Süddeutsche Zeitung

Automobilindustrie:Durchsuchung in der VW-Abhöraffäre

Die Staatsanwaltschaft will den Lauschangriff bei dem Autobauer aufklären. Zahlreiche interne Sitzungen waren heimlich mitgeschnitten worden.

Von Klaus Ott

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ist schon oft zu Razzien wegen Volkswagen ausgerückt, nicht erst im Abgasskandal. Oft ging es um Verfehlungen bis in den Vorstand hinauf, für den Autokonzern war das in der Regel ein Desaster.

Jetzt waren die Braunschweiger Strafverfolger wieder zu einer Durchsuchungsaktion wegen VW unterwegs. Aber in diesem Fall kommt das der Konzernspitze alles andere als ungelegen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines mutmaßlich illegalen Lauschangriffs bei Volkswagen. Die Ermittlungsbehörde bestätigt auf Anfrage, dass es eine Durchsuchung gab. Details nennt die Behörde nicht. Auch nicht, "ob und gegen wie viele Personen" ermittelt werde. Bis auf die Durchsuchung und den Verdacht macht die Behörde keine weiteren Angaben.

Die Abhöraktion, um die es in diesem Fall geht, hat 2017 und 2018 stattgefunden. Es ist eine höchst ungewöhnliche Affäre, und einen Verdächtigen hat Volkswagen selbst schon ausfindig gemacht. Zahlreiche Sitzungen und weitere Termine, bei denen es um einen heftigen Streit zwischen dem VW-Konzern und dem Autoteile-Lieferanten Prevent ging, waren heimlich mitgeschnitten worden. Das Material landete schließlich beim Wirtschaftsmagazin Business Insider, das Kerninhalte des Abhörmaterials kürzlich veröffentlichte. Aufgrund des Materials konnte Volkswagen recht schnell den Kreis der mutmaßlichen Täter in den eigenen Reihen eingrenzen. Der Verdacht fiel am Ende auf einen Angestellten aus dem Bereich Beschaffung; also jener Sparte, die sich um den Einkauf von Autoteilen bei Zulieferern kümmert. Ohne diese Spezialfirmen, die von Bremsen bis zu Sitzbezügen vieles herstellen, ließe sich längst kein Auto mehr montieren.

Die Konzernsicherheit bei Volkswagen, die sich um mögliche Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstöße kümmert, hat nach Angaben aus Unternehmenskreisen die Dienstgeräte des Verdächtigen sogleich sichergestellt. Handy, Laptop wie auch Akten; eben alles, was Aufschluss über mögliche Gesetzesverstöße des Verdächtigen geben könnte. Es ist davon auszugehen, dass VW das Material der Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits übergeben hat oder dass dies kurz bevorsteht. Der Konzern hatte nach Bekanntwerden des Lauschangriffs Strafanzeige erstattet und eine interne Untersuchung eingeleitet. Man sei "Opfer einer illegalen Abhörattacke" geworden, erklärte Volkswagen.

Volkswagen und Prevent überziehen sich in Gerichtsverfahren gegenseitig mit Vorwürfen

Heimliches Mitschneiden von Gesprächen wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Bei den abgehörten Sitzungen war es darum gegangen, wie VW nach einem früheren Lieferstreik von Firmen der Prevent-Gruppe die Geschäftsbeziehungen zu dieser Unternehmensgruppe dauerhaft beenden könne. Das ist inzwischen geschehen und hat zu mehreren Gerichtsverfahren geführt, in denen sich Volkswagen und Prevent gegenseitig mit harten Vorwürfen überziehen. Nun kommt die Abhöraffäre hinzu.

Anlässlich der Strafanzeige hatte ein VW-Sprecher gesagt, man stelle sich bei Volkswagen "selbstverständlich die Frage", wer an den Inhalten der Besprechungen zum Umgang mit Prevent und den daraus möglicherweise folgenden Plänen des Konzerns "ein Interesse haben und zu derlei Mitteln greifen würde". Die Prevent-Gruppe ihrerseits erklärte, man sei "erschüttert" darüber, dass VW einen Arbeitskreis installiert habe, um Prevent loszuwerden. Von der Abhöraktion habe man nichts gewusst und habe damit auch nichts zu tun, hieß es aus Prevent-Kreisen.

Nun ist die Staatsanwaltschaft Braunschweig am Zug und versucht zu klären, wer bei Volkswagen illegal gelauscht hat. Und vor allem, aus welchem Grund das überhaupt geschehen ist.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2020
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