Versicherungen:Verärgerte Vertriebler

Allianz

Konzern unter Druck: Fahnen der Allianz wehen vor der Olympiahalle in München (ein Bild aus dem Jahr 2018).

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Allianz-Vertreter beschweren sich über Probleme mit der IT und dem Management. Lange Bearbeitungszeiten und Fehler führen zu Verärgerung der Kunden. Mancher Vertreter vermeidet in bestimmten Fällen die eigenen Policen.

Von Herbert Fromme, Köln

Der Allianz-Vertreter A. aus Rheinland-Pfalz ist sauer, so sauer, dass er eine Mail an den Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung (APKV) schreibt und sie auf einem Vertreter-Blog mit seinen Kollegen teilt.

Der Vorgang: Am 18. Januar reicht ein Kunde eine hohe Leistungsabrechnung über einen Krankenhausaufenthalt ein. Die APKV verlangt noch eine Bescheinigung, die am 22. Januar nachgereicht wird. Vier Wochen lang passiert nichts. Auf telefonische Nachfrage des Vertreters heißt es, der Vorgang sei in der finalen Bearbeitung. "Wieder vier Wochen später (wir sind fest davon ausgegangen, der Versicherungsnehmer hat bereits das Geld erhalten) hat sich dieser bitterböse bei uns beschwert", schreibt A. Der Vertreter ruft wieder an.

Die Allianz habe die Bankverbindung nicht. Die ist aber mit dem Vertrag hinterlegt. "Hierauf bekamen wir zur Antwort, dass die Sachbearbeiterin das technisch nicht einsehen könne." Die Nummer wird noch einmal mitgeteilt.

Der Kunde will die gesamte Zusammenarbeit mit der Allianz aufkündigen. Die Vertretung ruft erneut an und erfährt, es fehlten die Belege - die aber schon im Januar geliefert wurden. Ein Beschwerdegespräch wird nach 20 Sekunden von der Allianz-Mitarbeiterin abgebrochen. "Das System ist komplett abgestürzt, da kann man heute gar nicht reinschauen."

A. ist nicht der einzige Vertreter, der sauer ist. P. aus Nordrhein-Westfalen streckt einer Kundin das Tagegeld für den Verdienstausfall privat vor. Sein Kollege S. aus Hessen fasst zusammen: "Wir reden hier von konzentrierter Fachwissen-Freiheit mit ausgeprägter Beratungsresistenz, gepaart mit Münchner Ignoranz der Spätfolgen einer stümperhaft umgesetzten Digitalisierungshysterie auf Kosten der (gut ausbildeten) Arbeitskräfte."

Es rumort bei Versicherungsvertretern der Allianz. Diesmal geht es den Vermittlern des größten deutschen Versicherers nicht in erster Linie ums Geld, schließlich haben sie in jüngster Zeit deutlich mehr verdient. Aber sie bemängeln schwere Probleme mit der IT ihres Unternehmens und kritisieren die mangelhafte Bearbeitungsqualität im Innendienst. Dafür machen sie die Führung verantwortlich.

"Es stimmt, dass wir in der privaten Krankenversicherung in den ersten Monaten des Jahres Bearbeitungsrückstände hatten", sagt Joachim Müller, Vorstand der Allianz Deutschland und zuständig für den Vertrieb und die Sachversicherung. "Das liegt daran, dass die Kunden heute ihre Rechnungen anders einreichen." Früher hätten viele Rechnungen und andere Belege gesammelt und am Ende des Jahres zusammen geschickt. Jetzt reichen viele Kunden ihre Belege digital ein - im ganzen Jahr. "Heute sind die Arbeitsstände im Normalbereich", sagt Müller.

"Langsam kommt mir echt die Galle hoch", schreibt ein Außendienstler

Aber es geht nicht nur bei der APKV bunt zu. Auch der Lebensversicherer hat Probleme. Vertreter V. aus Baden-Württemberg muss einem Kunden "nun wieder ein Märchen erzählen, wieso der Marktführer es nicht schafft, in mehr als vier Wochen eine Police auszufertigen, obwohl das Geld eh schon bei uns liegt". Ein Kunde eines anderen Agenten will 40 000 Euro in eine Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag einzahlen, die Allianz braucht acht Wochen für die Abbuchung.

"Langsam kommt mir echt die Galle hoch", schreibt Vertreter T. aus Baden-Württemberg. Es geht um die Unfallversicherung. "Kundin ist infolge eines Sturzes auf dem Balkon unterkühlt und im Krankenhaus dann gestorben, also hier unmittelbare Unfallfolge." Ein Sachbearbeiter sagt die Todesfallleistung telefonisch zu. Aber: "Es liegen seit knapp zwei Monaten alle Unterlagen vor, inklusive Krankenhausbericht, und es passiert rein gar nichts." Auf Reklamationen hören die Vertreter nur das bekannte "ist in Bearbeitung". Der Vertreter H. aus Baden-Württemberg ist selbst Reiter. Er schickt Interessenten für die Tier-Krankenversicherung jetzt lieber zur Konkurrenz, weil er keine Lust hat, Kunden durch schlechte Schadenbearbeitung zu verlieren.

Vorstand Müller spricht von Einzelfällen. "Die Stimmung in unseren Agenturen ist gut, ich rede oft mit ihnen", sagt er. Allerdings: "Wir wachsen sehr stark, noch stärker als wir angenommen haben", so Müller. "Das kann natürlich dann in einzelnen Fällen zu Problemen bei der Bearbeitung kommen."

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