Wenn Manager beurlaubt werden, hat das zweierlei zu bedeuten. Man will sie nicht rauswerfen - aber in ihrem Job können sie einstweilen auch nicht weiter bleiben. So ist es auch bei Rupert Stadler, der seit Montag der Abgasaffäre wegen in Untersuchungshaft sitzt. Wie soll er jetzt noch als Vorstandschef von Audi agieren? Ohne Handy und Computer? Mit nur ein paar Stunden Besuchszeit im Monat? Vorläufige Beurlaubung: Auf diese Formel verständigten sich schließlich die Aufsichtsräte von Audi und des Mutterkonzerns Volkswagen nach langen Diskussionen am Montag und Dienstag.
Stadler wird des Betrugs an Kunden mit manipulierten Diesel-Fahrzeugen und der Vertuschung verdächtigt. Der Manager hofft aber offenbar darauf, die Vorwürfe entkräften und in sein Amt zurückkehren zu können. Stadler selbst hatte darum gebeten, ihn von seinen Aufgaben als Audi-Chef wie auch im Vorstand der Konzernmutter VW "vorübergehend" zu entbinden. Dem hätten die Aufsichtsräte beider Unternehmen entsprochen, teilte Audi mit. Das sei eine vorläufige Maßnahme, "bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat". Audi und VW halten sich damit die Möglichkeit offen, Stadler wieder einzusetzen, sollte sich der Verdacht gegen ihn nicht bestätigen. An diesem Mittwoch will er vor der Staatsanwaltschaft aussagen.
Die Hauptaktionäre des Volkswagen-Konzerns, die Familien Porsche und Piëchs, hatten lange eisern und fest zu Stadler gehalten, seit Beginn der Abgasaffäre im Herbst 2015. Trotz immer schwerwiegenderer Erkenntnisse über die Verstrickung von Audi. Nach Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft München II war die Ingolstädter VW-Tochter eine Art Keimzelle für Manipulationen im Konzern. Bei Audi wurde diesen Erkenntnissen zufolge jene Software mit entwickelt und verfeinert, mit der die Abgasreinigung gesteuert wird. Und zwar so, dass die Grenzwerte bei den offiziellen Messungen der Behörden eingehalten werden, im Straßenverkehr aber viele gesundheitsschädliche Stickoxide ausgestoßen werden.
Und doch war es vor allem die Marke VW, deren Image in den vergangenen knapp drei Jahren unter dem Skandal gelitten hatte: Im September 2015 hatten Behörden in den USA Manipulationen an fast einer halben Million Dieselfahrzeugen von Volkswagen enthüllt. Fortan war mal von der VW-Dieselaffäre, mal vom Abgasbetrug bei VW, mal vom VW-Dieselskandal die Rede. Dabei hatten sich jene Abschalteinrichtungen, mit denen die Stickoxidwerte auf dem Prüfstand optimiert wurden, während sie auf der Straße weit über die erlaubten Grenzwerte hinausschossen, längst konzernweit verbreitet. VW, Seat, Skoda, Audi: In einem Viel-Marken-Reich wie Volkswagen, in dem Motoren markenübergreifend verbaut werden, geht so etwas schnell - und epidemisch.
Auf keinen Fall sollte der Abgasskandal zum Audi-Skandal werden
In der öffentlichen Wahrnehmung aber, das war den Verantwortlichen in Wolfsburg durchaus recht, sollte der VW-Skandal so weit möglich ein VW-Skandal bleiben - und nicht zu einem Seat- oder Skoda-Skandal werden. Und schon gar nicht zu einem Audi-Skandal, denn schließlich war es die Premiummarke aus Ingolstadt, die jahrelang die höchsten Gewinne an den Mutterkonzern VW ablieferte.
Aber auch wenn sie in Wolfsburg die Sache einhegen wollten, um den Schaden kleinzuhalten: Der VW-Skandal war eben von Anfang auch ein Audi-Skandal. Nicht nur, weil etliche Verkaufsschlager aus Ingolstadt wie der A4 und der A5 zurückgerufen werden mussten.