Süddeutsche Zeitung

Versicherungen:Die Allianz wird zum Baumarkt

Die Allianz startet Ende des Jahres einen neuen europaweiten Online-Versicherer. Auf diese Weise will der Konzern Kunden mit Do-it-yourself-Mentalität für sich gewinnen.

Von Friederike Krieger, München

Es gibt ein Wort, ohne das Allianz-Chef Oliver Bäte nicht auskommt. Es lautet "einfach". Fast 30-mal kommt es in der einen oder anderen Form in seiner Rede bei der Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle vor. Er will die Prozesse und Produkte des Versicherungskonzerns konsequent entschlacken. "Ein Thema, das wir in den Griff bekommen müssen, ist, dass wir Kunden enttäuschen - etwa durch unverständliche Versicherungsbedingungen", sagt er. "Wir versichern zum Beispiel Flugdrachen nur, wenn die Leine nicht länger als 30 Meter ist. Das versteht kein Mensch!"

Auch die Mitarbeiter leiden unter der Komplexität. So gibt es 60 verschiedene Varianten der Rechtsschutzversicherung, die sie kennen müssen. "Wir wollen intelligent einfacher werden, damit mehr Zeit für Beratung bleibt", sagt Bäte. Bis 2021 will die Allianz konzernweit einheitliche Produkte und Prozesse einführen. Das soll günstigere Preise ermöglichen, die Kundenzufriedenheit erhöhen, das Wachstum beflügeln, die Kosten senken und die Gewinne sprudeln lassen.

Ein Kernstück seiner Vereinfachungsstrategie und zugleich Bätes Feuerprobe ist ein neuer europaweiter Online-Autoversicherer, der Ende des Jahres seinen Betrieb aufnehmen soll - zunächst in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und Italien. Weitere Länder sollen folgen. Mit der neuen Allianz Direct will der Versicherer eine Kundengruppe ansprechen, die er bisher vernachlässigt hat. "Das sind digital-affine Kunden, die beim Versicherungskauf fast alles selber machen möchten." Bäte nennt sie auch Do-it-yourself-Kunden. "Allianz wird zum Baumarkt", kommentiert Aktionärsvertreter Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger den Plan.

Zwar verkauft die Allianz in vielen Märkten bereits Policen über das Internet. Es gibt aber keinen gemeinsamen Ansatz und keine einheitlichen Produkte. Das soll die Allianz Direct liefern. Das Projekt ist aber umstritten. Vertreter befürchten, dass die neue Gesellschaft ihnen Geschäft streitig machen könnte. Bäte versucht zu beruhigen. Die Zielgruppe der Allianz Direct werde von traditionellen Vertriebskanälen kaum erreicht. "Deshalb sind die Kannibalisierungseffekte minimal", behauptet er.

Neben der Vereinfachung will Bäte die milliardenschweren Kapitalanlagen des Konzerns bis 2050 nur noch klimaneutral investieren, das heißt, nicht mehr in Firmen, die klimaschädliche Geschäfte betreiben. Von Investitionen in Kohleprojekte und deren Versicherung hat sich die Allianz schon verabschiedet.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2019
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