Nein, der deutsche Fußballmeister Bayer 04 Leverkusen wird in dieser Saison noch nicht mit „Barmenia Gothaer“ auf dem Trikot auflaufen, auch wenn die Fusion der beiden Versicherer kurz vor dem Abschluss steht. 2024/2025 bleibt es in der ersten Bundesliga beim einfachen „Barmenia“.
Künftig soll da der neue Name stehen, aber in der jetzt startenden Saison noch nicht, sagt Andreas Eurich, Chef der Barmenia und in Zukunft einer der beiden Co-Chefs der fusionierten Gruppe. „Lange vor Saisonstart müssen die Trikots mit dem DFB besprochen und auch produziert werden“, sagt er. Zumindest im Stadion will die Gruppe ihre Werbung so schnell wie möglich anpassen. „Und sobald wir die Trikots ändern können, tun wir das auch.“ Der Sponsoring-Vertrag läuft bis 2028. Über die Summe, die der Versicherer jährlich überweist, schweigt sich die Barmenia aus. Bundesliga-Experten sprechen von acht Millionen Euro.
Am Freitag hat die Finanzaufsicht Bafin die Fusion der beiden Versicherungsgruppen Barmenia in Wuppertal und Gothaer in Köln genehmigt. Damit hat das ehrgeizige Projekt fast alle Hürden genommen. Sobald der Zusammenschluss im Handelsregister eingetragen ist, das könnte im September der Fall sein, wird er rückwirkend zum 1. Januar 2024 gültig.
Die Führung ist zufrieden. „Wir haben den Eindruck, dass der anspruchsvolle Prozess nun Früchte trägt“, sagt Gothaer-Chef Oliver Schoeller. Eurich dazu: „Die vergangenen Monate waren sehr sportlich, wir hatten von Anfang an einen sehr ambitionierten Zeitplan.“ Doch jetzt, da auch die Zustimmung der Bafin da sei, sei das „ein tolles Ergebnis“.
Bei dem Zusammenschluss handelt es sich um ein Milliardengeschäft. Die Gothaer kommt auf 4,9 Milliarden Euro Prämieneinnahmen im Jahr, die Barmenia auf 3,1 Milliarden Euro. Dennoch standen die Kölner bislang nur auf Platz 15 in der Größentabelle der Branche, die Wuppertaler auf Rang 21. Zusammen sind sie künftig die Nummer zehn im Markt und lösen dort die Signal Iduna in Dortmund ab.
Die Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben
„Die Barmenia ist besonders stark in der Krankenversicherung, wir in der Sachversicherung und in der Lebensversicherung“, sagt Schoeller. Bislang stehen die Anbieter als Spezialisten nebeneinander. „Unsere Kunden haben künftig ein Unternehmen, das viel breiter aufgestellt ist und ein umfassendes Versicherungsangebot hat“, sagt er. Wird es auch billiger für die Kunden? „Es wird vor allem besser“, antwortet er. „Natürlich gibt es auch Kostenaspekte.“ Wie viel der neue Konzern einsparen will, verrät Schoeller nicht. Jedenfalls sollen die 4900 Arbeitsplätze bei der Gothaer und die 2200 bei der Barmenia erhalten bleiben. Außerdem arbeiten etwa 4500 Versicherungsvertreterinnen und -vertreter für den neuen Konzern.
Fusionen sind selten im Versicherungsmarkt, obwohl er sehr zersplittert ist. Mögliche Partner haben Hunderttausende oder sogar Millionen Kunden mit oft langlaufenden Verträgen und entsprechenden Ansprüchen gegen die Unternehmen, betreiben unterschiedliche IT-Systeme und weisen komplexe Strukturen auf – ein Albtraum. Wenn es doch zu Fusionen kommt, handelt es sich meist um Notverkäufe oder um Bestandsbereinigungen, bei denen ein Konzern einen Geschäftszweig abgibt.
Von einer Notlage ist bei Barmenia und Gothaer nichts zu spüren, beide wachsen kräftig und machen Gewinne. Dennoch haben die beiden Seiten vor eineinhalb Jahren beschlossen, zusammenzugehen. Das war auch deshalb ein anspruchsvoller Plan, weil beide von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit geführt werden, also keine Aktiengesellschaften sind, sondern Genossenschaften. Sie gehören ihren Versicherten. Einen Verein kann man aber nicht einfach kaufen oder verkaufen.
Deshalb wird die neue Struktur nicht unbedingt einfacher. Die eigentliche Obergesellschaft der neuen Gruppe ist die Barmenia Gothaer Finanzholding in Köln. Sie kontrolliert die aktiven Gesellschaften. Die Finanzholding wiederum gehört zwei Versicherungsvereinen. Der Gothaer-Verein in Köln hält 64 Prozent an der Gruppe, das Barmenia-Pendant in Wuppertal 36 Prozent.
Trotz der klaren Besitzverhältnisse soll die Barmenia nicht benachteiligt werden. Das haben beide Versicherer in ihrer künftigen Satzung festgelegt. Eurich: „Alle Entscheidungen im neuen Konzern müssen gemeinsam getroffen werden, beide Seiten haben gleich viele Stimmrechte. Das ist gut aufgenommen worden, ebenso die Tatsache, dass Oliver Schoeller und ich gleichberechtigte Konzernchefs sind.“
„Wir haben viele Probleme auf dem Weg zum Zusammenschluss schon gelöst.“
In der Regel sind Unternehmen nach solchen Veränderungen zwei, drei Jahre mit sich selbst beschäftigt. Eurich erwartet das für den neuen Konzern nicht. „Wir haben viele Probleme auf dem Weg zum Zusammenschluss schon gelöst“, sagt er. „Natürlich kommt noch viel auf uns zu. Aber das Ziel ist klar: Das Beste aus zwei Welten soll in die Zukunft überführt werden. Dabei müssen wir natürlich Sachen aussortieren, ob das jetzt bestimmte Produkte sind oder IT-Systeme.“
Probleme hat auch die künftige Barmenia Gothaer genug, wie die meisten Versicherer: Verluste in der Autoversicherung, Fachkräftemangel, Kunden machen sich Sorgen um die schleppende Bearbeitung von Schäden und Erstattungen, vor allem in der Auto- und der privaten Krankenversicherung. Bei der Barmenia dauerte es Anfang des Jahres vier Wochen und mehr, bis Kunden ihre eingereichten Arztrechnungen erstattet bekamen. „Das ist wieder besser geworden“, sagt Eurich. „Aber wir hatten zeitweise Laufzeiten, die zu lang waren, und wir haben immer noch Rückstände.“
Lange Laufzeiten bei Schäden haben immer eine negative Wirkung, ergänzt Schoeller. „Das fängt bei der Kundenzufriedenheit an und geht damit weiter, dass früher Rechtsanwälte eingeschaltet werden.“ Der Anspruch eines Versicherers müsse sein, Sachschäden innerhalb einer Woche zu bearbeiten und auch in der Krankenversicherung schneller zu werden. Wer hat Schuld an solchen Problemen? Schoeller: „Das ist eine Folge des Demografieproblems, das alle Versicherer haben. Es fehlt an Fachkräften. Und wir haben einen viel zu geringen Digitalisierungsgrad, wenn man sieht, was möglich wäre.“ Dazu komme das hohe Wachstum von mehr als zehn Prozent pro Jahr bei der Gothaer.
Die Gothaer versichert rund eine Million Autos, die Barmenia etwa 40 000. Schoeller kündigt Preiserhöhungen an. „Wir werden wahrscheinlich nicht umhinkommen, das ist Inflationsgetrieben“, sagt er. „Wir müssen aber auch mit den Herstellern neue Lösungen finden. Die Kosten steigen unnötig, weil immer gleich ganze Teile ersetzt werden, zum Beispiel in der Elektronik, statt sie zu reparieren.“ Besonders auffällig seien Elektroautos. „Da gibt es nur Ersatz und eigentlich nie Reparatur.“