Versicherung:Allianz will 700 Stellen in drei Jahren abbauen

Lesezeit: 3 Min.

Einblicke in das sog. *Agile Trainingscenter* der Allianz in München, Seidlstraße 24. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Firma Pivotal werden hier in *Lab*-bzw. *StartUp*-Atmosphäre neue Produkte entwickelt. Entwicklung einer neuen App. FÜR WIR. Foto:Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der Versicherungskonzern Allianz will in Deutschland bis 2020 insgesamt 700 Vollzeitstellen abbauen.
  • 570 weiterer Stellen hat sich der Konzern schon durch Altersteilzeit-Verträge entledigt.
  • Der Frust unter den Beschäftigten ist groß. Viele wittern Sparmaßnahmen hinter der angeblichen Reaktion auf die Digitalisierung.

Von Herbert Fromme und Uwe Ritzer, München

Einer kommt sich vor "wie in der Sendung mit der Maus". Er könne seine Vorgesetzten beim Versicherungskonzern Allianz nicht mehr ernst nehmen. Die würden "auf Wolke sieben" schweben, fernab vom Tagesgeschäft, mutmaßt ein Kollege. Das Management habe nur noch die Interessen der Aktionäre und nicht mehr jene der Kunden und Beschäftigten im Blick, schimpft ein anderer Mitarbeiter des Konzerns: "Die Allianz ist wieder einmal gut am Start, das Vertrauen der Mitarbeiter nachhaltig zu schädigen."

Ein weiterer Beschäftigter sieht die Allianz gar auf dem Weg zu einem "Versicherer mit Fließbandfertigung". Unmut und Empörung breiten sich im Intranet der Allianz Deutschland AG aus. Der Grund: Das Management hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor wenigen Tagen angekündigt, dass bis Ende 2020 insgesamt 700 Vollzeitstellen allein im Bereich Betrieb/Schaden abgebaut werden. Weil viele Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten, bedeutet das: Mehr als 800 Allianzer verlieren ihren Job.

SZ PlusAllianz
:Viel Lob und ein Hauch von Kritik

Aktionäre und Aufsichtsrat geben dem intern umstrittenen Allianz-Chef Oliver Bäte Rückendeckung. Sein Vorgänger Michael Diekmann kehrt zurück.

Von Friederike Krieger

Viele Mitarbeiter müssten laut den Planungen umziehen

Die Allianz hat in Deutschland 29 000 Mitarbeiter, davon knapp 9000 in den betroffenen Bereichen Betrieb und Schaden. Auf Mitarbeiterversammlungen wurde sogar vom Abbau von 2170 Stellen gesprochen. Eine solche Reduzierung wäre durch Effizienzgewinne möglich, haben die Betriebswirte ausgerechnet. Allerdings will die Allianz Deutschland nach eigenem Bekunden ja wachsen und ihre Kunden besser betreuen - deshalb werden unterm Strich 1270 Stellen abgebaut.

570 davon hat das Unternehmen in den vergangenen Monaten unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit per Altersteilzeit abgebaut. In den nächsten Jahren werden 700 weitere Stellen gestrichen. Zudem will die Allianz bestimmte Einheiten an einigen wenigen Standorten bündeln. Auch das sorgt intern für Kritik, denn es bedeutet für zahlreiche Mitarbeiter Umzüge oder aber die Aufgabe ihrer Jobs.

Die Unfallversicherung hat die Allianz bislang an den Standorten Berlin, München, Leipzig, Hamburg und Stuttgart verwaltet. Übrig bleiben sollen nur Berlin und München. In der Krankenversicherung fällt der Standort Berlin zum größten Teil weg. Schließungen gibt es auch in den Sparten Kfz- und Lebensversicherung.

Die Allianz reagiert damit nach eigenem Bekunden auf die Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt. Viele bislang von Sachbearbeitern erledigte Aufgaben werden künftig über standardisierte Prozesse digital ablaufen, prognostizieren Experten. "Eine Reduktion von Stellen ist nicht das Ziel, aber eine der Konsequenzen dieser Veränderungen, die sich nicht vermeiden lassen", erklärte Ruedi Kubat, der Chief Operating Officer im Vorstand der Allianz Deutschland AG, seinen Kollegen im Intranet.

Konzernchef Bäte hat den Anteilseignern hohe Dividenden versprochen

Von "fairen und sozialverträglichen Lösungen" für die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter ist dort die Rede. Es soll weniger Neueinstellungen geben. Doch Insidern ist klar: Ohne Kündigungen wird es kaum abgehen. In Wirklichkeit gehe es mehr ums Sparen als um digitale Veränderungen im Geschäft, sagt ein Mitarbeiter.

Tatsache ist, dass sich das Geschäftsmodell der Versicherer dramatisch verändert. Anträge werden nicht mehr von Menschen erfasst, die Risikoprüfung erledigen zunehmend Computer und auch in der Schadenbearbeitung automatisieren die Versicherer immer mehr Vorgänge. Die Allianz weist in der Schadenversicherung, in der es um Autos, Gebäude, Hausrat oder Haftpflicht geht, eine Kostenquote von 25,1 Prozent der Beitragseinnahmen aus. Dazu kommen rund sieben Prozent Kosten, die unter Schadenaufwand verbucht werden, von den Gutachtern bis zu den Sachbearbeitern in der Schadenbearbeitung. Das heißt, von jedem Euro, den der Kunde der Allianz als Prämie zahlt, gehen mehr als 30 Prozent für Kosten drauf.

Damit steht die Allianz zwar besser da als die meisten Konkurrenten (Talanx Deutschland meldet eine Kostenquote von 36 Prozent), liegt aber deutlich über dem großen Rivalen HUK-Coburg. Die Coburger weisen eine Kostenquote von nur 11,1 Prozent auf - und sie haben der Allianz in den vergangenen Jahren damit die Marktführerschaft in der wichtigen Sparte Kfz-Versicherung abgenommen.

Allerdings kommt ein wesentlicher Teil der Kostensenkung bei der Allianz nicht den Kunden durch niedrigere Preise zugute, sondern den Aktionären. Konzernchef Oliver Bäte hat den Anteilseignern hohe Gewinne und steigende Dividenden versprochen. Wenn die Kosten gesenkt werden, hilft das also auch, neue Investoren zu gewinnen.

Auch andere Versicherer ordnen Kostensenkungsprogramme an

Aktuell reduziert die Industrieversicherungssparte der Allianz, die unter dem Namen Allianz Global Corporate & Specialty firmiert, ihre Beschäftigtenzahl um rund zehn Prozent, etwa 500 Stellen verschwinden bis 2018. Was bei der Allianz passiert, ist kein Einzelfall, sondern betrifft die gesamte Branche. Auch die Chefs von Ergo, Zurich, Generali und anderen Gesellschaften drängen darauf, angesichts der Digitalisierung die Kosten zu senken. Es gibt Vorstände, die davon sprechen, dass die Verwaltungen zu 30 bis 50 Prozent überbesetzt seien.

Auch die Unternehmensberater von McKinsey erwarten, dass binnen zehn Jahren 40 Prozent der Stellen verschwinden werden. Dem steht die Hoffnung gegenüber, dass anderswo neue, digitale Arbeitsplätze entstehen könnten. Doch bei der Allianz teilt diese Hoffnung längst nicht jeder. "Kopfschütteln, wohin man sieht", hat ein Intranet-Schreiber bemerkt, ein anderer hofft auf Widerstand des Betriebsrats und wünscht ihm dafür "viel Kraft und Mut".

SZ PlusInterview mit Allianz-Chef Oliver Bäte
:"Uns würde nur eine größere Übernahme helfen"

Allianz-Chef Oliver Bäte spricht über Gerechtigkeit und Unzufriedenheit, die Ängste der Deutschen und warum er nicht glaubt, dass durch die Digitalisierung alles gut wird.

Anmerkung: In einer vorherigen Version des Textes hieß es zunächst, die Allianz Global Corporate & Specialty hätte in den vergangenen Jahren bereits 500 Stellen abgebaut. Richtig ist, dass diese Stellen bis zum Jahr 2018 verschwinden sollen.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: