Videospiel: Call of Duty Black Ops:Forrest Gump im Gulag

Der Plot von Black Ops: Das Wissen der Nazi-Wissenschaftler, die Zustände in sowjetischen Gulags und der Mord an John F. Kennedy - das erfolgreichste Kulturprodukt ist ein Ego-Shooter.

M. Moorstedt

In Kuba musste sich das Computerspiel "Call of Duty: Black Ops" gerade den Vorwurf gefallen lassen, dass es "nichts weiter als perverse Propaganda" sei. Weil es neben Ausflügen durch diverse Kriegsschauplätze des vergangenen Jahrhunderts auch ein Attentat auf Fidel Castro inszeniert, erziehe das Spiel amerikanische Kinder und Jugendliche zu Soziopathen. Was die USA fünfzig Jahre lang vergeblich versucht hätten, könne man nun virtuell zu Ende bringen.

Der Kalte Krieg mit seinen Stellvertreterscharmützeln wird in "Black Ops" zum virtuellen Erlebnispark. Alex Mason, der Protagonist des Spielers, ist Soldat und eine Art Forrest Gump des bewaffneten Konflikts. Es gibt kaum ein Ereignis, während dem im 20. Jahrhundert die Luft brannte, das "Black Ops" nicht als Steigbügel nutzt.

Der parasitäre Plot dreht sich um den heimlichen Streit der Großmächte um das Wissen der Nazi-Wissenschaftler, um die Zustände in sowjetischen Gulags, den Mord an John F. Kennedy, Vietnam, die Schweinebuchtinvasion, Sabotageakte auf sowjetischen Raketenbasen oder eben die diversen Attentatsversuche der CIA auf Fidel Castro.

Mit den Fakten nimmt es das Spiel allerdings nicht so genau. Für einen Ego-Shooter erzählt "Black Ops" jedoch eine vergleichsweise komplexe Geschichte über Verrat, Moral und Schizophrenie. Es bleibt der Verdacht, dass all dies nur als narratives Feigenblatt dient, um die wieder einmal fast liebevoll inszenierte Brutalität zu tarnen. Nach einer kurzen Einführungsszene entwickelt sich das Spiel als Action-Sperrfeuer, das selbst Hollywoods Blockbuster-König Michael Bay wie einen biederen Autorenfilmer aussehen lässt.

"Black Ops" hießen die Geheimoperationen, mit denen sich die Supermächte in den sechziger und siebziger Jahren beharkten. Das Spiel ist der mittlerweile siebte Teil der Serie "Call of Duty" und bietet im Grunde keine technischen Innovationen. Das Genre der First-Person-Shooter hat sich in den vergangenen 15 Jahren eigentlich nicht mehr weiterentwickelt.

Eine Interaktion mit der Spielwelt findet abseits von Sterben und Töten nicht statt. Es gibt keine Möglichkeiten, das Geschehen abseits der von den Entwicklern erdachten Wege zu beeinflussen. Das bedeutet auch, dass der Spieler sein Handeln zwar hinterfragen kann, die Antwort, wie auch immer sie ausfällt, aber keine Auswirkung auf den Verlauf der Geschichte hat.

Andererseits wird kein Aufwand gescheut, mit Effekten zu überwältigen. Das Motion Capturing der Darsteller war nie glaubwürdiger. Die Stimmen der Spielcharaktere sind die der Hollywood- Schauspieler Gary Oldman, Sam Worthington und Ed Harris. Die Hyperrealität der Zwischensequenzen ist von beinahe verstörender Brillanz.

Realismus bedeutet in diesem Computerspiel also vor allem Blendwerk. Dazu zählt auch, dass es als eines der ersten Blockbusterspiele auch 3-D-Technik unterstützt. Im Zusammenhang mit der Ego-Perspektive wird so ein bislang ungekannter Grad an Immersion möglich.

Da die Verbreitung von 3-D-Fernsehern jedoch noch zu wünschen übrig lässt, dürfte dies noch eine ganze Weile nur ein Marketinggag sein. Dem Erfolg des Spiels schadet es natürlich auch nicht. In den Online-Multiplayer-Arenen hatten die Spieler im Rahmen eines gigantischen Zeitvernichtungsprojekts nach 24 Stunden schon über zwei Millionen Stunden zugebracht.

Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung war "Black Ops" über fünf Millionen Mal verkauft. Und fünf Tage später waren schon knapp 650 Millionen Dollar umgesetzt. Damit übertrifft "Call of Duty" zumindest in der Zwischenwertung selbst "Avatar". Das kommerziell erfolgreichste Kulturprodukt aller Zeiten ist, bitte bleiben Sie jetzt stark: ein Killerspiel.

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