Versicherungen:Merkwürdige Bündelverträge

Das Münchner Lernhaus-Konzept in der Artur-Kutscher-Realschule, Gerastraße 6, in Moosach.

Bildung ist eine Reise, aber eine Auslandsreisekrankenversicherung braucht dafür kein Schüler.

(Foto: Florian Peljak)

Eine Firma stellt Schließfächer in Schulen auf, eine Tochter versichert den Inhalt. Dann passiert etwas, was nicht verboten ist - aber höchst fragwürdig.

Von Kaja Adchayan, Köln

Ein Vertragsabschluss im Internet erfolgt heutzutage binnen weniger Minuten. Häkchen unter Bestimmungen und Bedingungen werden bereitwillig gesetzt. "Ich habe die Bedingungen gelesen und bin einverstanden" - angeklickt, fort damit. Es ist die wohl gängigste kleine Lüge im digitalen Zeitalter. Und sie wird von manchen Anbietern ziemlich unverschämt ausgenutzt.

Morus Markard lehrt an der Freien Universität Berlin Sozialpsychologie. Privat engagiert sich der 72-Jährige mit seiner Frau für Geflüchtete. Im vergangenen Jahr half das Ehepaar einem Mädchen aus dem Irak bei der Anmeldung an einer neuen Schule. Sie sollte in die siebte Klasse kommen.

Die Schule bietet in Zusammenarbeit mit der Firma Astra Direct Schließfächer (ADS) für die Schüler an. Die Schulen stellen den Platz zur Verfügung, ADS kümmert sich um Organisation, Finanzierung und Wartung. Nach eigenen Angaben verwaltet das Unternehmen bundesweit 800 000 Fächer. Obwohl Markard die private Organisation missfiel, überwog der Nutzengedanke. "Das Kind sollte nicht immer alles mitschleppen müssen."

Dann kam die Frage der Sicherheit - schließlich kann so ein Fach aufgebrochen werden. Hier kommt die ADS-Tochter Astra Direct Versicherung (ADV) ins Spiel. 2019 kam sie auf einen Umsatz von 2,3 Millionen Euro.

Markard schloss seinen Vertrag online ab. "Ich musste nur den Namen der Schule eingeben, die Größe des Schließfachs wählen und das gewünschte Mietformat." Zur Wahl standen eine einmalige Kaution in Höhe von 30 Euro ohne Versicherung oder eine Schließfachversicherung für zehn Euro im Jahr.

Der Psychologe entschied sich für die Absicherung. Kurz vor dem Abschluss setze er die erforderlichen Häkchen, mit denen er bestätigte, die Vertragsbedingungen zur Kenntnis genommen zu haben. Tatsächlich gelesen hatte er sie natürlich nicht. Nach einem Jahr kündigte Markard den Vertrag fristgerecht zum 31. Juli 2020, das Mädchen hatte die Schule gewechselt. Die ADV bestätigte die Kündigung.

Umso überraschter war Markard, als er im August eine weitere Abbuchung des Versicherers über 8,90 Euro bemerkte. Das war die Prämie für die automatisch mit abgeschlossene Auslandsreisekrankenversicherung, die er gesondert hätte kündigen müssen. Davon hörte Markard zum ersten Mal. "Im Schließfachvertrag und auch beim Vertragsabschluss wurde diese Versicherung definitiv nicht erwähnt." Wohl aber in den Vertragsbedingungen, die er sich nicht durchgelesen hatte.

Der Hinweis dazu findet sich im Kleingedruckten: "Mit der Beendigung des Versicherungsvertrags wird dieser automatisch in den von der hauptversicherten Person ab Beginn kündbaren Auslandsreisekrankentarif AKV 2017 zu dessen dann gültigen Beitrag überführt." Diese Klausel hatte der Versicherer im März 2019 eingeführt. Für ihn war das legitim, schließlich gab es einen entsprechenden Hinweis in den Vertragsbedingungen, und dem Kunden würde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von drei Monaten rückwirkend zu kündigen.

Inzwischen hat die ADV die fragwürdige automatische Weiterführung eingestellt, sagt ein Sprecher. Die Klausel wurde gestrichen. Man habe bemerkt, dass die automatische Weiterführung des Auslandsreiseschutzes nicht deutlich genug kommuniziert wurde. Der Unmut der Kunden dürfte der eigentliche Grund gewesen sein. Doch die Bündelung von Schließfach und Auslandsreisekrankenversicherung bleibt.

Auch andere Versicherer haben merkwürdige Bündelangebote. Verbraucherschützer warnen davor. Gerade in Policen, die mit anderen Dienstleistungen - wie einer Reise oder hier der Schließfachmiete - verkauft werden, verstecken sich gern ungewollte weitere Deckungen. "Ich finde es ungehörig, dass sie eine solch abenteuerliche Kombination von Versicherungen vorgenommen haben und das auch noch vergleichsweise intransparent gestaltet haben", kritisiert Morus Markard. Er liest auch heute nicht vor jedem Kauf die Vertragsbedingungen im Detail durch. Nur bei Versicherungen ist das anders, da ist er jetzt vorsichtig.

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