China Cables:VW pflegt die Beziehungen zu seinen bewaffneten Nachbarn

Armed police patrol near the exit of the South Railway Station, following Wednesday's bomb and knife attack, in Urumqi

Bewaffnete Polizisten patrouillieren in Urumqi. Experten hatten Volkswagens Investitionen in der Region von Beginn an kritisiert.

(Foto: Petar Kudjundzic/Reuters)
  • Volkswagen habe der bewaffneten Volkspolizei vermutlich zwei Geländewagen überlassen. Mit den Autos wurden möglicherweise Menschen abgeholt und deportiert.
  • Schon ehe das Werk eröffnet wurde, warfen Menschenrechtler Volkswagen vor, sich von Chinas Regierung instrumentalisieren zu lassen.

Von Lea Deuber, Frederik Obermaier und Christoph Giesen, Peking

Gute Nachbarschaft ist wichtig. Das glaubt man offenbar auch bei VW. Mit der Eröffnung seines Werkes in Urumqi, einer Stadt im Nordwesten Chinas, hat das Unternehmen 2013 ein Abkommen mit der Bewaffneten Volkspolizei abgeschlossen. Eine Truppe der Einheit ist in einer Kaserne neben dem Werk stationiert. Mit einer feierlichen Unterzeichnung und einer Tour durch die Kaserne besiegelten Volkswagen, sein chinesischer Kooperationspartner und die Polizei das Abkommen. Fotos zeigen den Werksleiter und den Truppenchef, wie sie durch die Kaserne schlendern. In einer Pressemitteilung heißt es, Volkswagen und sein chinesischer Partner freuten sich auf die weitere Vertiefung der Kooperation.

Und die Bewaffnete Volkspolizei hatte dem deutschen Nachbarn anscheinend einiges zu bieten. So bat man dort laut den damaligen Verlautbarungen um Unterstützung bei der "patriotischen Ausbildung" und dem militärischen Training für neu eingestellte Mitarbeiter. Angeblich ging es auch um gemeinsame Feste. Und damit nicht genug: Volkswagen hat der Bewaffneten Volkspolizei auch zwei Autos, vermutlich Geländewagen, überlassen. Autos, mit denen die Polizei möglicherweise Menschen abgeholt und deportiert hat. Nicht nur, dass VW weiterhin in jener Region tätig ist, in der laut Experten Hunderttausende Uiguren willkürlich in Lagern interniert werden. VW unterstützt mit seinem chinesischen Kooperationspartner demnach auch einen der mutmaßlichen Verantwortlichen der Masseninternierungen.

Volkswagens Engagement in Urumqi ist von Beginn an von Experten kritisiert worden. Schon bevor das Werk im Jahr 2013 eröffnet wurde, warfen Menschenrechtler dem Konzern vor, sich von Chinas Regierung instrumentalisieren zu lassen. Volkswagens Präsenz in der Region sende das Signal, stillschweigend zu akzeptieren, wie die Behörden mit der Bevölkerung umgehen, heißt es bei der uigurischen Exil-Organisation "Weltkongress der Uiguren". Als der Autohersteller sein Werk in Urumqi eröffnete, war bereits bekannt, dass die Volksgruppe der Uiguren in der Region Xinjiang überwacht und diskriminiert wird. Bereits wenige Jahre nach der Eröffnung des als unrentabel geltenden Werks entstanden in der Gegend Internierungslager - Augenzeugen berichteten von Folter und Vergewaltigungen.

Die jüngst unter anderem von der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten China Cables untermauerten die Anschuldigungen gegen die chinesische Regierung. Kritiker sagen, Volkswagen mache sich mitschuldig an einem der wohl größten Menschenrechtsverstöße dieser Zeit.

"Obwohl die erschütternden Menschenrechtsverletzungen in der Region seit Jahren bekannt sind, stellt VW sich bisher taub und stumm", kritisiert der Menschenrechtler Ulrich Delius von der Nichtregierungsorganisation "Gesellschaft für bedrohte Völker". "Spätestens jetzt muss der Konzern unabhängige Prüfer berufen, die seine Aktivitäten in Xinjiang durchleuchten." Der China-Experte Ross Anthony geht noch weiter: "Das Werk sollte dichtgemacht werden. So schnell wie möglich."

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Damit geraten auch deutsche Politiker unter Druck, schließlich ist das Land Niedersachsen einer der Anteilseigner von VW, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sitzen im Aufsichtsrat. Auf wiederholte Anfrage von SZ, NDR und WDR wollte sich die niedersächsische Landesregierung nicht zur Urumqi-Unternehmung von VW äußern. Auch der Landtag wisse bislang nichts darüber, wie die Landesregierung die Lage in Xinjiang sieht, kritisiert die niedersächsische Grünen-Fraktionschefin Anja Piel. Ähnlich äußert sich der Konzernbetriebsrat von VW: Es lägen "keine Informationen" vor, heißt es dort. Man habe das Unternehmen "um Prüfung gebeten".

Für VW kommt die Debatte zur Unzeit: Wegen der türkischen Militäroffensive in den syrischen Kurdengebieten musste der Konzern jüngst die Entscheidung über den Bau eines Werks in der Türkei auf Eis legen. Erst am Dienstag durchsuchte die Staatsanwaltschaft Büros in Wolfsburg; es geht - mal wieder - um den Dieselskandal. Und nun also auch noch die Debatte um das Werk in Urumqi.

Entsprechend schmallippig gibt man sich bei VW: Das Unternehmen spricht davon, dass 25 Prozent der Mitarbeiter in Urumqi Angehörige von Minderheiten seien, wie viele Uiguren darunter sind, verrät das Unternehmen allerdings nicht. VW erklärt, dass es kein militärisches Training durch die Bewaffnete Volkspolizei gebe oder gegeben habe, den Text der Vereinbarung mit der Bewaffneten Volkspolizei will das Unternehmen allerdings nicht übersenden.

Und zu der Frage, ob die Vereinbarung mittlerweile aufgekündigt wurde: kein Wort. Nur so viel: "Dass wir in unseren Unternehmungen auch in China wie weltweit in allen Werken Menschenrechte achten und dies auch von unseren Geschäftspartnern einfordern, versteht sich."

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