Versicherung:Allianz-Manager kritisieren ihren Chef

Baete, Chief Executive of Europe's biggest insurer Allianz SE, arrives for company's annual news conference in Munich

Oliver Bäte übernahm 2015 den Chefposten bei der Allianz.

(Foto: REUTERS)

Stress beim größten deutschen Versicherer: Führende Manager stellen sich Konzernchef Oliver Bäte entgegen.

Von Herbert Fromme

Einen besseren Start hätte sich Oliver Bäte an der Spitze des Allianz-Konzerns kaum wünschen können. Gute Sechsmonatszahlen für 2016, das erste Jahr, das der 51-jährige Bäte als Chef der Allianz SE ganz verantwortet. Für das volle Jahr kann er einen operativen Gewinn von rund 10,5 Milliarden Euro erwarten, angesichts der Marktturbulenzen ein guter Wert. Möglicherweise werden die 10,7 Milliarden Euro des Jahres 2015 erreicht. Anleger mögen Bäte - auch wegen der um 6,6 Prozent erhöhten Dividende.

Doch intern stößt der Manager auf Probleme und Widerstand. Dafür sind zum Teil die niedrigen Zinsen und der Zwang zum digitalen Umbau verantwortlich. Hinzu kommt interne Kritik: Führende Allianz-Leute werfen dem seit Mai 2015 amtierenden Konzernchef vor, die Allianz sprunghaft zu führen. Sie stören sich an der Außendarstellung des Konzerns durch Bäte, bei der er die nötigen Veränderungen in den Mittelpunkt stellt.

Probleme der hauseigenen IT gehe er nicht mit dem nötigen Druck an. Der schwerste Vorwurf: Bäte und Finanzchef Dieter Wemmer wollten in der Lebensversicherung einen Teil der bestehenden Verträge in die Abwicklung geben. Das würde bedeuten, dass solche Bestände entweder an einen Abwickler verkauft oder - wie im Fall des Konkurrenten Ergo - in einer separaten Gesellschaft ohne Neugeschäft gebündelt würden. Bäte weist die Spekulationen scharf zurück.

Unbestritten ist: Bäte lässt inzwischen an europaweiten Plattformen bauen, die zur weiteren Entmachtung der Landesgesellschaften führen könnten. Der Franzose Jean Marc Pailhol entwickelt eine elektronische Plattform, auf der Makler europaweit bei der Allianz Geschäfte platzieren könnten. Dasselbe macht der Spanier Iván de la Sota mit einer Plattform für Privatkunden.

Beides sehen europäische Landesgesellschaften mit Misstrauen, denn sie wären dann nur noch Lieferant des Risikoschutzes und hätten mit den Kundenkontakten wenig zu tun. Zentrale und Landesgesellschaften der Allianz arbeiten an zahlreichen Digitalisierungsprojekten, aber eher gegeneinander als miteinander. "Die Allianz SE versucht, ohne Kundenkontakte etwas hinzustellen. Das ist zum Scheitern verurteilt", urteilt ein Manager aus einer Landesgesellschaft. "Wenn die SE die Initiativen der Landesgesellschaften moderieren und sammeln würde, wäre das in Ordnung. Aber genau das tut sie nicht, sondern will uns ihre eigenen Projekte aufdrücken."

Keine Entmachtung der Landesgesellschaften

Allianz-Chef Oliver Bäte kann das nicht nachvollziehen. "Heute reicht es nicht mehr, dass man einfach die im Konzern beste Gesellschaft als Vorbild hinstellt, die sogenannte best practice", sagt er im Gespräch mit der SZ. "Das war früher so. Heute muss man Prozesse und Produkte tatsächlich harmonisieren." Nur wenn das gelinge, könnten die einzelnen Gesellschaften wieder echt entscheiden.

Von einer Entmachtung der Landesgesellschaften könne keine Rede sein. "Gerade die deutschen Gesellschaften tragen im Konzern sehr viel zur Entwicklung bei", sagt er. "Lebensversicherungschef Markus Faulhaber leitet ein Kompetenzzentrum zu neuen Lebensversicherungsprodukten." Birgit König, die an der Spitze des Krankenversicherers steht, tue dasselbe bei einem Kompetenzzentrum zur Krankenversicherung.

Dissens gibt es - jedenfalls aus Sicht von Landesgesellschaften - auch über die Zukunft der Lebensversicherung. Hier hat die Allianz wie der gesamte Markt in den Neunzigerjahren Zinsgarantien von 3,5 und vier Prozent für die gesamte Laufzeit der Verträge gegeben. Diese Garantien sind heute deutlich schwerer zu erfüllen. Sie kosten den Konzern sehr viel Eigenkapital, mit dem er diese Verträge unterlegen muss. Andere Versicherer spielen durch, ob sich der Verkauf von solchen Beständen an externe Abwickler wie Heidelberger Leben oder Frankfurter Leben lohnt.

Bäte hat nicht viel Zeit

Auch SE-Finanzchef Wemmer äußert im kleinen Kreis Zweifel, ob die klassische Lebensversicherung mit ihrem Kapitalbedarf angesichts der Niedrigzinsen noch lange tragbar ist, berichten Allianz-Manager. Er plädiere dann dafür, Teile der Altbestände stillzulegen. Dann könnte die Allianz viel Kapital freisetzen und hohe Abwicklungsgewinne erzielen, für die Kunden gäbe es keine Nachteile.

Die größte europäische Allianz-Landesgesellschaft in Deutschland lehnt solche Gedankenspiele ab. Eine Stilllegung von Teilen des Bestands könne eine katastrophale Signalwirkung auf die Kunden haben und das Neugeschäft ernsthaft behindern, fürchten die Manager um Deutschlandchef Manfred Knof und Lebens-Chef Markus Faulhaber. "Die Allianz sendet im Moment gegensätzliche Signale an die Politik aus", sagt ein Berliner Insider. "Die SE ist sehr kritisch gegenüber der Lebensversicherung, die Allianz Deutschland will sie erhalten und weiterentwickeln."

Manager der Landesgesellschaften sind besonders empört

Bäte hatte schon im September 2015 in der Financial Times die mögliche Stilllegung oder den Verkauf von Lebensversicherungsbeständen angekündigt. Aber für Europa und Deutschland schließt er das explizit aus. "Wir überlegen in manchen anderen Regionen, ob wir alte Bestände verkaufen können." Korea und Taiwan seien Beispiele. "Aber in Europa machen wir das nicht." Das sei wirtschaftlich nicht sinnvoll, weder für die Kunden noch für den Konzern.

In Europa könne die Allianz Rückversicherungslösungen einsetzen, um den Kapitaleinsatz zu optimieren. Das Neugeschäft hat der Versicherer ohnehin, wo immer möglich, auf alternative Produkte umgestellt, bei denen die Risiken des Kunden höher sind und der Kapitaleinsatz des Versicherers geringer ist.

Besonders empört reagieren Manager von Landesgesellschaften, wenn die Rede auf die zentrale IT der Allianz kommt. Das Unternehmen arbeitet mit dem selbstentwickelten Allianz Business System (ABS), die IT betreibt die Tochter Amos. "Darüber gibt es mit fast allen Landesgesellschaften mächtigen Ärger", sagt ein Allianz-Manager. "Die Amos will deutlich mehr Kostenerstattung von den Gesellschaften, als ihr zusteht, dagegen gibt es weltweiten Widerstand." Ein besonderer Konfliktpunkt: Mit ABS International oder Absi bietet Amos eine günstige Unter-Plattform für digitale Anwendungen an. "Eigentlich ein toller Ansatz, aber Absi funktioniert einfach nicht", urteilt ein Fachmann auf Regionalebene.

Bäte räumt ein: "Die Kosten der IT sind stark gestiegen. Allerdings liegt das an den globalen Sicherheitsstandards, die sehr hoch sind." Die Anforderungen seien auch aufgrund höherer Cyberrisiken deutlich gewachsen. Die Standards waren vorher bei den einzelnen Gesellschaften "nicht immer so toll". Allerdings hätte die Zentrale vorher besser planen und kommunizieren müssen, wenn ein Sicherheitszentrum eingerichtet wird und die Sicherheitskosten für die gesamte Gruppe auf jährlich 40 Millionen Euro steigen, sagt er selbstkritisch.

Widerstand ist nicht überraschend

Eigentlich ist es nicht überraschend, dass ein neuer Konzernchef auf Widerstand stößt - gerade im Verhältnis von Zentrale und Tochtergesellschaften ist das eigentlich die Regel. Und schließlich ist mit dem langjährigen McKinsey-Berater Bäte, der erst Ende 2007 zur Allianz kam, irgendwie ein Externer an der Macht. Doch sind die Gräben bei Deutschlands größtem Versicherer besonders tief. Schließlich geht es hier ans Eingemachte: IT, Lebensversicherung, Digitalisierung. Die Kritik am Konzernchef geht weiter als in solchen Konstellationen üblich, und sie ist schärfer.

Offenbar muss der Allianz-Chef einiges geraderücken. Dazu gehört auch die Klärung der Frage, ob die Obergesellschaft Allianz SE nun eine Finanzholding ist, die ihre Töchter eher locker steuert, oder eine operative Konzernmutter, die sich stark in das eigentliche Geschäft einbringt.

Viel Zeit hat Bäte nicht. Im Mai 2017 soll sein Vorgänger Michael Diekmann nach der obligatorischen zweijährigen Wartezeit Aufsichtsratschef werden. Diekmann hat Bäte 2015 an die Spitze gebracht. Das heißt aber nicht, dass die beiden auch künftig immer einer Ansicht sein müssen, wenn es um die Ausrichtung von Europas größtem Versicherer geht. Dann könnte der Gegenwind noch heftiger werden.

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