Vier-Tage-Woche:Mit oder ohne Lohnausgleich

Die IG Metall löst heftige Diskussionen über eine Verkürzung der Arbeitszeit aus. Die einen halten die Vier-Tage-Woche für ein sinnvolles Instrument in der Krise, die anderen für Gift.

Von Benedikt Peters

Mit ihrem Vorstoß zur Einführung einer Vier-Tage-Woche hat die IG Metall eine Debatte in Wirtschaft und Politik ausgelöst. Gewerkschaftschef Jörg Hofmann hatte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vorgeschlagen, die Arbeitszeitreduzierung als Option für Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie einzuführen, um in der angeschlagenen Branche Jobs zu retten.

"Ich finde, das ist eine sehr vertretbare und gut überlegte Idee der Gewerkschaften", sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz der Bild-Zeitung. Positive Signale kamen auch aus den Reihen von Grünen und Linken. Deren Chefin Katja Kipping sagte, für den Vorschlag gebe es gute Gründe: "Die Erfahrung zeigt, dass Arbeitszeitverkürzung Beschäftigte glücklicher, gesünder und produktiver macht." Für Kritik hingegen sorgte vor allem, dass die Vier-Tage-Woche nach Vorstellung der IG Metall mit einem Lohnausgleich einhergehen soll. Zur Höhe hatte Gewerkschaftschef Hofmann keine Angabe gemacht, allerdings solle sichergestellt sein, "dass es sich die Mitarbeiter auch leisten können", weniger zu arbeiten.

Die Absenkung der Arbeitszeit sei generell ein "sinnvolles Instrument", sagte Bertram Brossardt, Chef des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, dem Handelsblatt. Das gelte allerdings nur "bei gleichzeitiger Absenkung der Lohnkosten." Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wollte sich auf SZ-Anfrage nicht äußern. Michael Hüther, Präsident des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, gab sich skeptisch. "Das wäre nichts anderes als die Verlängerung und damit Kapitulation vor der Krise", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Vizechef der FDP-Bundesfraktion, Michael Theurer, sagte: "Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wäre gerade in der jetzigen Krise Gift für viele Unternehmen, die ja schon heute um ihre Existenzen kämpfen müssen." Der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, sagte: "Die deutsche Wirtschaft erleidet gerade einen riesigen Produktivitätsschock. Eine Vier-Tage-Woche mit Lohnausgleich verschärft diesen Schock noch."

Die freie Zeit könnte für die Fortbildung genutzt werden, schlägt die Gewerkschaft vor

Die Gewerkschafter hingegen argumentieren, dass kürzere Arbeitszeit nicht unbedingt zu weniger Produktivität führen müsse. Sie sichere zudem Fachkräfte und spare Kosten für einen Sozialplan. Dadurch, dass weniger zur Arbeit gependelt werde, sei sie außerdem umweltfreundlich. Schließlich könne die Vier-Tage-Woche einen Beitrag leisten, um die Transformation in der Automobilindustrie zu schaffen. Hunderttausende Jobs gelten in der Branche als bedroht - nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch durch die Digitalisierung und den schrittweisen Abschied vom Verbrenner-Motor. Die Vier-Tage-Woche solle mit Anreizen verbunden werden, die "freie Zeit für berufliche Fortbildung zu nutzen", sagte IG-Metallchef Hofmann. So sollen die Beschäftigten auch in den Geschäftsfeldern der Zukunft eine Perspektive haben.

2018 hatte die IG Metall für die Dauer von zwei Jahren schon die 28-Stunden-Woche durchgesetzt; Beschäftigte, die das wollten, konnten die Arbeitszeit verringern. Einen Lohnausgleich hatten die Arbeitgeber damals aber weitgehend verweigert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: