Videokonferenzen:Augen drauf

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Der Blickkontakt in Videokonferenzen wird wichtiger - gerade in Zeiten von Corona, in denen sich immer weniger Menschen real treffen können. (Foto: Valentina Barreto/imago images)

Das Gerät eines Start-ups will mit Eyetracking Videokonferenzen besser machen.

Von Paulina Würminghausen, München

Stephan Odörfer kommt recht sympathisch rüber im Videomeeting. Er lächelt viel, ist geduldig, als die Internet-Verbindung zwischendurch stockt, macht Witze. Doch dass er sympathisch wirkt, könnte - zumindest teilweise - auch an einer Software liegen, und an Nuia, einem schwarzen, länglichen Gerät. Es sorgt dafür, dass der Nutzer den Blickkontakt in Videokonferenzen besser halten kann. Wie? Einmal installiert, verfolgt ein Eyetracker jede Bewegung der Augen. Es sendet dazu infrarotnahes Licht aus. Dieses wird von den Augen reflektiert und von dem Gerät erfasst - dadurch weiß der Eyetracker immer, wo man hinschaut.

Und nun kommt die Software ins Spiel: Das, woran man arbeitet und wohin die Augen schauen, kann der Nutzer mit einem Klick am Bildschirm unterhalb der Kamera befördern. Es wird also ein kleiner Teil des Bildschirminhalts dupliziert und unterhalb der Kamera angezeigt. So schaut der Nutzer immer direkt in die Kamera. Auch, wenn der gerade ganz was anderes macht, zum Beispiel eine E-Mail schreiben oder im Netz surfen.

Die Frage ist nur: Braucht man so eine Software überhaupt? Oder ist sie nur Schnick-Schnack für Technik-Nerds? Eins ist schon mal klar: Das Timing, so ein Gerät rauszubringen, hätte besser nicht sein können. Gerade in Zeiten von Corona, in denen sich immer weniger Menschen real treffen können, sondern nur noch bei Videokonferenzen, kann der Blickkontakt hilfreich sein: "Wenn man sich nicht mehr persönlich sieht, dann leidet das Team darunter", sagt Stephan Odörfer, der mit Headset auf dem Kopf und im Kapuzenpulli in einem sterilen, weißen Büro sitzt.

Er hat die Software zusammen mit seinem besten Freund aus Grundschulzeiten, Tore Meyer, entwickelt - eigentlich aus der Not heraus. Die beiden mussten für ihr anderes Start-up "4tiitoo" mehrere Projekte vorstellen. Dann kam Corona, und es fiel ihnen zunehmend schwer, in den Videogesprächen überzeugend rüberzukommen, während sie gleichzeitig etwa ihre Notizen parat haben müssen. Man selbst ist vielleicht auch abgelenkt von den ganzen unterschiedlichen Seiten, die auftauchen oder schaut sich automatisch selbst an. "Wenn ich das Gegenüber nicht anschaue, fühlt er sich auch nicht angesprochen", sagt Odörfer. Auch Experten sagen, dass durch Augenkontakt Menschen Vertrauen aufbauten.

In der Realität sieht das, zumindest auf Gruppengespräche bezogen, in der Vorab-Version des Geräts etwas anders aus. Der Test zeigt: Wenn unterschiedliche Menschen sprechen, ist es mühsam, immer wieder den jeweiligen Gesprächspartner direkt unter der Laptopkamera zu platzieren. Denn nur so sieht es für die anderen Teilnehmer aus, als wenn man in die Kamera schauen würde. Teilweise muss der Rahmen des duplizierten Bildausschnittes neu zugeschnitten werden, was etwas länger dauert - zumindest, wenn man noch nicht so geübt darin ist. Währenddessen verpasst man dann vielleicht wichtigen Gesprächsstoff. Vertrauen kann man dann erst recht nicht wirklich aufbauen.

Und das Gefühl, demjenigen wie im echten Leben genau in die Augen zu schauen, bleibt wohl in einer Konferenz mit 30 verschiedenen Menschen auch aus. Gerade, da es längst nicht in jedem Unternehmen üblich ist, die Kamera in den Konferenzen einzuschalten. Ansonsten ist die Software erstaunlich leicht anzuwenden - zumindest, wenn man schon etwas Technik-Erfahrung hat. Man muss nur auf eine Taste klicken, und schon kann man sich mithilfe des Blickkontakts aussuchen, welchen Bildausschnitt man gerne sehen will. Und dass das kleine Gerät nachverfolgen kann, wo die Augen hinschauen, ist auch nach Tagen immer noch faszinierend.

Fazit: Zwar ist es etwas angenehmer, dass einem die Software den Blickkontakt zu seinen Kollegen erleichtert. Wirklich lohnen wird sich die Software wohl aber nur für Menschen, die sehr viele Videokonferenzen haben und häufiger Vorträge halten. Bisher ist die Software sowieso nur für Unternehmen gedacht. Für das kleine Start-up wäre es noch nicht machbar, das Gerät auf den Massenmarkt zu bringen. Gründer Stephan Odörfer ist aber optimistisch, dass das noch irgendwann klappt: "Das Thema Eyetracking ist momentan ziemlich hot."

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