Es ist ein gängiges Vorurteil: Alle Versicherer sind im Wesentlichen gleich, es reicht, auf den Preis zu achten. Wenn es Unterschiede gibt, dann vielleicht beim Service, sonst nicht.
Das ist falsch. Jeder Versicherungskunde sollte auch auf die finanzielle Stabilität einer Gesellschaft achten. Denn bei einer Insolvenz zahlt der Versicherer möglicherweise nicht.
Das kann den Versicherten des insolventen Berliner Start-ups Element passieren. Nicht nur Kunden könnten betroffen sein, auch Dritte, bei denen Element-Kunden Schaden verursacht haben. „Ob sie tatsächlich noch vollständig reguliert werden können, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar“, schreibt die Finanzaufsicht Bafin zu den Schäden. Die Anspruchsteller haben zwar einen Anspruch darauf, dass ihre Forderungen vorrangig behandelt werden. Wenn das Sicherungsvermögen dafür aber nicht ausreichen sollte, werden die Ansprüche anteilig bedient. „Die Quote wäre dann abhängig von der Höhe der Ansprüche“, so die Aufsicht.
Das Problem: Für Kundinnen und Kunden ist es auf den ersten Blick nicht ersichtlich, ob sie bei Element versichert sind. Denn das Unternehmen ist ein sogenannter White-Label-Anbieter, das heißt, die Partner haben die Element-Policen unter eigenem Namen verkauft. Dazu zählen Autoprotect, Asspario, die Bayerische, Direkt-AS, Friday, Hepster, Manufaktur Augsburg, Panda und Schutzgarant.
Meist handelte es sich um Policen aus den Sparten Fahrrad, Haftpflicht, Wohngebäude, Unfall, Hausrat, Rechtsschutz, Reparatur, Tier und Smartphone. Die Verbraucherorganisation Bund der Versicherten (BdV) rät, umgehend und aufmerksam zu prüfen, ob Element als Risikoträger genannt wird.
Element-Kunden sollten sich sofort um alternativen Versicherungsschutz bemühen, denn möglicherweise sind sie bald nicht mehr versichert. „Element-Versicherte sowie Versicherungsvermittler, die solche Verträge betreuen, sollten schnellstmöglich den Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer beschaffen und dabei eine vorläufige Deckungszusage erfragen, damit sofortiger Versicherungsschutz besteht“, teilt BdV-Chefökonom Constantin Papaspyratos mit. „Dies gilt insbesondere für die wichtigsten Verträge wie Haftpflicht- und Wohngebäudeversicherungen.“ Schließlich hat der Versicherer mehrere hunderttausend Kunden.
Element wurde 2017 vom Berliner Start-up-Inkubator Finleap gegründet und erhielt im Oktober des Jahres als erstes Versicherungs-Start-up eine Lizenz der Bafin. Die Idee: mit guter IT und schlanker Organisation, aber ohne den alten, schwerfälligen Apparat der klassischen Versicherer günstig Verträge anbieten. Anfangs beteiligten sich auch Versicherer wie die Signal Iduna, Rückversicherer unterstützten den Aufbau. Das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin stieg als großer Investor ein.
Ohne Rückversicherung geht gar nichts
Gewinne hat das Unternehmen noch nie gemacht, das ist bei einem Versicherer im Aufbau auch kein Wunder. Doch angesichts fortdauernder Verluste schwand die Begeisterung der Unterstützer. Die prominente Versicherungsmanagerin Astrid Stange, die Element seit 2022 leitet, konnte den Niedergang nicht aufhalten. Im Dezember 2024 kündigte die Hannover Rück als größer Rückversicherer die Verträge.
Das stürzte das Unternehmen endgültig in eine Existenzkrise, ohne Rückversicherung kann es sein Geschäft nicht weiterbetreiben. Versicherer dürfen nicht selbst Insolvenz anmelden, das kann nur die Finanzaufsicht. Am 20. Dezember 2024 zeigte Element der Bafin die Überschuldung an, am 23. Dezember 2024 stellte die Bafin den Insolvenzantrag. Am 8. Januar 2025 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das vorläufige Insolvenzverfahren.
Jetzt wird geprüft, ob ein anderer Versicherer den Bestand an Verträgen übernimmt. Gelingt das nicht, wird das endgültige Insolvenzverfahren eröffnet. Dann enden die Verträge automatisch einen Monat später.
Der Geschäftsbetrieb und die Verträge laufen zurzeit weiter. Bereits entstandene und gemeldete Schäden werden weiter geprüft, aber vorerst nicht ausgezahlt. Geschädigte müssen sie nach der möglichen Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens beim Insolvenzverwalter Friedemann Schade melden. Kunden können auch einen Teil der Prämie zurückfordern, schreibt die Bafin. Die Forderung müssen sie ebenfalls anmelden.