Süddeutsche Zeitung

Versicherungen:Wenn der Urlaub zur Pleite wird

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Das Aus von Thomas Cook beunruhigt viele Verbraucher. Wie gut sind sie abgesichert? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Eva Dignös

Bei allem Frust über entgangene Ferientage - es gibt eine gute Nachricht: Die meisten der 140 000 Urlauber aus Deutschland, die von der Insolvenz ihres Reiseveranstalters Thomas Cook und seiner Tochterunternehmen (darunter Neckermann Reisen, Bucher Reisen und Öger Tours) im Urlaub überrascht wurden, sind mittlerweile wieder zu Hause. Gezahlt hat das Versicherungsunternehmen Zurich Deutschland, bei dem Thomas Cook die Kundengelder für den Insolvenzfall abgesichert hatte. Allerdings wird die Versicherungssumme nicht ausreichen, um den gesamten Schaden auszugleichen. Wer seine Reise gebucht und bezahlt, aber noch nicht angetreten hat, wird wohl nur einen Teil des Geldes zurückbekommen. Auf 110 Millionen Euro im Jahr ist die Versicherungssumme gedeckelt. "Sie können davon ausgehen, dass dies bei Weitem nicht reicht", so ein Zurich-Sprecher. Zunächst müssten Hotelrechnungen und Rückflüge bezahlt werden. Es wird vermutlich nicht die letzte Pleite in der Reisebranche sein.

Wie können sich Urlauber gegen eine Insolvenz ihres Reiseveranstalters oder ihrer Airline schützen?

Auch wenn die Ereignisse rund um die Thomas-Cook-Pleite das Gegenteil vermuten lassen: Am besten abgesichert sind Pauschalreisende. "Das gilt nach wie vor", sagt Felix Methmann, Reiserechtsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Wer eine Pauschalreise bucht, also mindestens zwei Leistungen im Paket, beispielsweise Flug und Unterkunft, ist dank der EU-Pauschalreiserichtlinie rechtlich besser gestellt als ein Individualreisender: Pauschalreisende können eine Entschädigung verlangen, wenn die Reise nicht so verläuft wie angekündigt, wenn das Zimmer nicht den versprochenen Meerblick hat oder der Strand statt vor der Haustür zwei Kilometer entfernt ist. Und: Sie genießen Insolvenzschutz, wenn der Reiseveranstalter wie im Fall Thomas Cook pleite geht. Dann springt eine Versicherung ein - sofern die Versicherungssumme ausreicht. "Bei einem kleinen Anbieter ist man daher möglicherweise sicherer aufgehoben", sagt vzbv-Jurist Methmann. Dann ist der finanzielle Gesamtschaden geringer und die Chance größer, die Kosten komplett erstattet zu bekommen.

Wie wird der Versicherungsschutz nachgewiesen?

Als Beleg dient der Sicherungsschein. Der Kunde bekommt ihn in der Regel zusammen mit der Buchungsbestätigung, oft ist er auf deren Rückseite aufgedruckt. Erst wenn er ausgehändigt wurde, dürfen Veranstalter oder Reisebüro eine Anzahlung verlangen. Auf dem Sicherungsschein müssen die Namen von Reiseveranstalter und Versicherer stehen, außerdem das Gültigkeitsdatum für die Police. Vorsicht ist geboten bei nachträglichen, womöglich handschriftlichen Änderungen: Das deutet auf eine Fälschung hin. Der Sicherungsschein gehört immer ins Reisegepäck, um im Fall der Fälle mit der Versicherung Kontakt aufnehmen zu können. Und wenn das Dokument zu Hause liegt oder längst in der Papiertonne? Dann können Reisende bei ihrem Veranstalter erfragen, an welche Versicherung sie sich wenden müssen.

Werden alle Kosten, die Reisenden durch eine Insolvenz entstehen, erstattet?

Die Versicherung erstattet den gezahlten Reisepreis, wenn Reiseleistungen ausfallen, und übernimmt die Aufwendungen für die Rückreise - so steht es im Sicherungsschein. In Deutschland können Versicherer allerdings ihre Leistungen auf 110 Millionen Euro im Jahr deckeln (wie im Fall von Thomas Cook). Reicht das nicht aus, wird entsprechend weniger ausgezahlt: Ist der Schaden doppelt so hoch wie die versicherte Summe, bekommt der Urlauber nur die Hälfte. Es kann sogar passieren, dass eine Versicherung schon gezahltes Geld wieder zurückverlangt - dann nämlich, wenn sie im Verlauf eines Jahres gleich bei mehreren Insolvenzen einspringen muss und das Geld schon mit der ersten Pleite aufgebraucht ist.

Können Individualreisende auch einen Sicherungsschein verlangen?

Nein. Wenn Flug und Unterkunft getrennt voneinander gebucht werden, sieht das Gesetz keine Insolvenzabsicherung vor - mit einer Ausnahme: Seit 2018 gelten auch "verbundene Reiseleistungen" als Pauschalreise und sind damit abgesichert. Dafür müssen allerdings gleich mehrere Kriterien erfüllt sein: Werden für dieselbe Reise innerhalb von 24 Stunden mindestens zwei Leistungen - die jeweils mindestens 25 Prozent des Reisepreises ausmachen - bei einem Reisebüro oder Online-Portal gebucht, dann handelt es sich um verbundene Reiseleistungen. Das sieht in der Praxis dann beispielsweise so aus: Der Kunde kauft auf einem Vermittlungsportal einen Flug in die USA, kann von dort aus, ohne seine persönlichen Daten noch einmal eingeben zu müssen, zu einem Mietwagen-Anbieter weiterklicken und reserviert dort gleich noch das Wohnmobil. Dann wird der Reisevermittler zum Veranstalter, es gilt Pauschalreiserecht inklusive der Pflicht, einen Sicherungsschein auszustellen. Verbraucherschützer raten, den Buchungsvorgang genau zu dokumentieren, beispielsweise die Tatsache, dass Name und Kontodaten nur einmal hinterlegt wurden.

Kann der Reisende selbst eine Insolvenzversicherung abschließen?

Bei den Airline-Pleiten der vergangenen Jahre - von Air Berlin über Germania bis Wow Air - war das Geld für schon gebuchte Flüge meistens weg. Aus der Insolvenzmasse erhalten die Fluggäste in der Regel nichts. Auch die Entschädigungsregeln der EU für annullierte und verspätete Flüge greifen nicht, wenn eine Fluggesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit den Betrieb einstellt. Vorbeugen ließe sich mit einer Airline-Insolvenzversicherung - allerdings gibt es "nahezu keine Anbieter solcher Versicherungen", sagt Christian Biernoth, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg, er würde eine solche auch nicht empfehlen. Die Verbraucherschützer sehen nicht den Einzelnen, sondern den Gesetzgeber in der Pflicht und fordern eine verpflichtende Insolvenzversicherung für Fluggesellschaften.

Welche Reiseversicherung ist sinnvoll?

Bei vielen Reisebuchungen bekommt der Kunde die Versicherung gleich mit angeboten. Ein Klick, und schon ist der Abschluss erledigt. Auch im Reisebüro gehört die Frage "Wollen Sie noch eine Versicherung abschließen?" zu fast jedem Verkaufsgespräch. Meist wird gleich ein ganzes Paket gebucht, von der Krankenversicherung über den Gepäckschutz bis zur Notfall-Hotline. Verbraucherschützer warnen: Die Pakete enthielten zwar einige sinnvolle, aber auch überflüssige Policen. Günstiger sei es, nur die wirklich notwendigen Versicherungen einzeln abzuschließen.

Sollten sich Reisende für einen Auslandsaufenthalt krankenversichern?

"Wenn es ins Ausland geht, ist die Auslandsreisekrankenversicherung unverzichtbar", betont Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Zwar besteht für gesetzlich Versicherte auch in den EU-Ländern Versicherungsschutz. Er deckt die tatsächlichen Kosten jedoch nicht ab, denn Urlauber werden oft als Privatpatienten behandelt. Bei einem Krankenhausaufenthalt kommen dann schnell mehrere Tausend Euro zusammen, die der Reisende selbst aufbringen müsste, einen Rücktransport nach Deutschland würde die gesetzliche Krankenversicherung ebenfalls nicht zahlen. Auch die meisten privaten Krankenversicherungen, die zwar Arztbehandlungen im Ausland übernehmen, steigen aus, wenn der Ambulanzflieger gechartert werden muss. Eine Auslandskrankenversicherung, die ärztliche Behandlungen im Ausland umfassend abdeckt, kostet für Singles ab zehn Euro im Jahr, für Familien rund 20 Euro. Der Blick ins Kleingedruckte ist mühsam, aber notwendig, weil sich die Bedingungen deutlich unterscheiden.

Lohnt sich eine Reiserücktrittskostenversicherung?

Wer einen Pauschalurlaub, einen Flug oder einen Hotelaufenthalt bucht und die Reise dann doch nicht antritt, muss in den allermeisten Fällen Stornogebühren zahlen. Sie sind in der Regel zeitlich gestaffelt und umso höher, je näher die Abreise rückt. Fällt die Entscheidung erst eine Woche vor Abflug, können durchaus 80 Prozent des Reisepreises fällig werden. Gegen dieses Risiko sichert eine Reiserücktrittskostenversicherung ab. Sie übernimmt die Stornogebühren. "Ich hatte doch keine Lust", reicht allerdings als Grund nicht aus. Gezahlt wird bei Erkrankungen, Todesfällen in der engen Verwandtschaft, bei plötzlicher Arbeitslosigkeit oder schweren Vermögensschäden, wie beispielsweise einem Brand in der Wohnung. Bei einigen Versicherungen ist auch ein kurzfristiger Jobwechsel abgesichert oder der Scheidungsfall. Wie sinnvoll eine solche Versicherung ist, muss immer individuell ausgerechnet werden. Für einen Flug lohnt sich die Versicherung oft nicht: Steuern und Gebühren werden ohnehin erstattet.

Ist eine Gepäckversicherung sinnvoll?

Die Stiftung Warentest attestiert Gepäckversicherungen ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie seien vergleichsweise teuer und sicherten längst nicht alle Risiken ab. Werden Geld oder Kreditkarte gestohlen, gibt es keinen Ersatz, für Schmuck, elektronische Geräte oder die Fotoausrüstung gelte oft nur ein eingeschränkter Schutz. Auch der Bund der Versicherten rät von einer Reisegepäckversicherung ab.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2019
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