Süddeutsche Zeitung

Veto gegen Strompreiserhöhung:Richtiges Ziel, falscher Weg

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Der Strommarkt funktioniert nicht gut genug. Doch das hessische Verbot der Strompreiserhöhungen geht zu weit.

Michael Bauchmüller

Alois Rhiel, der Wirtschaftsminister von Hessen, gilt als konsequenter Ordnungspolitiker im Kreis seiner Länderkollegen. Wie kein anderer kämpfte er für strenge Regeln am Energiemarkt. Er streitet so vehement für eine Abschaffung des Briefmonopols und für mehr Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr, dass es den häufig öffentlichen Unternehmen in diesen Märkten Angst und Bange wird.

Nun aber ist er einen Schritt zu weit gegangen: Er will den hessischen Stromversorgern durch die Bank die geplanten Preiserhöhungen untersagen - und begründet dies mit den "Monopolgewinnen der allermeisten Stromunternehmen".

Sicherlich spricht er damit vielen Haushalten aus dem Herzen: Strompreiserhöhung trotz hoher Unternehmensgewinne, das riecht verdächtig nach Abzocke.

Aber gerade als Ordnungspolitker, der nach dem richtigen Rahmen für wirtschaftliches Handeln strebt, müsste Rhiel wissen: "Überhöhte Gewinne" - so der Minister wörtlich - taugen in einer Marktwirtschaft nicht als Rechtfertigung für staatliche Eingriffe.

Einmal, weil es prinzipiell nichts dagegen einzuwenden gibt, wenn Unternehmen oder Bürger mit ihrem Tun Geld verdienen - solange sie damit nicht gegen Gesetze verstoßen. Zum anderen, weil es keine Instanz gibt, die einen "gerechten" Gewinn festlegen kann; einen, der im richtigen Verhältnis zur Leistung steht. Gewinn oder Verlust ergibt sich aus dem Geschehen am Markt, aus Angebot und Nachfrage, aus der Knappheit von Gütern und der Effizienz von Unternehmen. Deshalb heißt die Marktwirtschaft Marktwirtschaft.

Richtig ist: Der Strommarkt funktioniert nicht gut genug. Es gibt eine Vormacht von vier Unternehmen bei der Erzeugung. Es gibt eine Strombörse, deren Preisentwicklung sich selbst Experten oft nicht erklären können. Es gibt grenzüberschreitende Leitungen, aber zu wenig grenzüberschreitenden Stromhandel. Und es gibt hohe Preise für die Benutzung von Stromnetzen, sodass der Wettbewerb um Privatkunden schwer ist.

Es sind nicht nur staatliche Lasten und teure Rohstoffe, die den Strompreis treiben, auch wenn die Versorger dies gerade in einer groß angelegten Kampagne glauben machen wollen.

Mit seiner Generalattacke aber vernebelt der hessische Wirtschaftsminister den Blick auf die wahren Handlungsfelder der Politik. Wenn die Marktwirtschaft das Wohl Einzelner zum Schaden der Allgemeinheit mehrt, sollte gerade ein Ordnungspolitiker über die Spielregeln am Markt nachdenken, statt publikumswirksam draufzuschlagen. Da gäbe es schon noch genug zu tun.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2005
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