Versicherungen:Ein gewagtes Spiel

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Naturkatastrophen und Feuer sind klassische Versicherungsrisiken. Diese bevorzugt Axa, und möchte mehr kapitalmarktgetriebene Bereiche abgeben. (Foto: Mike Eliason/AP)

Die Axa verdient mit Lebensversicherungen kaum noch Geld. Deshalb kauft der Konzern nun für 12 Milliarden Euro einen Industrieversicherer in den USA.

Von Herbert Fromme, Köln

Eigentlich soll es eine Art Befreiungsschlag sein. Axa-Chef Thomas Buberl will die Abhängigkeit des Konzerns von der Lebensversicherung und von Investments für Privatkunden lösen und hat deshalb für stolze 15,3 Milliarden Dollar (12,4 Milliarden Euro) den Versicherer XL gekauft, der auf die Industrie- und die Rückversicherung spezialisiert ist. Damit wird die Axa auf einen Schlag weltgrößter Industrie- und Gewerbeversicherer, größer als die bisherigen Platzhirsche Allianz aus Deutschland und Chubb aus den USA.

Doch die Investoren sind nicht begeistert. Die Axa-Aktie stürzt am Montag steil ab. In der Spitze verliert sie zehn Prozent und erreicht damit den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr. Der junge deutsche Chef des größten französischen Versicherers wird noch eine Menge zu erklären haben. Viel zu teuer sei der Deal, es gebe kaum Synergieeffekte, wird moniert.

"Wir gehen weg von Kapitalmarktrisiken und hin zu Versicherungsrisiken"

Das Dilemma der Axa haben die meisten Versicherer: Sie sind beim Umsatz von der Lebensversicherung und von Anlage-Angeboten abhängig. Die niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass die Gewinnmargen hier immer kleiner werden, während das von der Aufsicht vorgeschriebene Kapital für diese Art Geschäft vergleichsweise hoch ist. Deshalb kauft Buberl die XL. "Wir gehen weg aus dem Segment Lebensversicherung und Sparen und damit weg von Kapitalmarktrisiken, hin zu Versicherungsrisiken", begründet er den Schritt. Finanziert werden soll das Geschäft unter anderem durch den Rückzug aus dem US-Lebensversicherungsgeschäft, das die Axa noch in diesem Jahr an die Börse bringen will.

Künftig werden 50 Prozent des Axa-Gewinns aus der Schadenversicherung kommen, also der Absicherung von Autos, Gebäuden, Fabriken, Haftpflicht- und Transportrisiken. Heute sind es 39 Prozent. Das Problem für Buberl: Er muss seine Aktionäre davon überzeugen, dass XL der richtige Partner ist und der Kaufpreis von 15,3 Milliarden Dollar nicht zu hoch ist.

XL wird von Stamford in den USA aus verwaltet und wird bislang an der New Yorker Börse notiert, auch wenn der juristische Sitz auf Bermuda ist. Das Unternehmen wurde 1986 von 68 Industriekonzernen aus den USA und anderen Ländern als Selbsthilfeeinrichtung gegründet, weil die Versicherer damals die Preise um ein Mehrfaches erhöhen wollten.

Inzwischen ist XL ein ganz normaler Versicherer und ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen - auch durch Übernahmen. Der Umsatz belief sich 2017 auf 15 Milliarden Dollar, davon stammt knapp ein Drittel aus der Rückversicherung. Etwa zehn Milliarden Dollar macht das Unternehmen mit der Absicherung von Industrie- und Gewerbebetrieben. Das sind beides Märkte, in denen die Preise aktuell sehr niedrig sind. Hoffnungen der Versicherer, nach den teuren Hurrikans von 2017 spürbare Preiserhöhungen für 2018 durchzusetzen, sind bislang enttäuscht worden.

Thomas Buberl geht jetzt eine gigantische Wette darauf ein, dass sich der Markt bald dreht. Zwar hat die XL in den meisten Jahren gute Gewinne abgeliefert, auch wenn die Gesellschaft für das vergangene Jahr wegen der Stürme und Belastungen durch die US-Steuerreform einen Verlust von 560 Millionen Dollar melden musste. Doch wenn sich nicht längerfristig die Preise in der Industrie- und Rückversicherung insgesamt nach oben bewegen, wird es für die Axa sehr schwer werden, die hohen Investitionen ertragreich werden zu lassen.

Für die XL-Aktionäre ist die Lage deutlich komfortabler. Sie erhalten pro Aktie 57,60 Dollar, das sind 33 Prozent mehr als der Schlusskurs vom vergangenen Freitag. Damit können sie aus einem Markt aussteigen, an dessen positiver Entwicklung viele inzwischen ihre Zweifel haben.

Der Preis ist einigen Investoren an der Börse zu hoch. Die Axa-Aktie sackt erstmal ab.

Auch andere steigen aus, der Fusionszug in der Versicherungswirtschaft rollt. Die Eigner des Rückversicherers Validus haben die Gesellschaft im Februar an den US-Versicherer AIG verkauft. In Großbritannien laufen gerade zwei Milliardentransaktionen in der Lebensversicherung, und der japanische Mischkonzern Softbank will 30 Prozent der Swiss Re kaufen.

Da passt die XL-Übernahme in den Trend. Den Namen will Buberl übrigens erhalten. XL soll mit den Teilen der Axa direkt verschmolzen werden, die heute schon die Industrie- und die Kunstversicherung betreiben. Chef des Konzernteils "Axa + XL" wird der XL-Vorstand Greg Hendrick, der schon vor der Übernahme als Kronprinz von Unternehmenschef Mike McGavick galt. McGavick ist 60 Jahre alt und wird künftig als Buberls Berater und Verwaltungsrat agieren.

"Wir sind dann mit 30 Milliarden Dollar Prämieneinnahmen weltweit der größte Industrie- und Gewerbeversicherer", sagt Buberl nicht ohne Stolz. Der Schritt ist eine klare Kampfansage nicht nur an die bisherigen Marktführer Allianz und Chubb, sondern auch an AIG, Zurich, HDI und andere Anbieter in dem hart umkämpften Markt.

Buberl will wohl auch zeigen, dass er einen strategischen Plan hat - während den Rivalen von Munich Re, Allianz und Swiss Re nichts anderes einfällt als die überschüssigen Milliarden an die Aktionäre auszuschütten oder über Aktienrückkäufe zurückzugeben. Davon ist bei der Axa nicht mehr die Rede. "Viele Investoren und Analysten finden die Aktienrückkäufe sehr wichtig", sagt Finanzchef Gérald Harlin. "Aber damit schrumpft man ein Unternehmen." Das wolle die Axa nicht. "Bei der Transaktion mit XL handelt es sich um einen strategischen Schritt, bei Aktienrückkäufen nicht." Davon müssen sie jetzt bei Axa nur noch die Anleger überzeugen.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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