Vita Cola reüssiert:Auf der Retrowelle zum Erfolg

Der einstigen DDR-Brause Vita Cola fiel es lange schwer, sich gegen Coca-Cola zu behaupten. Inzwischen greift sie den Weltmarktführer aber in Ostdeutschland erfolgreich an. Der Erfolg kam mit dem Retrodesign.

Judith Pfannenmüller

Bequemer hätte es für Ralf Sippel, Marketingleiter von Vita Cola, gar nicht kommen können. Just zu dem Zeitpunkt, als Sippels Firma - der hessische Getränkekonzern Hassia - die Ost-Cola aufkaufte, war die Marktforschung des Vorbesitzers Brau und Brunnen fertig geworden.

Vita Cola

Keine eigene Flasche, keine eigene Kiste - das war lange ein Manko der Vita-Markenkommunikation. Im Bild der neue Retrolook, der einschlug.

(Foto: Foto: dpa)

Das war im August 2005, und der Vermarkter konnte sofort mit der Arbeit loslegen. Dazu gab es auch allen Grund. Denn die Marktforschung hatte gezeigt, dass die einstige DDR-Brause in der Bevölkerung zwar uneingeschränkt Sympathie genoss, die Werbung zum Kultgetränk von den Ostdeutschen aber als "aufgesetzt", und die dargestellten Motive als "unrealistisch" empfunden wurden.

"Die Kommunikation zahlte überhaupt nicht auf den Markenkern ein", beschreibt Sippel das Problem.

"Wann, wenn nicht jetzt?" hatte die damalige Agentur Tequila gefragt, nackte Männer in einen Brunnen springen und Menschen bäuchlings auf einem Einkaufswagen durch den Supermarkt segeln lassen. Der Slogan dazu versprach: "Vita Cola. Das kickt".

Die Flasche kickte nicht

Es blieb bei der Behauptung, denn die Flasche kickte beispielsweise überhaupt nicht. Anders als im Cola-Markt üblich, kam sie in der 08/15-Variante daher, in die sonst auch Mineralwässer oder Schorlen abgefüllt werden. Keine eigene Flasche, keine eigene Kiste - ein Manko der Vita-Markenkommunikation.

"Ohne Individualgebinde kann eine Cola nicht zur Entfaltung kommen", diagnostiziert Sippel. Die Marktanteile der Brause mit dem zitronigen Geschmack schienen wie zementiert.

Das war umso schlimmer, als der Absatz von Vita Cola zuvor wegen der Einführung des Dosenpfands von 80 auf 60 Millionen Liter im Jahr zweistellig abgestürzt war. Der Sturz betraf alle Anbieter. Gleichzeitig verschoben sich große Marktmengen zu den Discountern. Dort ist Vita Cola, anders als Coca-Cola, aber bisher nicht präsent.

2006 begann Sippel zu wirbeln, es wurde das Jahr der Reorganisation für die Cola mit der Ost-Historie. Im März war mit Ogilvy & Mather, Düsseldorf, zunächst eine neue Werbeagentur gefunden.

In der Endausscheidung gegen die dahin engagierte WerbeagenturTequila und die Ost-Spezialisten Fritzsch + Mackat setzte sich Ogilvy mit einer Kampagne durch, die dem Markenkern der Vita Cola Ausdruck verleihen sollte.

Bodenhaftung und Wir-Gefühl

Statt Lifestyle, Flippigkeit und Individualität in den Vordergrund zu rücken, zeigen die Düsseldorfer junge, vitale Menschen mit Bodenhaftung und Wir-Gefühl. Der Slogan "Wild erfrischend. Mit dem Spritzer Zitrone" holte auch den extravaganten Zitronengeschmack wieder aus der kommunikativen Versenkung. Gleichzeitig bekam die braune Brause eine standesgemäße Verpackung: Seit einem halben Jahr präsentiert sich die Vita-Cola-Flasche im kultigen Retrodesign.

Auf der Retrowelle zum Erfolg

Von da an ging es bergauf. Mit einem Marktanteil von 12,8 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel und in Abholmärkten ist Vita Cola nach Platzhirsch Coca-Cola (24,8 Prozent) zweitstärkste Cola-Marke in Ostdeutschland. Im letzten Quartal 2006 legte die Ost-Brause gar um 22 Prozent zu.

In Thüringen hat Vita Cola mit 38,6 Prozent Marktanteil (Januar/Februar 2007) den Weltmarktführer Coca-Cola bereits auf die Plätze verwiesen (19,6 Prozent). Während Vita Cola Anfang des Jahres zulegte, verlor Coca-Cola in Ostdeutschland fast 20 Prozent.

Coca-Cola setzt verstärkt auf Discounter

Coca-Cola-Sprecher Geert Harzmann relativiert die dramatischen Einbrüche im klassischen Handel. Denn gerade im vergangenen Jahr hat der Marktführer seine Geschäfte verstärkt in die Discounter (außer Aldi) verlagert.

Dort und im Außerhausgeschäft, das bei Coca-Cola ein Viertel der Absätze ausmache, wachse man, so dass unterm Strich im Osten ein Plus von 2,5 Prozent herauskomme. Die Effekte der neuen Coke Zero sind dabei aber mitgerechnet.

Gerade weil Vita-Cola-Mutter Hassia sich noch nicht dazu durchringen konnte, die Marke auch in Hard-Discountern zu verramschen, erscheint das Wachstum der einstigen DDR-Brause umso erstaunlicher. Denn ganz generell wird im Osten die Hälfte aller Limo- und Colagetränke über Discounter abgesetzt.

Weitere Geschmacksrichtungen

Den Angriff auf den Giganten Coca-Cola verschärft Hassia jetzt erst einmal mit weiteren Geschmacksrichtungen. Mit Vita Cola schwarz bietet Hassia nun auch eine zitronenfreie Variante an, mit Vita Cola zuckerfrei wird außerdem die Klientel der Kalorienbewussten an die Marke gebunden.

Vor allem in der Gastronomie, wo Coca-Cola bisher als Monopolist agierte, sieht Sippel "neue Angriffsfelder". Dort fehlte bisher eine zitronenfreie Variante, die für Cola-Mixgetränke wie Cuba Libre eingesetzt werden kann. Nun kann Hassia der Gastronomie ein Komplettpaket aus Wasser und Erfrischungsgetränken anbieten. "Wir können nun den Gesamtmarkt bespielen", sagt Sippel.

Der quirlige Sachse ist angriffslustig. Nach Thüringen will Sippel dem Global Player aus Atlanta nun auch in Sachsen die Marktführerschaft abjagen. Zweistellige Wachstumsraten, die das Plus vom vergangenen Quartal fortschreiben, prognostiziert der Marketer für 2007.

Werbemaschinerie angeworfen

Damit das gelingt, hat Sippel die Werbemaschinerie angeworfen. Im Laufe des Mai soll die Vita-Cola-Familie überall im Handel zu haben sein. Gerade werkelt die Agentur an neuen Motiven, die von Mitte Mai an auf Plakaten und Anzeigen in Ostdeutschland zum Einsatz kommen, begleitet von Radiospots und Promotion-Teams.

Seit März bringt sich Vita Cola als Exklusivpräsenter der Podcast-Novela "Liebe im ersten Semester" auch bei jüngeren Zielgruppen ins Spiel - in Kooperation mit den Massenradios PSR, rs2, Radio SAW und Landeswelle Thüringen. Für die Internet-Plattform MySpace ist eine Aktion geplant. Ein siebenstelliges Budget wird Sippel dieses Jahr verballern.

Coca-Cola sieht sich mit dem Sponsoring von zehn Fußballklubs, darunter Hansa Rostock und Rot-Weiß Erfurt, im Osten ebenfalls gut aufgestellt. Als Hauptsponsor der Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg wirbt die Weltmarke im Osten für Sympathie.

"Land für Land Inseln bilden"

Derweil brütet Sippel schon über den nächsten Angriffsplänen. Zum 50. Jubiläum der Marke im nächsten Jahr wäre es zu schön, den Global Player auch im Westen anzugreifen. Doch der Vita-Cola-Mann will hier lieber nichts überstürzen: "Wir können erst einmal Land für Land Inseln bilden, es muss ja kein nationaler Rollout sein."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: