Versicherungswirtschaft:Die Hüter des Datenschatzes

Versicherungswirtschaft: Eine Küche aus den Siebzigerjahren: Ob Schäden über eine Hausratpolice gedeckt sind, hängt von der Versicherung ab. Um so wichtiger ist es für Makler und Kunden die Angebote vergleichen zu können.

Eine Küche aus den Siebzigerjahren: Ob Schäden über eine Hausratpolice gedeckt sind, hängt von der Versicherung ab. Um so wichtiger ist es für Makler und Kunden die Angebote vergleichen zu können.

(Foto: mauritius images / United Archiv)

Die kleine Firma Franke und Bornberg analysiert seit 1997 alle Versicherungstarife auf dem Markt. Inzwischen kommen viele Makler und Versicherer ohne diese Daten nicht mehr aus.

Von Herbert Fromme und Jonas Tauber, Hannover

Versicherungsmakler leben manchmal gefährlich. Denn sie haften, wenn sie ihre Kunden falsch beraten haben. Wer weiß denn schon, dass viele Versicherer bei einer Hausratpolice Schäden an Einbauküchen oder Parkettböden ausschließen? Kommt es zum Schaden und glaubt der Kunde, er sei doch versichert gewesen, muss der Makler zahlen - wenn er den falschen Tarif ausgewählt und den Kunden nicht entsprechend aufgeklärt hat. Bei der Einbauküche ist das vielleicht noch tragbar, aber wenn der Vermittler einen falschen Tarif für die Berufsunfähigkeitsversicherung ausgesucht hat, kann die Maklerhaftung sehr teuer werden.

Kein Wunder, dass kaum ein Makler ohne Vergleichsprogramm unterwegs ist, das die Preise, Bedingungen und Tücken zahlreicher Tarife verschiedener Versicherer vergleicht. Der Kunde recherchiert ja ohnehin auch selbst im Internet. Je digitaler der persönliche Versicherungsvertrieb wird, desto wichtiger werden die Daten.

Einer der wichtigsten Datensammler für diese Vergleiche hat gerade mal 110 Mitarbeiter und sitzt in einem unauffälligen Bürohaus, nicht weit vom Bahnhof in Hannover. Kein Vergleich mit den Glaspalästen vieler Versicherer. Nur die Experten kennen die Firma: Aber das Analysehaus Franke und Bornberg hat einen Einfluss auf die Branche der viel größer ist als der so mancher mittelgroßer Gesellschaft.

Wer Angebote vorher vergleichen kann, hat bessere Verkaufsargumente

Der frühere Versicherungsmakler Michael Franke und die Mathematikerin Katrin Bornberg haben einen Datenschatz aufgebaut, den die Makler und immer mehr Versicherer dringend benötigen. Ihre Analysten untersuchen jeden Tarif auf Herz und Nieren - jeden. Wenn ein Versicherer einen neuen Tarif auf den Markt bringt, legen sie los. Sie prüfen die Bedingungen anhand von 200 bis 300 Kriterien. Am Ende des Prozesses vergeben sie ein Rating. Je leistungsfähiger die Police, desto besser die Note.

"Das Besondere ist, dass wir die Daten für unsere Analyse nicht vom Versicherer übernehmen, sondern selbst generieren", sagt Gründer und Chef Michael Franke. Insgesamt 90 000 Tarife lassen sich über seine Datenbank inzwischen vergleichen, von der Autoversicherung bis zur hochkomplexen Berufsunfähigkeitspolice.

Die Hannoveraner bieten Software an, für die sie bei Maklern genauso kassieren wie bei Versicherern. Sogar die Verbraucherzentrale in Bayern soll sich dafür interessieren. Punkten kann das Unternehmen bei so unterschiedlichen Marktteilnehmern, weil es unabhängig ist, sagt Franke. Er führt das 1997 gegründete Unternehmen zusammen mit Katrin Bornberg.

Der Berliner Versicherer Ideal verwendet die Daten für Wettbewerbsanalysen. "Jeder Versicherer nutzt das", sagt Chef Rainer Jacobus. "Die haben am Markt den Ruf, untadelig und unbestechlich zu sein." Ähnlich äußert er sich auch zum Rivalen Morgen & Morgen, dem er aber eine andere technische Herangehensweise bescheinigt. Der Verbraucherschutzverband Bund der Versicherten (BdV) setzt auf Tarifrechner beider Anbieter, den Hannoveranern attestiert BdV-Experte Constantin Papaspyratos eine besondere Detailtiefe.

Kritiker werfen Versicherern immer wieder mangelhafte Transparenz vor. Die Versicherungsbedingungen sind häufig nicht nur umfangreich, sondern für Laien auch schwer verständlich. Entsprechend groß ist der Markt für Angebote, die mehr Klarheit ins Dickicht bringen. Das zeigt der Erfolg von Vergleichsportalen wie Check24, die eine gefürchtete Konkurrenz für die traditionellen Vermittler geworden sind. Im Unterschied zu ihnen richtet sich Franke und Bornberg nicht an Endkunden, sondern nur an Vermittler und Versicherer.

Das Flaggschiff der Hannoveraner ist das Beratungs- und Vergleichsprogramm für Makler. Inzwischen geht die Dienstleistung aber über das Vergleichen hinaus: Bei dem Programm kann der Makler nach einem Vergleich den Antrag per Knopfdruck anfordern. Das Programm holt sich das Formular von der Website des Versicherers und trägt die Kundendaten ein.

Der neueste Coup: Franke und Bornberg bieten einen vollständig elektronischen Antragsprozess. Das Programm stellt sicher, dass ein Antrag vollständig ausgefüllt ist, bevor er an den Versicherer geschickt wird. Die Unterschrift leistet der Kunde digital am PC. Gibt die Software grünes Licht, landet das Formular über eine Schnittstelle direkt beim Versicherer. Anders als bei einem heute üblichen elektronischen PDF-Formular fällt die Prüfung durch einen Mitarbeiter auf Plausibilität weg, sagt Franke. "Da muss keiner mehr draufschauen." Das Unternehmen hat bereits 20 Gesellschaften dafür gewonnen, darunter Axa, Ergo, HDI und Zurich.

Die Automatisierung spart Zeit und senkt die Kosten beim Versicherer. Das lässt sich Franke und Bornberg bezahlen. Für die Integration eines Tarifs stellt es einem Unternehmen einmalig 3900 Euro in Rechnung. Schließen Makler vollelektronisch ab, kostet das die Gesellschaft pro Abschluss wenige Euro: Bei einer Sachversicherung werden zwei Euro fällig, bei einer Lebensversicherung 3,75 Euro. Das ist ein wichtiger Unterschied zu Provisionen: Die Beträge sind fix und hängen nicht von der Beitragshöhe ab. Der Makler wiederum zahlt für die Nutzung des Programms.

Derzeit hat Franke und Bornberg bei den Maklern eine fünfstellige Nutzerzahl, also über 10 000. Genauer will Franke nicht werden. 70 Prozent davon entfallen auf Vermittlerzusammenschlüsse, sogenannte Maklerpools.

Auch 80 Versicherer zahlen für den Zugang zur Datenbank, um während der Entwicklung eigener Angebote vergleichen zu können. Allianz, Ergo, Nürnberger und R+V haben ihre Vertreter außerdem mit einem Analysetool der Hannoveraner ausgestattet, auch wenn die Vertreter in der Regel nur die Tarife einer Gesellschaft verkaufen. Aber mit dem Instrument können sie den bestehenden Vertrag eines Kunden bei einer anderen Gesellschaft mit den aktuellen Policen vergleichen, die sie im Angebot haben. Das liefert Verkaufsargumente.

Insgesamt hat das Unternehmen 2018 rund acht Millionen Euro Umsatz erzielt - ein niedriger Wert bei 110 Mitarbeitern, gibt Franke zu. Allerdings sei die Belegschaft zuletzt stark gewachsen, und der Umsatz bewege sich nach oben. Die Firma ist in einem hart umkämpften Markt aktiv. Zu den Rivalen gehört Morgen & Morgen, das ebenfalls Ratings und Vergleichsprogramme anbietet. Außerdem hat der Maklerpool Fonds Finanz die eigene Plattform Softfair. Aktuell entwickeln sich die Dinge gut für die Hannoveraner: Der Finanzvertrieb Swiss Life Select - früher AWD - hat seine Verträge mit Softfair gekündigt und wechselt 2020 zu Franke und Bornberg. Auch einige Maklerpools haben den Wechsel beschlossen, sagt Franke, will aber keine Namen nennen.

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