Süddeutsche Zeitung

Versicherungsbranche:Makler gegen Makler

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Die klassischen Versicherungsvermittler fürchten die neue Konkurrenz im Internet und verklagen das Vergleichsportal Check24. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines erbitterten Streits.

Von Herbert Fromme, München

Der Streit zwischen traditionellen Verkäufern von Versicherungen und jungen Online-Anbietern hat die Gerichte erreicht. Die erste Runde findet an diesem Mittwoch vor dem Landgericht München statt. Der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) verlangt vom Münchner Internet-Vergleichsportal Check24, dass es seine Vertriebspraktiken ändert. "Check24 hält sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften für die Beratung und die Dokumentation der Beratung", sagt Michael Heinz, Versicherungsmakler und Präsident des Verbandes. Check24 bestreitet das und hat deshalb auch die vom BVK verlangte Unterlassungserklärung nicht unterschrieben.

Der BVK vertritt wie kaum ein anderer den traditionellen Versicherungsvertrieb: Die Mitglieder sind entweder Vertreter oder Makler und verkaufen vor allem im direkten Gespräch mit ihren Kunden - im Kern hat sich ihr Geschäftsmodell seit mehr als 100 Jahren nicht verändert.

Auf der anderen Seite das Vergleichsportal Check24, das einen sagenhaften Aufstieg hingelegt hat. Mit ein paar Mausklicks kann der Kunde Tarife vergleichen und bequem abschließen. Mehr als 900 000 Autos hat das Portal so versichert, dazu zahllose Hausrat-, Gebäude- oder Unfallpolicen verkauft. Schließt der Kunde ab, verdient Check24 daran mit - denn technisch gesehen ist das Unternehmen auch ein Versicherungsmakler.

Der Streit zwischen BVK und Check24 ist der vorläufige Höhepunkt der Auseinandersetzungen über die Rolle neuer Anbieter, die plötzlich im Versicherungsmarkt auftauchen. Fintechs werden sie genannt, nach "Financial Technology".

Mit Hilfe einer App kann der Kunde seine Versicherungsfragen einfacher klären als bisher

Das Versprechen von Clark, Getsafe, asuro, simplr, Friendsurance, Finanzchef24 oder Knip: Mit Hilfe des Internets, meistens einer App, kann der Kunde seine lästigen Versicherungsangelegenheiten sehr viel einfacher und bequemer erledigen lassen. Die Newcomer sind von Investoren großzügig mit Geld ausgestattet worden - und suchen jetzt Geschäft.

Die Markterfolge der Fintechs halten sich in Grenzen. Traditionelle Vertriebe spüren die neue Konkurrenz bislang kaum direkt an ihren Zahlen. Aber sie wittern die Gefahr - vor allem angesichts der zurzeit ohnehin angespannten Lage im Versicherungsvertrieb. Das Geschäft verläuft flau, die Bundesregierung drängt auf eine Reduzierung der Provisionssätze.

Helge Lach, Vorstand bei der Frankfurter Vertriebsorganisation DVAG, greift die Fintechs deshalb scharf im DVAG-Blog an. Kunden könnten durch die Fintechs "erheblichen wirtschaftlichen Schaden" erleiden, die von ihnen in der Regel vom Kunden eingeforderte Maklervollmacht werde durch "arglistige Täuschung" ergattert, schreibt er unter dem 28. Januar. Möglicherweise verfüge ein Fintech nicht über die vorgeschriebene Berufshaftpflicht, lasse den Kunden im Schadenfall allein und richte "Scherbenhaufen" in den Verträgen an, spekuliert Lach.

Starker Tobak, der sich vor allem an die eigenen verunsicherten Vertriebstruppen richtet. Dennis Just, Gründer und Chef des per App arbeitenden Versicherungsmaklers Knip, nimmt den Ball dankbar auf. Er veröffentlichte am 1. Februar einen offenen Brief. Zunächst habe er sich über den Blogeintrag geärgert, schreibt er der "lieben DVAG". Doch mittlerweile sei er dankbar. "Ihr verschafft mir die Gelegenheit, eines ganz deutlich zu sagen: Ihr seid der Grund, warum es Knip überhaupt gibt." Der Versicherungsvermittler sei die mit Abstand unbeliebteste Berufsgruppe in Deutschland, schreibt Just. "Die Vorwürfe, die ihr gegen uns erhebt, sind haltlos und machen einmal mehr deutlich, dass rein vertriebsorientierte und technologieferne Anbieter wie ihr mit dem Rücken zur Wand stehen."

Der Streit wird weitergehen. Zuviel steht auf dem Spiel. Versicherungsvertrieb ist Big Business in Deutschland. Die Branche leistet sich immer noch mehr als 230 000 Versicherungsvermittler. Allein die Lebensversicherer geben bislang knapp acht Milliarden Euro pro Jahr für Vertriebskosten aus, der größte Teil davon sind Provisionen für Vermittler - gezahlt zu 100 Prozent vom Kunden.

Von diesem Kuchen wollen auch Knip & Co. ein Stück abhaben. Die Fintechs sind rechtlich Versicherungsmakler oder -vertreter. Sie konzentrieren sich auf ein kleines, aber wichtiges Stück dessen, was Versicherung ausmacht: die lukrative Schnittstelle zum Kunden. Die DVAG besetzt sie mit Handelsvertretern, Knip mit einer App und telefonischer Beratung.

Mit der anstehenden digitalen Umwälzung der Versicherungswirtschaft haben die Fintechs bislang wenig zu tun. Das machen bisher nur einige technisch fortschrittliche Versicherer wie Allianz und Axa. Mit Hilfe von Internet und klug programmierten Rechnern wollen sie neue Zusammenhänge von Verhalten und Risiko finden - Stichwort Big Data. Die Versicherer wollen sich zu digital kommunizierenden Begleitern bei Gesundheit, Fahrverhalten und Wohnungssicherheit machen.

Ob sich Knip und andere durchsetzen, ist deshalb keineswegs sicher. Rund 77 Prozent der 18- bis 35-Jährigen, die Erfahrungen mit den elektronischen Versicherungsordnern haben, sind vom Ergebnis enttäuscht, hat die Unternehmensberatung Innovalue in einer Befragung ermittelt. Offenbar haben die Systeme Schwächen. Vor allem aber klappt die Kommunikation mit den Versicherern, die schließlich die Daten liefern müssen, nur schleppend.

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SZ vom 22.02.2016
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