IT-Mängel und Kapitalknappheit:Bafin nimmt sich zwei Versicherer vor

Lesezeit: 3 Min.

Die Bafin agiert streng gegen zwei Schadenversicherer.  (Foto: Boris Roessler)

Der Haftpflichtkasse wirft die Finanzaufsicht Mängel in der IT vor. Das Start-up Element leidet an Kapitalknappheit, deshalb hat die Behörde es jetzt für das Neugeschäft geschlossen.

Ralf Gehlen, Herbert Fromme, Köln

Die Finanzaufsicht Bafin schlägt eine härtere Gangart in ihrer Versicherungsaufsicht ein. Innerhalb von nur einer Woche ist sie in zwei Fällen aktiv geworden. So hat die Behörde dem kleinen, gerade sieben Jahre alten Versicherer Element aus Berlin das Neugeschäft verboten. Und die Haftpflichtkasse in Roßdorf bei Darmstadt muss einen Aufschlag auf ihr Solvenzkapital zahlen, weil ihre IT-Systeme Mängel haben und dadurch zusätzliche Risiken entstehen.

Die Aufsichtsbehörde sorgt sich um die Interessen der Versicherungskunden. Einige Bereiche untersucht sie seit etwa zwei Jahren besonders intensiv: die Kostenbelastung für Kunden von Lebensversicherern, den Zustand der IT-Systeme, die oft lange Dauer der Schadenbearbeitung und die nötige Liquidität der Versicherer.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Versicherungsaufsicht nennt die Behörde dabei auch Namen. Bei Mängeln an der IT erklärt sie öffentlich, wenn sie einen Kapitalzuschlag festsetzt. Das war 2023 bei der Signal Iduna und bei der Axa Krankenversicherung der Fall, jetzt trifft es die Haftpflichtkasse.

Bei der Haftpflichtkasse sind vor allem kleinere Unternehmen und Gastronomen versichert

„Versicherungsunternehmen müssen eine wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation haben“, schreibt die Bafin. „Zur Geschäftsorganisation eines Versicherers gehört auch dessen IT.“ Weisen Versicherer hier Mängel auf, kann die Bafin einen Kapitalaufschlag auf das Solvenzkapital festlegen, das die Versicherer je nach Risikohöhe stellen müssen. „Mit ihm sollen die Risiken abgedeckt werden, die aus den Mängeln resultieren.“ Sind die Mängel beseitigt, wird der Zuschlag – dessen Höhe die Bafin nicht nennt – aufgehoben.

Die Haftpflichtkasse ist mit 256 Millionen Euro eine eher kleine Gesellschaft, die vor allem kleinere Unternehmen und Gastronomen versichert. Sie ist bei der IT-Sicherheit bereits in der Vergangenheit negativ aufgefallen: Im Juli 2021 wurde der Versicherer Opfer eines großangelegten Hackerangriffs, der den gesamten Geschäftsbetrieb lahmlegte. Datendiebe verschafften sich mit einem Ransomware-Angriff Zugriff auf sensible Kunden- und Kontodaten und forderten Lösegeld. Die Haftpflichtkasse zahlte nicht und brachte den Fall zur Anzeige. Der Versichererverband GDV erklärte dazu, dass ihm kein vergleichbarer Fall aus der Branche in Deutschland bekannt sei.

Offenbar gibt es bei der Gesellschaft weiterhin Mängel in der IT, die jetzt durch eine Prüfung der Bafin ans Licht gekommen sind. Neben der Sorge um Hackerangriffe ist die Behörde besonders empfindlich beim Datenschutz, vor allem den Zugangsregeln für Mitarbeitende zu persönlichen Daten von Kunden. Ohnehin geht es in Roßdorf ungewöhnlich turbulent zu. Der Aufsichtsrat feuerte im abgelaufenen Jahr den dreiköpfigen Vorstand und ersetzte ihn durch jüngere Experten.

Die höhere Kapitalanforderung dürfte die Haftpflichtkasse finanziell kaum nennenswert belasten. Aber die öffentliche Nennung wird den Versicherer ungemein stören, weil Kunden und Makler ein negatives Bild von der Gesellschaft erhalten.

Beim Berliner Versicherer Element gibt es noch größere Probleme

Deutlich schärfer ist die Behörde gegen den Berliner Versicherer Element Insurance vorgegangen. Die Behörde hat ihm nach SZ-Informationen in der vergangenen Woche das Neugeschäft verboten. Gelingt es dem Unternehmen nicht rasch, seine Probleme zu lösen, ist es am Ende.

Hintergrund ist die Kündigung des wichtigsten Rückversicherungsvertrags der mit 51 Millionen Euro Umsatz eher kleinen Gesellschaft. Die Hannover Rück hat die Partnerschaft nicht verlängert. Ohne Rückversicherung kann Element aber angesichts sehr knapper Kapitalausstattung kein Geschäft machen.

Die Krise ereilt das Unternehmen, obwohl es stark wächst und es ihm gelungen war, in der jüngsten Investorenrunde 50 Millionen Euro einzusammeln. Große Aktionäre sind der Berliner Startup-Gründer Finleap und das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin.

Element bestätigte die Schließung. „In der Tat haben wir eine Weisung von der Bafin erhalten, das Neugeschäft einzustellen“, teilte die Chefin Astrid Stange mit. „Dies ist eine unerwartete Situation für Element“, erläuterte sie. „Wir sind aktuell dabei, die üblichen Maßnahmen einer Versicherung in einer solchen Situation zu aktivieren. Hier haben wir vor allem das Wohl der Kunden im Blick, aber natürlich auch aller Mitarbeiter, Partner und Aktionäre.“

Element agiert vor allem als so genannter White-Label-Anbieter. Die Policen werden von anderen Unternehmen unter deren Namen verkauft, meistens an Privatleute.  Dazu gehört Volkswagen Financial Services, die VW-Tochter bietet Kurzzeit- und Drittfahrerschutz von Element an.

In beiden Fällen hat die Bafin Maßnahmen gegen kleine Gesellschaften ergriffen, betroffene Kunden werden keine Probleme haben, andere Versicherer zu finden. Aber mit ihrem Vorgehen signalisiert die Behörde, dass sie zum Durchgreifen bereit ist. „Die IT-Geschäftsorganisation und die IT-Sicherheit haben wir aktuell besonders im Blick, und zwar sowohl bei kleinen als auch bei großen Versicherern“, sagte Julia Wiens, Chefin der Versicherungsaufsicht, kürzlich im SZ-Interview. Weitere Maßnahmen gegen einzelne Gesellschaften schloss sie nicht aus.

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