"Fußballgott" nennen Fußballfans gerne einen besonders talentierten Spieler. Und den Titel "Wechselgott" verdiente sich der niederländische Nationaltrainer Louis van Gaal, als er bei der Weltmeisterschaft in Brasilien 2014 gegen Chile und Mexiko Spieler im richtigen Moment einwechselte und so die Spiele gewann.
"Wechselgott" nannte 2019 auch Werner Kräutlein sein Leipziger Start-up. Es verspricht Kunden den problemlosen Wechsel in günstigere Tarife bei Energieanbietern und Versicherern, wenn sie ihre Bankkonten von der Software der Firma durchforsten lassen. Der Name schien damals ebenso clever wie das Geschäftsmodell.
Doch jetzt ist der Wechselgott pleite. Die Gesellschaft mit dem sperrigen Namen Vertragswechselservice GmbH, der die Marke Wechselgott gehört, hat Insolvenz angemeldet, rund 30 Mitarbeiter sind betroffen. Ein halbes Jahr lang hatte Kräutlein vergeblich nach Geldgebern oder einem Käufer gesucht, ob es nun in Leipzig weitergeht, ist bislang unklar.
Die Pleite zeigt den grundlegenden Wandel im Umfeld für Start-ups. Wegen der gestiegenen Zinsen sind Investoren sehr viel anspruchsvoller und wählerischer geworden, schließlich haben sie wieder Alternativen. Sie wollen wenig Geld für viele Anteile zahlen und stellen Bedingungen für eine Beteiligung oder Übernahme. Wenn sie sich denn überhaupt engagieren.
Die Kunden sollten günstigere Angebote bekommen, das Start-up eine Provision
Grundlage des Wechselgott-Modells ist die so genannte PSD-2-Schnittstelle der Banken. Die Geldhäuser müssen externen Firmen Zugang zu den Kontodaten ermöglichen, wenn der Kunde es wünscht. Mit komplexen Algorithmen kann ein Dienstleister wie Wechselgott dann zuerst feststellen, an welchen Energieversorger der Kunde regelmäßig überweist oder welcher Versicherer welchen Betrag abbucht - und danach selbst günstigere Angebote machen. Dabei agiert Wechselgott als reiner Vermittler, die Verträge werden bei Versicherern und Energielieferanten abgeschlossen. Dafür erhält die Firma Provisionen. Die Pleite wird deshalb Kunden nicht direkt betreffen, sie stehen nicht plötzlich ohne Vertrag da.
Ursprünglich war der Wechsel von Strom- und Gasverträgen das größte und profitabelste Geschäftsfeld für das Leipziger Start-up, doch die Energiekrise setzte dem ein Ende. Es gab keine Anbieter mehr, zu denen sich ein Wechsel gelohnt hätte. Für die Vermittlung von Versicherungen hat Wechselgott eine Lizenz als Makler. Wichtigste Partner sind die Volks- und Raiffeisenbanken, deren Kunden die Leipziger Firma Angebote macht. Mit dem Versicherer R+V, der den Volks- und Raiffeisenbanken gehört, hatte Wechselgott eigentlich eine Kooperation vereinbart, um sogenannte Switch-Tarife anzubieten. Dabei sollten Kunden garantiert zehn Prozent im Vergleich zur bestehenden Police sparen. Ob das Projekt jetzt noch zustande kommt, ist unklar.
Mitte 2021 sah noch alles gut aus in Leipzig. Der Maklerpool Fonds Finanz hatte sich gerade zusammen mit der Volksbank Mittelhessen beteiligt, zusammen steckten die Investoren 5,6 Millionen Euro frisches Geld in die Firma. Wechselgott wurde damals mit 28 Millionen Euro bewertet. Fonds Finanz hielt danach einen Anteil von 8,9 Prozent, drei Volksbanken hatten sich ebenfalls beteiligt, neben den Mittelhessen auch Mittweida in Sachsen und Dortmund Nordwest. Doch Wechselgott arbeitet bis heute defizitär, allein 2021 lag der Verlust bei 2,1 Millionen Euro, Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Auf jeden Fall brauchte das Start-up im zweiten Halbjahr 2022 weiteres Geld von Investoren oder einen Käufer. Die Suche blieb aber ergebnislos. Domcura, eine Tochter des Finanzvertriebs MLP, hatte zwar Interesse, doch kurz vor einem Abschluss platzte der Deal. Offenbar hat der Wechselgott sich diesmal verzockt.