Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Ärger mit der Verwandtschaft

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Fromm

Nein, lange brauchte man nicht zu warten, bis sich Ferdinand Piëch wieder meldete. Nur kurz, nachdem Volkswagen am Donnerstag die beiden Nachfolgerinnen für ihn und seine Frau Ursula im Konzernaufsichtsrat bekannt gegeben hatte, hörte man wieder von dem gestürzten Patriarchen.

Die Bild-Zeitung hatte geschrieben, dass er mit den Neu-Nominierungen Louise Kiesling und Julia Kuhn-Piëch nicht einverstanden sei. Beide hätten zu wenig Erfahrung in der Autoindustrie, deshalb seien der frühere BMW-Manager und Ex-Linde-Chef Wolfgang Reitzle und das frühere Siemens-Vorstandsmitglied Brigitte Ederer die bessere Wahl.

Zwei Frauen, noch dazu aus der eigenen Familie, und beide nicht genehm. Die Salzburger Einmischung ist so bemerkenswert wie erwartbar.

Piëch war am vergangenen Samstag als VW-Aufsichtsratschef zusammen mit seiner Frau von seinen Ämtern zurückgetreten. Der Patriarch war nach einem heftigen zweiwöchigen Machtkampf mit seinen Gegnern im Aufsichtsrat von heute auf morgen nur noch ein Aktionär ohne Amt. Ein Ex-Patriarch, der seine Machtbasis verlor, weil er geglaubt hatte, er könne VW-Chef Martin Winterkorn eigenhändig aus dem Amt fegen.

Die Frage war: Gibt er sich geschlagen? Wird aus dem jahrzehntelangen Herrscher nun ein stiller Beobachter oder gibt er jetzt erst recht keine Ruhe? Die Frage ist beantwortet: Die Ära Piëch bei VW ist zwar beendet, aber man muss auch in Zukunft mit Piëch rechnen.

Ist Reitzle jetzt noch interessant?

Louise Kiesling und Julia Kuhn-Piëch kommen beide aus dem Piëch-Clan, beide sind Nichten des Alten. Die 57-jährige Designerin Kiesling ist die Tochter von Louise Daxer-Piëch, der verstorbenen Schwester von Ferdinand Piëch. Julia Kuhn-Piëch, 34, ist eine Tochter von Ferdinand Piechs jüngerem Bruder Hans Michel Piëch, der ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass deutlich wird, was Piëch von den Manager-Fähigkeiten vieler seiner Familienmitglieder hält: nicht viel.

Piëchs Lieblingskandidat, der frühere Linde-Chef Reitzle, ist auch von anderen Beteiligten schon für den Chefsessel des Gremiums ins Spiel gebracht worden. Jetzt, wo er sich auch als Idealbesetzung des Alten entpuppt, kann man fragen: Ist Reitzle für Piëchs Gegner überhaupt noch interessant?

Dass die Nichten in das Gremium einziehen, gilt als sicher. Die Bestellung geht auf einen Entscheid des Amtsgerichts Braunschweig zurück, das einem Antrag des Vorstands gefolgt war. Der 20-köpfige Aufsichtsrat ist wieder komplett. Zehn Mitglieder von der Arbeitnehmerseite, zehn von der Kapitalseite, darunter drei Vertreter der Piëch- und zwei der Porsche-Familie.

Die Kapitalseite erfüllt damit auch noch die vom nächsten Jahr an geltende Vorgabe eines Frauenanteils von 30 Prozent. Die Dritte im Bunde ist die schwedische Bankerin Annika Falkengren. Was noch fehlt, ist ein neuer Aufsichtsratschef. Interims-Chefkontrolleur Berthold Huber von der IG Metall gilt als Mann für ein paar Monate.

Als wahrscheinlicher Kandidat gilt Wolfgang Porsche, 71. Seine Familie und die Piëchs kontrollieren Volkswagen gemeinsam über die Porsche-Holding. Beide sind über Milliarden-Beteiligungen miteinander verschweißt, und beide Cousins sind sich spinnefeind.

Porsche als Piëch-Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze? Im Konzern erwartet man für diesen Fall eine Einmischung aus Salzburg, gegen die die jüngste Kritik an den beiden Nichten noch eine Art Lob wäre.

Louise Kiesling hat Mode- und Automobildesign studiert und als Designerin in Deutschland, Österreich und Großbritannien gearbeitet. Sie ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin mehrerer Unternehmen; im vergangenen Jahr übernahm sie die insolvente Textilmanufaktur Backhausen.

Es wird weiblicher und farbiger im Aufsichtsrat

Außerdem hält sie einen 20-Prozent-Anteil an dem Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au, das die neue EZB-Zentrale in Frankfurt entwarf. Die andere, Julia Kuhn-Piëch, ist Immobilienkauffrau in Salzburg und sitzt bereits im Aufsichtsrat der VW-Nutzfahrzeugtochter MAN. Es wird weiblicher im Konzern-Aufsichtsrat - und nach den bleiernen letzten Wochen wohl auch etwas farbiger.

Am kommenden Dienstag findet in Hannover die VW-Hauptversammlung statt. Der Ex-IG-Metallchef und Arbeitnehmervertreter Huber muss die Versammlung leiten. Aber noch ist nicht ausgemacht, ob nicht auch Piëch selbst nach Hannover reisen wird, als Aktionär, der er immer noch ist. Es könnte spannend werden.

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SZ vom 02.05.2015
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