Versicherungen:Nervige Werbung

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Vergleichsportale wie Verivox und Check 24 geben Millionen für Werbung aus. Es lohnt sich für sie. (Foto: Jens Niering)

Der Online-Abschluss von Kfz- und anderen Policen boomt. Daran verdienen gleich mehrere Seiten.

Von Herbert Fromme, Köln

Die schrägste Fernsehwerbung in diesen Tagen ist zweifellos die der Internet-Vergleichsportale. Verivox, eine Tochter von Pro Sieben Sat 1, hat die TV-bekannte Familie Geiss eingekauft, die ewig quengelnde Ehefrau Carmen erinnert ihren "Rrrobert", dass man bei Verivox unglaublich sparen könne. Rivale Check 24 ist nicht weniger aufdringlich. Entweder versuchen sich erwachsene Männer als Freestyle-Tänzer, oder Frauen blicken bewundernd auf zu ihren männlichen Spar-Riesen.

Doch für Verivox und Check 24 lohnt sich der Aufwand. Sie geben Millionen für Fernsehwerbung aus und wachsen damit profitabel. Der Online-Abschluss von Versicherungen spielt dabei eine entscheidende Rolle. 950 000 Autobesitzer haben ihre Fahrzeuge mittlerweile über Check 24 versichert, das sind mehr Kunden, als die meisten mittelgroßen Versicherer haben.

2004 entfielen von allen Versicherungsabschlüssen gerade mal zwei Prozent auf den Online-Vertrieb. "2014 waren es 16 Prozent", sagt Peter Stockhorst, einer der Pioniere der Internet-Versicherung und bis Anfang Dezember Chef der Cosmos Direkt. 2004 informierten sich 13 Prozent der Kunden online vor einem Abschluss, zehn Jahre später waren es 37 Prozent, berichtet Stockhorst.

Wenn man den aktuellen Trend nur einfach fortschreibe, werde 2020 schon jeder vierte Abschluss online stattfinden. Doch Stockhorst glaubt, dass der Anteil deutlich rascher zulegen wird.

Traditionell verkaufen Versicherer ihre Policen über Vertreter, Makler und am Bankschalter. Vor 20 Jahren kam der Direktverkauf per Post und Telefon dazu. Das Internet hat lange gebraucht, eine große Rolle zu spielen. Noch im Jahr 2000 warnte Helmut Müller, Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV), vor dem Internet. "Ich halte den Abschluss für gefährlich, weil der Kunde nicht in der Lage ist, seine Rechte geltend zu machen", sagte Müller.

Versicherungen seien so komplex, dass sie von Menschen verkauft werden müssten, argumentierten lange Jahre auch viele Versicherungsvorstände - einige aus Überzeugung, andere aus Furcht, ihre mächtigen Verkäufertruppen zu verärgern.

Davon ist heute nicht mehr die Rede. Fast alle haben Digitalisierungsstrategien und vereinfachen ihre Angebote. Die kluge Verbindung von Online-Verkauf und persönlicher Beratung gilt als Königsweg. Der BAV-Nachfolger Bafin ermuntert sie dazu. Außerdem steigern Vergleichsportale und Start-ups stetig ihre Marktanteile.

Der Sinneswandel hat mehrere Gründe. Die Konkurrenz der Versicherer untereinander ist schärfer geworden, sie müssen mit den Kosten runter. Das Internet ist im Alltag der Mehrheit der Bevölkerung angekommen, vor allem über Smartphones.

Schließlich nutzen die Unternehmen neue Techniken, die Internet-Abschlüsse sehr viel einfacher machen. Beispiel Italien: Wenn der Kunde Kennzeichen und Geburtsdatum bei einer App der Allianz eingibt, erhält er in wenigen Sekunden ein Angebot für eine Autoversicherung. "Wir holen die Fahrzeugdaten mit Zustimmung des Kunden aus der Datenbank des italienischen Versichererverbandes", erläutert Allianz-Italienchef Klaus-Peter Röhler.

Die Portale sind nicht die einzigen Profiteure. Auch Google spielt eine wichtige Rolle

Der Online-Abschluss ist auf dem Vormarsch. Dabei ist er zumindest in der Übergangszeit nicht einfach billiger als der über Makler oder Vertreter. Denn wenn ein Kunde bei Check 24 oder Verivox Versicherer vergleicht und danach abschließt, zahlt die Gesellschaft eine Provision an das Portal, die alle Kunden mit ihrer Prämie aufbringen. Genaue Zahlen nennen die Anbieter nicht, doch Werten von 70 Euro bis 100 Euro pro Kfz-Abschluss widersprechen sie nicht. Das ist doppelt so viel, wie ein Vertreter erhält.

Die Portale sind nicht die einzigen Profiteure. Auch Google spielt eine wichtige Rolle. Wer das Wort "Autoversicherung" eingibt, sieht auf der Ergebnisseite zunächst drei Anzeigen, erst dann die echten Suchergebnisse. Die Anzeigenplätze versteigert Google. Im Schnitt erzielt das Unternehmen pro Klick rund vier Euro für Kfz-Versicherungsanzeigen. Im November, dem Höhepunkt der Wechselsaison, überbieten sich die Anbieter bei den Auktionen - pro Klick sind dann mehr als 20 Euro fällig. Für einen Abschluss brauchen die Anbieter mindestens 25 Klicks.

Eine komplexe Dreierbeziehung - Versicherer, Portale und Google. Den Versicherern wäre es am liebsten, wenn sie ganz ohne Portale und ohne Google-Anzeigen auskämen und die Kunden direkt auf ihre Seite gingen. Das klappt aber nur bei den großen Marken HUK 24, Cosmos Direkt oder Allianz. Die anderen sind schlicht nicht präsent genug bei den Kunden. Deshalb geben Versicherer Millionen für Fernsehwerbung aus, um die eigene Marke bekannter zu machen.

Die Vergleichsportale wollen erreichen, dass die Kunden ohne Anzeige zu ihnen kommen, also nicht erst "Autoversicherung" googeln, sondern direkt auf die Verivox- oder Check-24-Seiten gehen - aber bitte nicht zu HUK 24 oder Allianz. Auch sie geben daher Millionen für nervige Fernsehspots aus. Nur Google ist mit dem jetzigen Zustand ganz zufrieden und kommt ohne TV-Werbung aus.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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