Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Druckwellen aus der Staatskanzlei

Lesezeit: 2 min

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff würde VW-Personalchef Peter Hartz am liebsten fallen sehen.

Von Ralf Wiegand

In Meinungsumfragen schneidet der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen regelmäßig glänzend ab: Zumindest der befragte Teil der Bevölkerung hält ihn für intelligenter, sympathischer und zuverlässiger als die meisten seiner Kollegen.

Zeitweise galt er sogar als beliebtester Spitzenpolitiker der Republik und fähigster Kanzlerkandidat der Union. Keine Frage, Christian Wulff (CDU) hat sich ein gütiges Landesvater-Image zurecht gelächelt.

Doch der nette Herr Wulff kann auch ganz anders - vor allem, wenn es um den Volkswagen-Konzern geht und dort speziell um Peter Hartz.

Der Personalvorstand aus Wolfsburg und der Regierungschef aus Hannover werden keine Freunde mehr. Wulff spricht im kleinen Kreis über Hartz sogar gerne als "die Spinne im Netz" oder "die Krake".

Willkommene Affäre

Nicht wenige im politischen Hannover sind sich sicher: Wulff würde Peter Hartz am liebsten heute als morgen stürzen sehen. Mittlere Erdbeben in dessen direktem Umfeld, wie die wochenlang anhaltende Affäre um Gehaltszahlungen an Parlamentarier vom Frühjahr oder der Schmiergeld-Skandal um Skoda-Personalchef Schuster und den plötzlichen Rücktritt des Betriebsratsvorsitzenden Volkert, seien daher willkommen.

Tatsächlich profitiert der aktuelle Ministerpräsident von der engen Verknüpfung des Landes mit seinem größten industriellen Arbeitgeber bei weitem nicht so sehr wie seine SPD-Vorgänger.

Sowohl Sigmar Gabriel als auch Gerhard Schröder pflegten über ihre Aufgaben als Aufsichtsräte hinaus einen derart innigen Kontakt zu den Wolfsburger Autobauern, dass Wulff seine beiden Wahlniederlagen gegen Schröder angeblich zu einem Großteil auf dessen gute Beziehungen zu VW zurückführt.

Mit spektakulären Tarifmodellen haben gerade Personalchef Hartz, der Ex-Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert und die IG Metall der jeweiligen (SPD-)Landesregierung das Regieren erleichtert - und gegebenenfalls die Wiederwahl.

Schröder firmiert seit seinem Karrieresprung bekanntlich sogar als "Auto-Kanzler", und Hartz lieferte der Bundesregierung den Rohstoff für die nach ihm benannte Gesetzesserie.

Wulff fährt Konfrontationskurs

Der aktuellen Landesregierung ist diese Verflechtung von Gewerkschaft, Betriebsrat, Vorstand und SPD offensichtlich schon lange ein Dorn im Auge. Als Christian Wulff vor gut einem halben Jahr in der Affäre um Nebenverdienste von Politikern vom VW-Vorstand ultimativ die Herausgabe aller Namen von Parlamentariern verlangte, die von VW Geld bekommen, fühlte sich die Konzernspitze als Getriebene einer politisch motivierten Kampagne.

Deren Vertreter lederten so nachhaltig gegen "das System VW", dass Betriebsrats-Boss Volkert die offene Konfrontation mit Wulff suchte und ihm eine Medienkampagne vorwarf, die den Konzern und das Land beschädige.

Der Ministerpräsident erhöhte dennoch fast täglich den Druck auf die Wolfsburger weiter. Kritik gab es auch da schon an SPD-Mitglied Peter Hartz, der Informationen zu lange zurückgehalten habe.

Verdacht lancierter Informationen

In führenden SPD-Kreisen hält man es daher für wahrscheinlich, dass das Epizentrum des aktuellen VW-Bebens erneut in der Staatskanzlei zu finden ist und von dort Informationen lanciert wurden. Der Landesregierung gehe es letztlich darum, "die strategische Schachfigur Hartz wegzuschießen", heißt es.

Dadurch verlöre der Betriebsrat seinen kongenialen Partner im Vorstand und mithin die Gewerkschaft Einfluss auf die Konzernpolitik. Das Land, mit 18 Prozent größter Anteilseigner an Volkswagen, stelle damit das Sozialpartnerschaftsmodell VW in Frage und spiele dem als strammer Sanierer geltenden VW-Markenchef Wolfgang Bernhard in die Hände.

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SZ vom 2.7.2005
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