Süddeutsche Zeitung

Verschärfte Selbstanzeige:Nur 89 Steuerhinterzieher zahlten Strafzuschlag

Die Selbstanzeige wird künftig teurer. Doch finanziell hat der Strafzuschlag bisher kaum etwas gebracht. Zuletzt nahm der Staat nicht einmal eine Million Euro ein.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es gibt nicht viele Gelddelikte, bei denen der Staat Missetätern mit Nachsicht und Milde begegnet. Wer schon einmal schwarz mit der Straßenbahn gefahren ist, weil er kein Kleingeld dabei hatte, und erwischt wurde, kann davon ein Lied singen. Insofern stellt die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerhinterzieher einen Sonderfall im deutschen Recht dar: Wer sich dem Finanzamt rechtzeitig, also vor seiner Enttarnung durch die Steuerfahndung, offenbart und reinen Tisch macht, kommt weitgehend ungeschoren davon - selbst, wenn er eine große Summe hinterzogen hat.

Aufgeschreckt durch den Fall des einstigen FC-Bayern-Bosses Uli Hoeneß haben sich Bund und Länder jetzt darauf verständigt, zumindest den Strafzuschlag für reuige Steuersünder zu erhöhen. Demnach müssen Betroffene nicht nur die Steuerschuld nebst Zinsen nachzahlen, vielmehr wird ab einem hinterzogenen Betrag von 25 000 Euro zusätzlich eine einmalige "Geldauflage" von zehn Prozent fällig. Bislang lag die Untergrenze bei 50 000 Euro, der Strafzuschlag bei fünf Prozent. Ab 100 000 Euro werden künftig 15 Prozent, ab einer Million Euro 20 Prozent fällig.

Das klingt konsequent, das Dumme ist nur: Die Geldauflage spielte in der Praxis bisher kaum eine Rolle. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Richard Pitterle (Linksfraktion), die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach wurde der Strafzuschlag im Jahr 2012 (neuere Zahlen gibt es nach Darstellung des Finanzministeriums nicht) ganze 89 Mal verhängt. Der Staat nahm dadurch genau 756 056 Euro ein - also praktisch nichts, wenn man es am Ausmaß der Steuerhinterziehung in Deutschland insgesamt misst. Nur zum Vergleich: Im selben Jahr gingen mehr als 8000 Selbstanzeigen bei den Finanzämtern der Republik ein.

"Es geht keineswegs um den kleinen Mann respektive die kleine Frau"

Aus Sicht des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) zeigt die niedrige Zahl der Fälle, dass es richtig ist, die Untergrenze, ab der die Strafzahlung überhaupt fällig wird, deutlich herabzusetzen. "Der Großteil der Hinterziehungsfälle liegt ganz klar unterhalb der bisherigen Grenze von 50 000 Euro", sagte er der SZ. "Ohne die Absenkung wäre die Verschärfung nur Kosmetik." Es müssten "wesentlich mehr Steuerbetrüger als bisher im Geldbeutel empfindlich spüren, dass sie das Gemeinwesen und damit uns alle betrogen haben".

Der Minister verwies darauf, dass auch in Fällen, in denen ein Bürger dem Staat 25 000 Euro schulde, dahinter ein beträchtlicher Verdienst stehe. "Es geht also keineswegs um den kleinen Mann respektive die kleine Frau", erklärte Walter-Borjans, der auch amtierender Vorsitzender der Länderfinanzministerkonferenz ist. "Deshalb wäre ein noch niedrigerer Wert wünschenswert gewesen."

Im Brief des Bundesfinanzministeriums an den Abgeordneten Pitterle wird nicht aufgeschlüsselt, welches Bundesland in welcher Höhe von den Einnahmen aus dem Strafzuschlag profitiert hat. Legt man der Einfachheit halber einmal die allgemeine Steuerverteilung zugrunde, dann hätte etwa das Saarland knapp 9000 Euro eingenommen. Für ein Eis pro Nase dürfte es also bei den Mitarbeitern der Landesverwaltung gereicht haben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1948827
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.05.2014/ebri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.