Das Guinness Buch ist eine wundersame Welt voller kurioser Rekorde. Das größte Toast-Mosaik ist so einer. Mit 15 000 Scheiben Weißbrot haben Feuerwehrmänner vor zwei Jahren in der Nähe von München das Gesicht des Physikgenies Albert Einstein nachgezeichnet. Vier Stunden und 32 Toaster haben sie dafür gebraucht. Der größte Leberkäse wurde 2009 in Baden-Württemberg im Landkreis Biberach gebacken, 3118 Kilogramm schwer und mehr als 15 Meter lang. Neun Rinder und 28 Schweine haben ihr Leben gelassen.
Essen und Trinken gehören zu den beliebtesten Kategorien im Buch der Weltrekorde. Wer kann den größten Burger brutzeln, wer das meiste Bier trinken? Wer kann Tische decken, die sich unter der Last von Speisen biegen, wie in Grimms Märchen? Nahrung im Überfluss ist Sinnbild für ein gutes Leben, überall auf der Welt, in allen Kulturen. Der ewige Traum der Menschheit.
Doch nirgendwo wird er so gelebt wie in den Industriestaaten. Die Schattenseite der Genusskultur: Mehr als 220 Millionen Tonnen noch genießbarer Lebensmittel werden dort pro Jahr weggeworfen, schätzt die Welternährungsorganisation FAO. Eine Menge, die der Nahrungsmittelproduktion aller afrikanischen Länder südlich der Sahara entspricht.
Armut bedeutet Hunger
Für einen großen Teil der Weltbevölkerung bleibt das Schlaraffenland ein unerfüllbarer Traum. Wo Nahrung knapp ist, wird aus dem schönen Leben schnell der nackte Kampf ums Überleben. Nie zuvor gab es so viel Wohlstand auf dieser Erde und gleichzeitig so viele Menschen, die daran nicht teilhaben, stellt die Weltbank fest. 1,2 Milliarden Kinder, Frauen und Männer leben von weniger als 1,25 Dollar am Tag, etwa 90 Cent. Das ist die Schwelle, mit der extreme Armut definiert wird. Armut bedeutet Hunger.
Die Weltbank hat auch ausgerechnet, dass etwa 125 Milliarden Euro pro Jahr notwendig wären, um allen Menschen über diese Schwelle zu helfen. Doch das sind Zahlenspiele. Keine Regierung erwägt, auch nur einen Teil dieses Betrages aufzubringen. Dabei wäre das ein Klacks, verglichen mit dem Schaden, den die Finanzkrise von 2008 angerichtet hat. Deren Kosten für die Weltwirtschaft werden auf bis zu acht Billionen Euro geschätzt.
Für viele Menschen in Entwicklungsländern fängt der Überlebenskampf erst jetzt so richtig an. Die Nahrungsgrundlage gerät zunehmend in Gefahr. Lebensnotwendige Ressourcen wie Wasser und Böden werden überstrapaziert. Weltweit geht immer mehr Ackerland verloren. Süßwasserreserven schwinden. Der Klimawandel bedroht die Ernten. Die Zeichen sind nicht zu übersehen. Die Preise für Agrarrohstoffe sind im vergangenen Jahrzehnt so stark gestiegen wie in den vorhergehenden fünf Jahrzehnten nicht. Das spüren auch die Deutschen. Lebensmittel werden teurer.
Was hierzulande das Haushaltsbudget schmälert, kann jedoch anderenorts rasch lebensgefährlich werden und Volksaufstände auslösen, wie 2007 die Tortillakrise in Mexiko. Eine Ursache war das zuvor abgeschlossene Freihandelsabkommen Nafta mit den nordamerikanischen Staaten. Mexikanische Bauern konnten nicht mit dem staatlich subventionierten Mais aus den USA konkurrieren. Plötzlich war das Land abhängig von Einfuhren. Und als der Biosprit-Boom die Maispreise in schwindelerregende Höhen trieb, brachte das viele Mexikaner in Existenznöte, weil die sich vor allem von Mais ernähren
Lebensmittelpreise haben sich verdoppelt
Global haben sich die Preise für Nahrungsmittel seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Doch in ärmeren Ländern stiegen sie weitaus stärker als in den Industrieländern. In einigen Regionen Ostafrikas mussten die Menschen der FAO zufolge zeitweise sogar das Dreizehnfache ausgeben. Immer mehr Regierungen ärmerer Länder sehen sich nicht mehr in der Lage, ihre Bevölkerung ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen.
Es herrscht Notstand im globalen Supermarkt. Beispiel Kenia. Ein Land, das nach afrikanischen Maßstäben durchaus als relativ wohlhabend gilt. Noch in den achtziger Jahren bauten die Bauern des afrikanischen Staates genug an, um den heimischen Bedarf zu decken. Heute muss Kenia knapp zwei Millionen Tonnen Weizen, Reis und Mais pro Jahr an den internationalen Agrarmärkten zukaufen, weil die heimischen Produzenten nicht genug liefern.