Finanzen:Frauenversicherungen werden immer wichtiger

Betreuungsgeld

Frauen schließen weniger Versicherungen ab als Männer, obwohl sie mehr "Risiken" haben, zum Beispiel, wenn sie Mütter werden. Davon wollen Versicherer profitieren.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Frauen kaufen weniger Versicherungsprodukte als Männer.
  • Der Versicherungskonzern Axa entwirft jetzt Versicherungsangebote, die sich speziell an Frauen richten.
  • Manche Versicherungen greifen bei einer Erkrankung an Brustkrebs, manche decken die Kosten einer Mutterschaft.

Von Isabel Pfaff, Zürich, und Friederike Krieger, Köln

Übernimmt meine Versicherung eigentlich Geburtskomplikationen? Warum muss ich für frauenspezifische Krebsvorsorge extra zahlen? Und was passiert, wenn ich irgendwann mal meine Eltern pflegen muss? Es sind Fragen wie diese, die Liza Garay-de Vaubernier antreiben. Fragen, auf die die meisten Frauen weltweit früher oder später stoßen - weil sie qua Biologie besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind, und weil sie noch immer den Großteil der unbezahlten Pflege von Älteren und Kindern übernehmen.

Liza Garay-de Vaubernier leitet den neu geschaffenen Bereich "Women's Market" beim französischen Versicherungskonzern Axa. Sie entwirft Versicherungsangebote, die sich speziell an Frauen richten und versucht damit einen bisher kaum erschlossenen Markt zu erobern. Denn immer wieder zeigen Studien, dass Frauen tendenziell weniger Versicherungsprodukte kaufen als Männer. In den USA zum Beispiel haben laut einer Studie der Beratungsfirma Limra nur 56 Prozent der Frauen, aber 62 Prozent der Männer eine Lebensversicherung, beim indischen Versicherer Birla Sun Life Insurance sind nur 23 Prozent der Kunden weiblich, und in Deutschland stehen laut einer Studie der R+V-Versicherung 30 Prozent der Frauen ohne private Rentenversicherung da.

Das hat einerseits natürlich mit den Einkommensverhältnissen zu tun: Frauen haben im Durchschnitt weniger Geld zur Verfügung als Männer und können entsprechend weniger in Versicherungen investieren. Doch Garay-de Vauberniers Quellen zeigen, dass es nicht nur das Geld allein ist. "In unseren Untersuchungen wird deutlich, dass Frauen andere Versicherungsbedürfnisse haben - und dass wir als Anbieter das zu wenig berücksichtigt haben." Frauen beschäftigten sich vor allem dann mit Versicherungsprodukten, wenn sie sich in den Schlüsselphasen ihres Lebens befänden: Berufseinstieg, Eheschließung, Mutterschaft, schwere Krankheit oder Scheidung. Männer dächten auch außerhalb dieser Ereignisse über Versicherungen nach und kauften Policen.

Ganz von ungefähr kommt die Begeisterung für die Frauen nicht. Laut einer Studie von Axa, dem Beratungskonzern Accenture und der Weltbank-Tochter IFC könnte der Frauen-Versicherungsmarkt bis zum Jahr 2030 weltweit ein Volumen von 1,7 Billionen Dollar erreichen. Zudem entscheiden Frauen immer häufiger, wie das Familieneinkommen investiert wird. "90 Prozent der Versicherungsentscheidungen treffen Frauen, auch wenn es nicht um sie selbst geht", sagt Garay-de Vaubernier. Schon allein deshalb müssten die Versicherer sie in ihre Strategien einbeziehen.

Ein türkischer Versicherer zahlt Unternehmerinnen in Notfällen den Babysitter

Seit 2016 entwickelt Garay-de Vaubernier frauenspezifische Produkte bei Axa. Inzwischen gibt es Pilotprojekte in 15 Ländern, die sowohl weibliche Gesundheitsrisiken als auch die besondere sozioökonomische Situation von Frauen berücksichtigen. In Mexiko etwa, wo frauenspezifische Krebsarten die häufigste Todesursache junger Frauen sind, bietet Axa eine Lebensversicherung an, die speziell im Fall einer solchen Krebserkrankung greift. Mexikanerinnen können auch eine Krankenversicherung abschließen, die unter anderem die Kosten von Schwangerschaft und Mutterschaft abdeckt. In der Türkei gibt es eine Versicherung für Unternehmerinnen, die vor Diebstahl und logistischen Problemen schützt, aber auch eine Familienkomponente beinhaltet: In geschäftlichen Notfällen kommt die Versicherung für einen Babysitter auf. In Großbritannien richtet Axa den Fokus auf Altenpflege, ein Thema, das in der Mehrheit Frauen betrifft: Firmen können ihre Mitarbeiter dort registrieren lassen, sodass diese im Pflegefall Unterstützung erhalten. Das Angebot reicht von finanzieller und juristischer Beratung über Sicherheitschecks im eigenen Zuhause bis hin zu einem Alarmarmband, das Pflegebedürftige mit einer Helferhotline verbindet.

In fast allen Ländern, erzählt Liza Garay-de Vaubernier, hätten die Analysen von Axa gezeigt, dass viele Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung als Berufstätige und Mutter großen Wert auf Zeitersparnis legten. Gleichzeitig wollen sie oft ausführlicher beraten werden als Männer. "Wir kombinieren unsere Produkte deshalb oft mit Telemedizin-Hotlines, die rund um die Uhr erreichbar sind", sagt Garay-de Vaubernier.

In Deutschland kommen die Projekte nicht an

Mittlerweile ist die Pilotphase abgeschlossen. Die Länderprojekte, sagt Garay-de Vaubernier, sollen nun in das universelle Angebot von Axa aufgenommen werden. Das langfristige Ziel des Konzerns: bereits 2020 der bevorzugte Versicherungspartner von Frauen weltweit zu werden. Derzeit liegt der Anteil weiblicher Privatkunden bei 40 Prozent.

Auch andere in der Branche bemühen sich verstärkt um Frauen. Die Schweizer Zurich etwa hat ihre Lebensversicherungsangebote in Großbritannien so gestaltet, dass man aus verschiedenen Optionen wählen kann und die Police damit besser an weibliche Lebensläufe anpassen kann. Auch greift das "Critical Illness"-Produkt der Versicherung nun auch bei Geburtskomplikationen. "Frauen sind kein Nischenmarkt", heißt es in einer Mitteilung des Konzerns.

In Deutschland sehen die Versicherer das offenbar anders. Zwar gab es vor einigen Jahren schon eine Reihe von Policen, die sich speziell an Frauen richteten. Das waren vor allem Critical-Illness-Policen mit blumigen Namen wie "Ladylike", Ladyprotect" oder "Womancare". Sie versprachen eine Auszahlung bei der Diagnose Brustkrebs. Einige Versicherer hatten auch spezielle Online-Portale für Frauen aufgebaut. Zum Beispiel die Ergo, die zusammen mit Ottofinanz Plus, dem Finanzdienstleister des Versandhändlers Otto, 2011 die Webseite Einfachanders.de gestartet hatte, auf der vor allem Krankenzusatzpolicen für Frauen zu haben waren. Doch im Jahr 2014 wurde das Portal wieder eingestellt, auch die meisten Brustkrebs-Policen gibt es nicht mehr. Anscheinend ging das Kalkül hinter dem Vertriebsansatz nicht auf. "Die Marketing-Strategie von Ergo sieht heute vor, alle Produkte genderneutral zu vermarkten", teilte eine Sprecherin mit.

Tarife dürfen nicht nach Geschlechtern differenziert werden

Ein Grund dafür scheint das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2011 zu sein, wonach Versicherungstarife nicht nach dem Geschlecht differenziert werden dürfen. Denn zuvor hatte es - etwa bei der Kranken- oder der Autoversicherung - durchaus Unterschiede bei den Tarifen gegeben, je nachdem, ob der Versicherte eine Frau oder ein Mann war. "Wegen der verpflichtenden Uni-Sex-Tarifierung lässt es sich kalkulatorisch nicht darstellen, spezifische Frauenversicherungen anzubieten", sagt Kim Paulsen vom Bund der Versicherten.

So gibt es heute nicht mehr viele Angebote auf dem deutschen Markt, die sich speziell an Frauen richten. "Uns ist keine sinnvolle Versicherung bekannt, die ausschließlich bei speziellen 'Frauenrisiken' leistet", so Paulsen. Es gebe lediglich noch einige Krankenzusatzversicherungen, die bestimmte Vorsorgeuntersuchungen wie Mammografien bezuschussen oder Entbindungspauschalen zahlen. "Die Leistungen bewegen sich aber im Regelfall im unteren dreistelligen Bereich", sagt er. Doch vielleicht ändert sich das auch wieder

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