Versicherungen:Nur nichts zugeben

Die Stuttgarter Leben hat Kunden zu viel Geld abgeknöpft. Jetzt will sie es zurückgeben, aber merken sollen die Betroffenen nichts. Verbraucherschützer sprechen von mangelnder Transparenz, der Versicherer selbst nennt einen anderen Grund.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Stuttgarter Lebensversicherung hat jahrelang neuen Kunden zu hohe Kosten berechnet. Die Werte lagen über den Summen, die das Unternehmen vertraglich vereinbart hatte.

Betroffen sind rund 100 000 Versicherte. Es handelt sich nicht um hohe Beträge - pro Kunde machen die Falschbuchungen etwa 80 Euro aus. Aber die Art und Weise, wie die Stuttgarter mit dem Fehler umgeht und versucht, ihn auch gegenüber Betroffenen zu verstecken, weckt Zweifel am Willen zur Transparenz. "Es ist nicht hinzunehmen, wenn Lebensversicherer Fehler, die ihre Kunden betreffen, klammheimlich übergehen wollen", sagt dazu Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Wie die meisten Versicherer belastet die Stuttgarter neue Lebensversicherungsverträge mit einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten. Das waren bis zum 1. Januar 2015 vier Prozent der insgesamt vom Kunden zu zahlenden Beiträge, danach wegen einer Gesetzesänderung 2,5 Prozent.

Beim Abschluss einer Lebensversicherung, in die der Kunde im Lauf der Jahre insgesamt 100 000 Euro einzahlt, buchte die Gesellschaft die 4000 Euro beziehungsweise 2500 Euro Abschlusskosten verteilt auf die ersten fünf Jahre ab. Bis 2014 waren das pro Jahr 800 Euro, bei Verträgen ab 2015 dann 500 Euro.

Allerdings hatte die Stuttgarter Leben den Kunden nicht nur diese Summen berechnet, sondern auch noch Zinsen für die "vorgestreckten" Abschlusskosten und einen Zuschlag wegen eines möglichen Todesfallrisikos - im Durchschnitt 86 Euro. Das ist nicht illegal. Aber die Gesellschaft muss das ihren Kunden vorher sagen. Stattdessen nennt sie in den Policen nur die 4000 Euro oder 2500 Euro . Somit hat sie mehr aus den Kundengeldern entnommen, als sie durfte.

Das fiel intern 2017 auf. Schnell war klar, dass die Gesellschaft ihren Kunden die zu viel entnommenen Gelder erstatten musste. Dafür stellte sie 6,3 Millionen Euro zurück. Allerdings: Wer bereits gekündigt hat, geht leer aus. "Dabei wurden nur noch bestehende Verträge berücksichtigt", heißt es in einem Brief der Vorstände Guido Bader und Franz Häußler an die Finanzaufsicht Bafin. "Für bereits abgelaufene Verträge oder durch Tod oder Kündigung abgegangene Verträge wird von keiner Nachregulierung ausgegangen", schrieben sie im September 2018.

Aber auch bei den noch laufenden Verträgen geht es nicht transparent zu. Die Führung in Stuttgart will verhindern, dass die Gutschriften für die Kunden sichtbar werden. Offenbar fürchtet das Unternehmen die Öffentlichkeit. Der Fehler könnte sich negativ auf das Neugeschäft auswirken, so die Sorge. Außerdem geht es um den guten Ruf in Fachkreisen: Schließlich ist Vorstand Bader zurzeit Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung, des elitären Clubs der Versicherungsmathematiker.

Deshalb werden die Summen in so genannten "Dunkelbausteinen" geparkt und tauchen in den jährlichen Standmitteilungen nicht auf. Erst wenn der Vertrag abläuft oder der Kunde ihn kündigt, wird das Geld zugewiesen - unter "Sonstiges". So muss die Gesellschaft nicht zugeben, dass sie einen Fehler gemacht hat.

"Das hat nichts mit mangelnder Transparenz zu tun", sagt dagegen Vorstand Bader. "Wir mussten zwischen Transparenz und Kostenbelastung abwägen, und haben uns für die kostengünstigere Variante entschieden." Jedes transparentere Vorgehen wäre sehr viel teurer geworden.

Verbraucherschützer Nauhauser ist skeptisch: "Da Verbraucher die Erträge ihrer Lebensversicherung weder nachvollziehen noch überprüfen können, müssen sie sich darauf verlassen, dass die Versicherer geltendes Recht einhalten und die zuständige Aufsichtsbehörde dies verlässlich überwacht."

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