Vodafone:Rundum fernsehen

Mit Giga TV möchte Vodafone der Telekom Konkurrenz machen und seinen Kunden ein neues Komplettangebot bieten - vom Kabelfernsehen über Video-on-Demand bis zum Streaming. Und alles lässt sich bequem über eine Fernbedienung steuern.

Von Helmut Martin-Jung

Der mit Stoff bezogene Hocker hat es in sich. Er enthält einen Wlan-Empfänger, kraftvolle Lautsprecher, lässt sich per Sprachbefehl steuern. Und er wirft sogar über einen eingebauten Kurzdistanz-Beamer ein Bild an die Wand, vor der er steht. Mitglieder eines Projektteams bei Vodafone haben ihn entwickelt, und ein bisschen symbolisiert er das große Projekt, das vor allem hier in Unterföhring, zum Teil aber auch an anderen Standorten entwickelt worden ist: Mit Giga TV will Vodafone nicht bloß aufschließen zu Konkurrenten wie der Telekom und deren Entertain TV, sondern es besser machen.

Gut ein Jahr haben die Projektmitglieder abseits des eigentlichen Bürogebäudes von Vodafone Kabel Deutschland zusammen mit Experten des US-Netzwerkspezialisten Cisco an Giga TV entwickelt, in einem Ambiente, das viel mehr einem Start-up ähnelt, als der Abteilung eines Konzerns. Sofas unterbrechen die Tischreihen im Großraum, ein großer Kaffeevollautomat liefert den nötigen Koffeinnachschub.

Am 12. Februar nun soll das neue TV-Angebot starten. Sein Clou ist zum einen die Verbindung zwischen Kabelfernsehen und Internet. Zwar sagt Vodafones Deutschlandchef Hannes Ametsreiter, "die Zukunft des Fernsehens ist Streaming" - also die Übertragung von Videoinhalten auf Wunsch und übers Internet. Doch er weiß auch: Die Kunden hängen nach wie vor am linearen Fernsehen - also dem an Sendezeiten gebundenen, herkömmlichen Fernsehen.

Mit Giga TV versucht Vodafone, beide Welten so übergangslos wie möglich zu verbinden. Über einen ebenfalls neu entwickelten Empfänger, der vier HD-Kanäle gleichzeitig empfangen kann, wird alles zusammengeworfen. Das Ziel: Die Nutzer sollen sich nicht von der App des einen Anbieters zu der des nächsten hangeln und dann wieder zurück zum "normalen" Fernsehen navigieren müssen.

Auf einer Oberfläche, die man in Längs- und in Querrichtung mit den Pfeiltasten der Fernbedienung durchstreift, findet man sowohl Inhalte aus dem Live-Fernsehen, als auch solche der Mediatheken. Dabei berücksichtigt der Receiver auch persönliche Vorlieben und merkt sich zuletzt gesehene Sendungen.

Eine weitere Besonderheit: Giga TV holt sich die Mediatheken-Inhalte erst in sein Rechenzentrum und spielt es dann von dort aus. Das, heißt es bei Vodafone, soll vor allem der Bildqualität zugutekommen. Etwa 100 Kanäle wird Giga TV bieten, rund 40 davon in scharfer HD-Qualität, dazu die Inhalte von 56 Mediatheken wie zum Beispiel die von Arte oder von Pro Sieben Sat 1. Über die Internetverbindung können auch Sendungen in UHD-Qualität abgerufen werden, diese bieten eine viermal so hohe Auflösung wie das bisherige HD, erfordern aber auch entsprechende Fernsehgeräte. Das lineare Fernsehen dagegen kommt übers Fernsehkabel.

Die Fernbedienung des Receivers hat Vodafone sehr einfach gehalten, "da haben wir von Apple gelernt", sagt Ametsreiter. Wie die von Apple hat auch die Vodafone-Fernbedienung eine Mikrofon-Taste. Die Steuerung per Spracherkennung wird allerdings zum Start des Angebotes noch nicht funktionieren, sondern soll per Software-Update nachgerüstet werden. Alle zwei Wochen, so schwebt es Ametsreiter vor, soll es neue Software geben, "Kundenfeedback und die schnelle Reaktion darauf sind kriegsentscheidend", sagt er. Man wolle nicht reagieren wie ein klassisches Telekommunikationsunternehmen, das einmal alle eineinhalb Jahre eine große Neuerung bringt, sondern schneller und agiler handeln.

Schneller und agiler, da denkt man sofort auch an Smartphones und Tablets. Dass das komplette Programm auch auf diesen Geräten läuft, war ein weiteres wichtiges Entwicklungsziel bei Giga TV. Die Zeiten, in denen sich die Familie noch zum gemeinsamen Fernsehgucken im Wohnzimmer versammle, seien selten geworden. Am liebsten wäre es Ametsreiter ja, dass man die Smartphones und Tablets auch über Ländergrenzen hinweg würde nutzen können, nach dem Motto "Alles ist überall verfügbar". Aber, "das Medienrecht hinkt dem leider noch hinterher", sagt er, "hoffentlich tut sich da noch was."

Aber wieso tut sich ein Telekommunikationsunternehmen überhaupt den Tort an, Fernsehen zu verbreiten? Zumal, da das neue Antennenfernsehen DVB-T 2 vor dem Start steht mit einer ebenfalls hohen Übertragungsqualität und 40 HD-Kanälen? Und es auch billige Lösungen wie zum Beispiel Amazons Fire TV gibt, mit denen man die Mediatheken im Internet anzapfen kann?

Acht Millionen TV-Kunden hat Vodafone durch die Übernahme von Kabel Deutschland gewonnen

Vodafone, das macht Ametsreiter deutlich, will nicht zu einem bloßen Dienstleister werden für andere, die dann die interessanten Inhalte durchleiten. Über die werde dann nämlich gesprochen, nicht aber darüber, wie sie ins Wohnzimmer gekommen sind. "Das eine ist Infrastruktur", sagt er, "das andere sind Inhalte."

Acht Millionen Fernsehkunden hat Vodafone mit dem Kauf von Kabel Deutschland übernommen, beim Internet dagegen gibt es mit drei Millionen Kunden noch viel Potenzial. Ametsreiter will aber nicht bloß bestehende Kunden davon überzeugen, auf Giga TV umzusteigen. Wofür der Konzern preislich attraktive Bündel schnüren will für Kunden, die auch Telefon und Internet von Vodafone beziehen. Er möchte auch neue Kunden von anderen Anbietern abwerben. Der Preis ohne Bündelangebot beträgt 14,90 Euro im Monat. Dazu lassen sich noch Pakete buchen wie etwa fremdsprachige Sender.

Ob das Vorhaben klappt, wird zu großen Teilen davon abhängen, ob das Unternehmen sein Qualitätsversprechen einhalten kann, und das Ziel, das Angebot stetig anzupassen und zu erweitern. Aber auch die Servicequalität ist ein wichtiger Faktor. Die heftig kritisierte Werbeaktion, der das Unternehmen den Anschein einer Mahnung gab, könnte dabei eher kontraproduktiv wirken.

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