BU-Schutz:Warum ist die Berufsunfähigkeitsversicherung so wichtig?

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Kaum jemand möchte sich mit dem Gedanken beschäftigen, wie es wäre, berufsunfähig zu sein. Doch jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland ist betroffen - und nur die Hälfte ist versichert. Wer sich auf die staatliche Absicherung verlässt, bekommt große Probleme.

Von Marina Engler

Etwa jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland wird berufsunfähig. Das heißt, die Betroffenen können nicht bis zum normalen Rentenalter arbeiten, weil Körper oder Psyche den Job nicht mehr mitmachen. Viele Menschen stehen dann vor den Scherben ihrer Existenz: Sie können ihren Lebensstandard nicht halten, womöglich das Haus nicht abbezahlen, die Altersvorsorge nicht weiter aufbauen, die Kinder nicht wie geplant unterstützen. Trotz dieser existenziellen Bedrohung hat nur etwa die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit (kurz: BU) abgeschlossen.

Die Gründe für eine Nicht-Absicherung sind vielfältig. Verschiedene Untersuchungen, unter anderem eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest in Zusammenarbeit mit der Continentale-Versicherung ( hier), fand heraus, dass es grob gesagt drei Hauptgründe für fehlenden BU-Schutz gibt:

  • unterschätztes Risiko,
  • falsches Alter,
  • hohe Kosten.

Das unterschätzte Risiko

Vor allem Aussagen, wie "Mich trifft's schon nicht", "Ich habe noch Rücklagen" und "Ich kann auch in einem anderen Job arbeiten", sprechen dafür, dass viele das Risiko und die Konsequenzen einer Berufsunfähigkeit unterschätzen. Vor allem die wichtigste Ursache wird oft verkannt: Psychische Leiden, wie Depressionen oder Burnout, machen laut eines Ratings des Analysehauses Morgen & Morgen mittlerweile fast 30 Prozent aller BU-Fälle aus. Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparats (23 Prozent) sowie Krebs (15 Prozent) sind demnach weitere häufige BU-Diagnosen. In solchen Fällen ist der Wechsel in einen anderen, ähnlich gut bezahlten Job oft nicht möglich. Auch von den eigenen Rücklagen können nur die wenigsten über Jahre hinweg ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Das persönliche Risiko wird ebenfalls stark unterschätzt. Von den Personen mit Abitur oder Hochschulabschluss konnten sich nur neun Prozent vorstellen, berufsunfähig zu werden. Dabei ist in dieser Gruppe die Gefahr besonders groß, dass aus dauerhaftem Stress und regelmäßigen Überstunden ein chronisches, psychisches Leiden entsteht.

Bei Befragten jeder Bildungsklasse kommt laut der TNS Infratest-Umfrage hinzu, dass sich etwa 20 Prozent auf die staatliche Absicherung verlassen. Doch die ist seit dem Jahr 2001 nur noch marginal vorhanden. Ausnahmen gelten für Personen, die vor dem 1961 geboren sind, und für wenige Berufsgruppen.

Entscheidend für die Erwerbsminderungsrente vom Staat ist der Unterschied zwischen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Eine BU ist vorhanden, wenn man nicht mehr in seinem erlernten Beruf arbeiten kann. Eine Erwerbsunfähigkeit hingegen liegt nur vor, wenn der Betroffene in keinem "zumutbaren" Job mehr Geld verdienen kann. Detailinformationen bietet die Themenbroschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ( hier).

Die Grenze, ab wann eine volle Erwerbsunfähigkeit anerkannt wird, liegt bei weniger als drei Stunden möglicher Arbeit pro Tag. Wer zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeiten kann, erhält eine halbe Rente. Entscheidend ist hierfür, dass tatsächlich ein Jobangebot vorhanden ist. Wenn Reha und Umschulung nicht zu einer Arbeitsstelle führen, bekommt der Betroffene die volle Erwerbsminderungsrente.

Diese ist jedoch meist sehr niedrig und wird nur gewährt, wenn in den fünf Jahren zuvor mindestens 36 Monate in die Rentenkasse verpflichtend eingezahlt wurde. Die bisherigen Beiträge werden bis zum 60. Lebensjahr hochgerechnet und davon bis zu 10,8 Prozent wegen Frühverrentung wieder abgezogen. Im Durchschnitt blieben den Erwerbsunfähigen im Jahr 2012 in Westdeutschland 741 Euro (Männer) beziehungsweise 672 Euro (Frauen) und in Ostdeutschland 652 Euro (Männer) beziehungsweise 697 Euro (Frauen) an Rentenzahlungen übrig. Davon müssen noch die Krankenkassenbeiträge bezahlt werden. Wer sich also auf diese staatliche Absicherung verlässt, ist wahrscheinlich nicht in der Lage, seinen Lebensstandard zu halten.

Das falsche Alter

Zusätzlich zum unterschätzten Risiko sind viele Personen der Meinung, sie hätten das falsche Alter, um eine BU-Versicherung abzuschließen. Die einen fühlen sich zu jung, die anderen zu alt. Doch grundsätzlich gilt: Warten ist schlecht. Je jünger man ist, desto günstiger sind die Verträge und desto besser die Bedingungen. ( mehr dazu in diesem Ratgeber-Text) Doch nach oben gibt es keinen pauschalen Deckel. Neben dem Alter spielen noch viele weitere Variablen eine wichtige Rolle für den BU-Schutz, sodass sich eine anonyme Anfrage eigentlich in jedem Alter lohnt ( mehr zu den Variablen in diesem Ratgeber-Text). Nur wer die 60 schon überschritten hat, der hat wirklich keine Chance mehr.

Der Preis

Manchen Personen ist die Versicherung schlichtweg zu teuer. Je nach Alter, Beruf, Gesundheit und Hobbys lassen sich die Versicherer den BU-Schutz in der Tat sehr gut bezahlen ( mehr zu den Kosten in diesem Ratgeber-Text) Dennoch sollte das niemanden entmutigen. Gerade weil die BU-Versicherung sehr individuell ist und ein hohes existenzielles Risiko absichert, lohnt es sich nahezu für jeden, sich zu informieren. Spezialisierte Berater können dabei helfen, eine bezahlbare Versicherung mit guten Konditionen zu finden. Unterstützung bieten dabei die Verbraucherzentralen der Länder, unabhängige Versicherungsberater oder der Bund der Versicherten.

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