Süddeutsche Zeitung

Versicherung :Lieber nicht haften

Die Allianz schafft Distanz zum eigenen Lebensversicherer. Der Gewinnabführungsvertrag wird nicht verlängert.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Allianz Deutschland hat 2017 eine Vereinbarung auslaufen lassen, die den Konzern zur Nothilfe im Falle von Verlusten bei der Allianz Lebensversicherung in Stuttgart gezwungen hätte. "Der Gewinnabführungsvertrag lief aus und wurde nicht verlängert", bestätigte ein Sprecher. Veröffentlicht hat das Unternehmen diese Tatsache bislang nicht. "Wir werden das im nächsten Geschäftsbericht tun, der das Jahr 2018 umfasst."

Der Allianz-Konzern hatte von 2015 bis 2017 satte 1,29 Milliarden Euro von der Tochter als Ausschüttung erhalten. Das geht von 2018 an nicht mehr. Gleichzeitig muss die Allianz aber mögliche Verluste des Stuttgarter Lebensversicherers in Zukunft nicht ausgleichen.

Deutschlands größter Versicherer ist damit einer Gesetzesänderung zuvorgekommen, die gerade vorbereitet wird. Damit stopft die Bundesregierung ein Schlupfloch, über das sich Versicherungskonzerne aus der Verantwortung für ihre Lebensversicherer schleichen könnten, wenn sie in ernsthaften Schwierigkeiten sind. Die Änderung soll die Lebensversicherung sicherer machen für die Kunden.

Künftig muss ein Konzern die Genehmigung der Finanzaufsicht Bafin einholen, wenn er einen so genannten Gewinnabführungsvertrag mit einer Lebensversicherungstochter kündigen oder nicht fortführen will, so die neue Vorschrift.

Sie geht auf eine Initiative der Bafin zurück. Aufsicht und Regierung fürchten, dass Konzerne gerne anfallende Gewinne der Lebensversicherer mitnehmen, aber im Notfall lieber nicht für möglichen Verluste der Töchter zahlen wollen.

Vielen deutschen Lebensversicherern geht es wegen der Niedrigzinsen und früheren hohen Zinsgarantien nicht gut. 2014 beschloss der Bundestag das Lebensversicherungsreformgesetz, das die Gesellschaften großzügig entlastet und die Gewinnbeteiligungen für die Kunden gesenkt hat. Im Gegenzug verbot das Parlament den Unternehmen die Ausschüttung von Dividenden. Allerdings ließ es eine Ausnahme zu: Wenn die Konzernmutter mit der Lebensversicherungs-Tochter einen so genannten Gewinnabführungsvertrag abschloss, durfte sie weiter Gewinne entnehmen. Allerdings musste sie dann auch bereit sein, in schlechten Jahren für mögliche Verluste aufzukommen. Die Branche nutzte die neue Vorschrift gerne: 2017 hatten 37 der 67 Lebensversicherer solche Verträge und schütteten 1,5 Milliarden Euro aus, 400 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Für die Allianz spielt das neue Gesetz keine Rolle mehr

Nach Angaben von Branchen-Insidern gab es allerdings eine Reihe von Fällen, in denen Konzerne mit problematischen Lebensversicherern die Gewinnabführungsverträge kündigen wollten, weil sie künftige Verluste fürchteten. In diesen Fällen habe die Bafin sie in "intensiven Gesprächen" davon überzeugt, den Kündigungsplan zurückzuziehen. Jetzt will sich die Aufsicht die rechtlichen Mittel verschaffen, das notfalls auch erzwingen zu können - deshalb die Gesetzesinitiative.

Für die Allianz spielt das neue Gesetz keine Rolle mehr, ihr Gewinnabführungsvertrag ist Vergangenheit. Dabei lagen bei der Allianz die Ausschüttungen in den Jahren 2015 bis 2017 immer deutlich über 20 Prozent des Eigenkapitals. Der freiwillige Verzicht könnte darauf hindeuten, dass sich die Gesellschaft Sorgen um die Zukunft des Lebensversicherers macht und das Risiko nicht eingehen will, künftig für mögliche Verluste geradestehen zu müssen. Das sei eine Fehlinterpretation, sagte der Sprecher. "Wir sehen die Aussichten des Lebensversicherers sehr positiv."

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SZ vom 20.03.2019
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