Versicherung:Fehlender Schutz

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Windkrafträder in der Nähe von Göttingen: Wenn sich Versicherer aus umweltverschmutzenden Branchen zurückziehen, trifft dies auch saubere Unternehmen. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Firmen, die ihr Geld mit der Kohleförderung oder Erschließung von neuen Erdgasfeldern verdienen, erhalten kaum noch eine Versicherung. Das könnte der Umwelt am Ende sogar schaden.

Von Katrin Berkenkopf

Die Versicherer legen weltweit Billionen Euro an. Durch den Versicherungsschutz sorgen sie dafür, dass Neubauten von Fabriken, Kraftwerken oder Infrastrukturprojekte überhaupt möglich sind. Aktionäre und Kunden verlangen jedoch immer öfter von ihnen, dass sie mit ihren Investitionen den Klimawandel eindämmen und umweltverschmutzenden Unternehmen keine Deckung mehr gewähren. Beim Blick auf die Klimabilanz schießen sie aber übers Ziel hinaus, kritisieren Kunden aus der Industrie.

Auch die großen Versicherer sollen einen Beitrag zum Klimawandel leisten

Wenn es um die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel geht, stehen schnell die Versicherer im Blick. Denn sie verwalten riesige Geldmengen, die sie möglichst gewinnbringend investieren müssen. Allein die Kapitalanlagen der deutschen Assekuranz beliefen sich 2020 nach Angaben ihres Branchenverbandes GDV auf fast 1762 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Ausgaben des Bundes erreichten vergangenes Jahr trotz der Corona-Belastungen laut Finanzministerium 443 Milliarden Euro, also nur etwa ein Viertel dieser Summe.

Die großen Versicherer von Allianz bis Munich Re, aber auch mittelgroße Anbieter wie die Sparkassen-Versicherung oder die Hanse Merkur sind Mitglieder der Net-Zero Asset Owner Alliance geworden. Unter dem Dach der Vereinten Nationen haben sich hier institutionelle Investoren verpflichtet, die klimaschädlichen Emissionen ihrer Kapitalanlagen bis 2050 auf null zu reduzieren. Das ist allerdings gar nicht so leicht - aktuell gibt es einfach weniger grüne Investments, als Investoren suchen.

Jünger und noch deutlich kleiner ist die Net-Zero Insurance Alliance. Ihre Mitglieder wollen bis 2050 auch die Emissionen ihres Kerngeschäftes, also aus der Gewährung von Risikodeckungen, auf null bringen. Und spätestens an dieser Stelle kann es zu Konflikten mit den Kunden kommen: Denn um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Versicherer gerade im Bereich Gewerbe und Industrie viel restriktiver sein beim Ausstellen von neuen Policen.

Wer sein Geld mit der Kohleförderung oder Erschließung von neuen Erdgasfeldern verdient, merkt das aktuell schon sehr deutlich. Immer mehr Versicherer, vor allem in Westeuropa, ziehen sich aus dem Bereich fossile Energien ganz zurück. Doch Industriekunden beobachten mit Sorge, dass auch andere Branchen betroffen sind: Kfz-Hersteller zum Beispiel, weil deren Produkte mit Blick auf Klimaneutralität eher schwierig sind. Das berichtet Stefan Rosenowski, Geschäftsführer beim GVNW, dem Lobbyverband der industriellen Versicherungskunden. Nicht alle, aber einige Versicherer reduzieren hier ihre Kapazitäten oder verschärfen die Bedingungen.

"Wir sehen dieses als einen falschen Druckpunkt auf die versicherungsnehmende Wirtschaft", sagt Rosenowski. Klimaneutrale Energieerzeugung und Industrieproduktion lasse sich auch durch solchen Druck nicht kurzfristig erreichen, argumentiert er. Außerdem müssten die Unternehmen die Risiken, die sie sonst an die Versicherer übertragen, selbst tragen.

Bei großen Konzernen stellen dafür sogenannte Captives eine alternative Möglichkeit da. Das sind eigene kleine Versicherungsunternehmen. Mit ihrer Gründung bleibt das Risiko zwar im Konzern, die Captive kann aber beispielsweise, anders als das Unternehmen als solches, Verträge mit Rückversicherern abschließen und das konzerneigene Risiko dadurch verringern. Für kleinere Firmen ist so ein Konstrukt in der Regel zu aufwendig.

Für den GVNW ist eine Deckungsverweigerung durch die traditionellen Versicherer mit Blick auf den Klimaschutz kontraproduktiv. Denn wenn die Firmen ihre Risiken selbst tragen müssen, bindet das immer viel Eigenkapital. "Dieses Kapital wird dann dem notwendigen Investment in den Klimawandel entzogen", sagt der Geschäftsführer.

"Solange Geschäfte erlaubt sind, müssen sie auch versicherbar sein."

Thomas Haukje, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler, geht noch weiter. Die Versicherer wollten offenbar schneller sein als die Politik, so sein Vorwurf. "Man gewinnt zurzeit den Eindruck, dass von einigen Versicherern die von Politik und Gesellschaft gesetzte Leitplanke als zu weit angesehen wird." Alexander Mahnke, Versicherungschef bei Siemens und Vorstandsvorsitzender des GVNW, fasst die Forderung von Industrie und Maklern so zusammen: "Solange Geschäfte erlaubt sind, müssen sie auch versicherbar sein."

Den Vorwurf, unter dem Deckmantel des Klimaschutzes nun vielen Branchen die Deckung zu kürzen oder zu verweigern, weist Petra Riga-Müller zurück. Sie leitet den Bereich Industrieversicherung bei der Zurich-Gruppe Deutschland. "Wir gehen bei den Ausschlüssen nicht im Gießkannenprinzip vor, sondern unterstützen Kunden mit glaubwürdigen und wissenschaftsbasierten Klimaplänen auf ihrem Transformationsweg", sagt sie.

Die Zurich habe engen Kontakt mit den Nachhaltigkeitsverantwortlichen der jeweiligen Unternehmen und komme so auch an die nicht öffentlich zugänglichen Informationen aus den Klimaplänen. "Darauf basierend entscheiden wir über die Fortführung der Geschäftsbeziehung."

Auch der Rückversicherer Swiss Re spricht von Unterstützung bei der "Transformation zu kohlenstoffarmen Produktionsketten" und verweist darauf, dass er sein Engagement bei der Absicherung von erneuerbaren Energien deutlich verstärkt.

Denn auch in diesem so nachhaltigen Sektor klagen Unternehmen über fehlenden Versicherungsschutz, weil die neue Technologie für einige Anbieter erst mal ein Hindernis in der Risikoabschätzung ist. Deckungseinschränkungen für als problematisch angesehene Bereiche treffen am Ende auch die sauberen Energien: "Ich brauche für ein großes Windkraftrad 4,7 Tonnen Kupfer", sagt Patrick Fiedler, Senior Vice President Corporate Insurance bei BASF. Für Kupferminen bieten einige Versicherer aber keine Policen mehr an.

Industrie-Vertreter Rosenowski will seine Vorwürfe nicht pauschal an die gesamte Versicherungsbranche richten. Es gebe durchaus Anbieter, die Deckung in gewohntem Umfang anbieten, wenn eine langfristige Strategie für einen Technologiewechsel vorhanden ist, und die diesen Prozess sogar aktiv unterstützen. "Aber so agieren leider nicht alle potenziellen Führungsversicherer."

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