Versicherungen:Allianz-Vertreter offline

Das Unternehmen war für seine Vermittler in den vergangenen Wochen tagelang nicht über das Internet erreichbar - was zu finanziellen Ausfällen bei den Vertretern und unzufriedenen Kunden führte. IT-Chef Nolte entschuldigt sich.

Von Herbert Fromme, Köln

Die vernichtende Kritik kommt aus dem eigenen Haus, von dem Mann, der für den Betrieb der Allianz-eigenen IT im Heimatmarkt zuständig ist. "Die Situation beim Betrieb unserer IT-Infrastruktur ist alles andere als zufriedenstellend", schreibt Andreas Nolte, IT-Chef der Allianz Deutschland, an die Versicherungsvertreter der Gesellschaft.

Große Umzüge seien gelungen, aber im laufenden Betrieb stehe das Unternehmen "derzeit vor größeren Herausforderungen". Ein Grund seien "fehlerhaft vorbereitete und durchgeführte Systemanpassungen", so Noltes Klatsche gegen die eigenen Leute. Der Manager weiter: "Wir mussten feststellen, dass die Tragweite und die Risiken der Änderungen von uns und unseren Providern teilweise nicht richtig eingeschätzt wurden." Immerhin - nicht nur die Dienstleister (Provider), auch die eigene Abteilung hat Schuld, so Noltes Urteil.

Die Allianz-Vertreter sind sauer. Sie hatten in den vergangenen Wochen tagelang keinen Zugriff auf das System. Viele klagen über drei Tage Ausfall, andere sprechen von fast einer Woche mit andauernden Systemausfällen. Das kostete viel Arbeitszeit und damit Umsatz. Und es verärgerte Kunden, die versprochene Auskünfte nicht bekamen. Nolte zerknirscht: "Wir bedauern diese Situation außerordentlich und entschuldigen uns dafür bei allen Vertreterinnen und Vertretern."

Die Entschuldigungen für IT-Probleme sind bei Europas größtem Versicherer nicht gerade selten. Ende 2017 musste sich Birgit König in Demut üben, Chefin der Allianz Private Krankenversicherung und Vorstand der Allianz Deutschland. Hunderttausende von Kundenabrechnungen waren offen geblieben, weil die Allianz ihr System umstellte und dabei auf unerwartete Schwierigkeiten stieß. Auch in den Sparten Unfall und Kfz gab es in der Vergangenheit gravierende Probleme.

Dass Finanzdienstleister Probleme mit der IT haben, ist nicht Allianz-spezifisch. Doch sind hier offenbar auch Fehleinschätzungen des Managements verantwortlich. Denn "fehlerhaft vorbereitete und durchgeführte Systemanpassungen", die Nolte moniert, verantworten die oberen Ebenen, nicht die einfachen Angestellten.

"Ich denke, ich bin im falschen Film", ätzt ein Vermittler

Der Versicherer hatte im Juni die Funktionen seine Rechenzentrums in Unterföhring auf ein Zentrum in Frankfurt umgeschaltet, das er als Teil seiner globalen Infrastruktur zusammen mit IBM betreibt. Aber der Umzug habe nichts mit den Problemen zu tun, sagt eine Sprecherin, hier seien einfach Fehler gemacht worden.

Die Vertreter tröstet das wenig. Im internen Intranet verlangen sie einen Ausgleich. "Eine finanzielle Entschädigung ist unumgänglich", schreibt Vertreter MM. Der Passus in den Verträgen, dass Ausfälle keinen Schadenersatz rechtfertigen, sei rechtlich nicht zu halten. Verärgert sind viele Vertriebler auch deshalb, weil der Konzern erst vor acht Wochen eine seit Jahren gezahlte Erfolgsprämie ersatzlos gestrichen hat. Wegen der Mehrarbeit für die Agenturen gehe er davon aus, dass die Erfolgsbeteiligung 2019 wieder eingeführt werde, schreibt TH. Das Unternehmen will sich dazu nicht äußern.

Nolte verspricht in seiner Mail konkrete Maßnahmen. Es soll eine Taskforce gegründet werden, die Betriebsüberwachung wird ausgebaut. Und der digitale Weltkonzern Allianz will bis Mitte August ein Team schaffen, das 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche auf Störungen reagieren kann. Da platzt Vermittler DW endgültig der Kragen. "Ich denke, ich bin im falschen Film", ätzt er intern. "Wenn erst jetzt eine Taskforce mit 24 Stunden Arbeit gegründet wird, was war denn bitte vorher? 'Wird schon gut gehen?'"

Die Allianz ist mitten in einem Umbauprojekt, das den Versicherer digital machen soll. Wenn da die eigene IT nicht mitmacht, kann das kaum Erfolg haben. Das selbst entwickelte Allianz Betriebssystem (ABS) übergibt der Konzern gerade einer Stiftung, an der sich andere Versicherer beteiligen können. Das Programm dürfen alle in Teilen kostenlos nutzen. Manche halten das eher für einen Rückzug als einen offensiven Schritt. Sie glauben, er sei das Eingeständnis, dass die Allianz mit ABS nicht mehr weiter weiß. Der Konzern bestreitet das.

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