Die Nutzfahrzeugsparte war dort immer noch ein weitgehend auf Europa beschränktes Lkw- und Busgeschäft, bestehend aus MAN, dem schwedischen Hersteller Scania und der VW-Nutzfahrzeugsparte. Zuerst stieg die VW-Tochter bei dem amerikanischen Truck-Hersteller Navistar ein, dann folgten Gerüchte, eine seit Jahren bestehende Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Sinotruk könne vertieft werden.

Das VW-Truck-Geschäft soll internationaler werden, und die Milliarden für Renschlers ehrgeizige Pläne sollen aus einem Börsengang kommen, der für das kommende Jahr anvisiert ist und bei dem zunächst bis zu 25 Prozent der Anteile verkauft werden könnten - bis auf Weiteres will VW die Kontrolle über das Unternehmen behalten. Möglicher Erlös bei dem Börsengang: bis zu sieben Milliarden Euro.

"Unser Ziel ist es, die Volkswagen Truck & Bus bis Ende des Jahres kapitalmarktfähig zu haben, um dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG die Entscheidung über einen Börsengang oder andere Optionen zu ermöglichen", sagte Renschler der Süddeutschen Zeitung. Um die Voraussetzungen für den Kapitalmarkt zu erfüllen, müsse der Dax-Kandidat selbständiger werden. "Wir müssen beispielsweise ein eigenes Controlling einführen, müssen eigene Berichte ausweisen und Standards bei der IT erfüllen", so Renschler. Ziel der Abnabelung: Der Lkw-Hersteller müsse "sich selbst finanzieren können, was heute so noch nicht geht, weil wir die Voraussetzungen dafür bisher nicht erfüllen".

Volkswagen Truck & Bus GmbH CEO Andreas Renschler attends a joint news conference with Hino Motors President Yoshio Shimo in Tokyo

Der Stuttgarter Andreas Renschler, 60, kam 1988 zu Daimler und war dort seit 2004 für die Lkw-Sparte verantwortlich. Vor drei Jahren wechselte er zu VW – wo er jetzt einen Dax-Konzern auf die Beine stellen soll.

(Foto: Toru Hanai/Reuters)

Die neue AG soll ihren rechtlichen Sitz dann in München haben; dem Vernehmen nach soll geplant sein, die Zentrale des VW-Truck-Geschäfts Schritt für Schritt an den heutigen MAN-Standort in München-Karlsfeld zu verlegen. Dort, im Münchner Nordwesten, wo auch der Triebwerkshersteller MTU angesiedelt ist, seien die Wege kurz und die Verkehrsanbindung gerade für ausländische Besucher gut.

Unterstützung für seine Pläne bekommt der Truck-Chef von seinen Betriebsräten. "Es besteht unverändert eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2025", schreibt MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris in einem Brief an die Mitarbeiter. Bereits vereinbarte Investitionen seien auch "in Zukunft garantiert, ebenso wie der Fortbestand aller unserer Standorte und Bereiche". Dies seien "Zusagen", mit denen man "die Pläne des Unternehmens begleiten" werde, so Stimoniaris.

Ungeklärt dagegen ist die Zukunft der MAN-Sparte Diesel & Turbo, zu der der Bau von Schiffsmotoren und Turbomaschinen gehört und für die weltweit 15 000 Menschen arbeiten, 4000 Menschen davon in Augsburg. Das Geschäft gehört nicht zur VW-Nutzfahrzeugtochter - und dürfte daher auch in den Zukunftsplänen Renschlers keine Rolle spielen.

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