Süddeutsche Zeitung

Bausparkassen-Vertreter im Nachtclub:"Kann ja nicht sein, dass uns die Wüstenrot hier zum Puff kutschiert"

Zu einer Reise nach Rio gehören die Besichtigung des Zuckerhuts, des Maracanã-Stadions - und für einige Wüstenrot-Vertreter auch eine Stippvisite im Nachtclub "Barbarella": Außendienstler der Bausparkasse sollen sich auf einem Incentive-Trip nach Brasilien mit Prostituierten vergnügt haben. Das Unternehmen kündigt Konsequenzen an - und will einen Sex-Sandal wie im Fall Ergo vermeiden.

Nur die Besten durften mit. "Die Incentive-Reise nach Rio de Janeiro war eine Ehrung für besonders verdiente Vertriebsmitarbeiterinnen und Vertriebsmitarbeiter, die sich gleichzeitig in mehreren Vertriebsdisziplinen ausgezeichnet hatten", schreibt die Wüstenrot in ihrer Stellungnahme, die sie am Montagmorgen verschickt. Den Brief an die Öffentlichkeit hält die Bausparkasse für nötig, weil unangenehme Details über die Firmenreise bekannt wurden, die 2010 stattfand: Ihre freien Vertreter sollen nicht nur den Zuckerhut und das berühmte Maracanã-Fußballstadion besichtigt haben, sondern auch einen Nachtclub, in dem Prostituierte auf Freier warten.

Kundschaft sollen die Damen einem Bericht des Handelsblatts zufolge auch in den Reihen der Wüstenrot-Vertreter gefunden haben. Im April vergangenen Jahres besuchten demnach zwischen 14 und 20 freie Handelsvertreter das Lokal "Barbarella". Mindestens drei Außendienstler, darunter auch Führungskräfte, hätten sich Prostituierte mit aufs Zimmer genommen. Auf den Hotelfluren habe "munteres Treiben" geherrscht, berichtete ein Reiseteilnehmer der Zeitung.

"Die Bustüren gingen auf und etwa die halbe Gruppe stieg aus, inklusive Bereichsleiter und Direktoren"", wird ein anderer Teilnehmer zitiert. "Ich habe nur gedacht: Das kann ja wohl nicht sein, dass uns die Wüstenrot hier zum Puff kutschiert."

Illegal ist das nicht, es verstößt aber gegen den Verhaltenskodex der Wüstenrot. Dort heißt es, Mitarbeiter sollten Situationen vermeiden, in denen "persönliche Interessen und Aktivitäten außerhalb der geschäftlichen Tätigkeit negative Rückschlüsse auf Wüstenrot oder andere Konzerngesellschaften bieten". Mitarbeiter sollen auch versucht haben, die Vorgänge in Rio vor der inneren Revision zu verschleiern. Die Reise soll mehr als 200.000 Euro gekostet haben.

Das Unternehmen beteuert, dass der Abschluss des Abends im Bordell weder offiziell noch inoffiziell ein Teil des Reiseprogramms gewesen sei.

Veranstaltet wurde die Reise laut Unternehmen von der Leitung der Direktion Baden-Württemberg der Wüstenrot Bausparkasse AG und einer externen Dienstleistungs-Agentur. Insgesamt hätten etwa 50 Mitarbeiter teilgenommen.

Der Wüstenrot droht ein Image-Debakel, das an den Fall der Ergo-Versicherung erinnert. Die war im Frühjahr in die Schlagzeilen geraten, weil sich Vertreter des Unternehmens 2007 in einem Bad in Budapest mit Prostituierten vergnügt hatten.

Wüstenrot teilte mit, man unterstütze, organisiere oder finanziere keine Aktivitäten, die gegen den Kodex verstoßen. Die Vorfälle in Rio prüft das Unternehmen nach eigenen Angaben "intensiv". Wegen "eindeutiger Ausschweifungen während einer Dienstreise" würden Mitarbeiter diszipliniert werden. Möglicherweise werde es sogar "personelle Konsequenzen" geben.

Einen ersten Schritt hat das Unternehmen bereits angekündigt: Ab 2012 komme nur noch Deutschland als Ziel für Incentive-Reisen in Frage.

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