Verpackungsindustrie:Comeback der Dose

Eine zweite Chance für das Blech: Die Rückkehr der Getränkedose in die Regale steht bevor. Die Umweltverbände wehren sich heftig.

Stefan Weber

Für die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft hat Gerrit Heske einen Wunsch: "Ein Halbfinale mit Spanien, Frankreich, England und Deutschland wäre eine tolle Sache", sagt der 45-Jährige. Nicht als Fußballfan, sondern als Geschäftsmann.

DOSENPFAND

Die Dose kehrt zurück. Der Discounter Penny will sie wieder ins Regal stellen. Auch andere Händler denken darüber nach.

(Foto: ag.dpa)

Er ist für die Aktivitäten des amerikanischen Getränkedosenherstellers Ball in Europa verantwortlich - und in keinem anderen Land auf dem Kontinent werden so viele Getränkedosen verkauft wie in Spanien, Frankreich und England. Knapp 20 Milliarden Stück waren es im vergangenen Jahr. Je länger die Kicker dieser drei Länder bei der WM mitmischen, umso mehr Durst werden die heimischen Fans verspüren. Das ist das Kalkül des Managers von Ball.

Gemessen an den verkauften Dosen hat Deutschland in der Runde der letzten vier eigentlich nichts zu suchen. Denn die gut 700 Millionen Getränkedosen, die hierzulande im vergangenen Jahr geleert wurden, sind im internationalen Maßstab kaum der Rede wert.

Deutscher Markt im Umbruch

Aber der deutsche Markt befindet sich nach Einschätzung von Heske im Umbruch: "Getränkedosen drängen zurück in die Verkaufsregale", prognostiziert der Europa-Chef von Ball.

Bis 2003 war die Dose auch in Deutschland eine beliebte Getänkeverpackung gewesen. Etwa acht Milliarden Stück leerten die Verbraucher in jedem Jahr; die Hälfte davon stammte aus der Produktion von Ball oder Schmalbach Lubeca, wie das Unternehmen bis zur Übernahme durch den amerikanischen Konzern vor sieben Jahren hieß.

Die Situation änderte sich mit einer Reform der Verpackungsverordnung. Dosen waren plötzlich pfandpflichtig, worauf sie von vielen Händlern aus den Regalen genommen wurden. Auch die Abfüller setzten plötzlich auf andere Verpackungen, vor allem auf PET-Flaschen. Entsprechend brachen die Verkaufszahlen der Dosenhersteller ein - auf bis zu 500 Millionen Stück im Jahr 2005.

Energie aus der Dose

Seitdem hat die Nachfrage wieder angezogen, vor allem wegen der bei Jugendlichen beliebten Energy-Drinks, die oft in Dosen abgefüllt werden. Doch jetzt, so meint Heske, gebe es Signale für ein Comeback der Dose im großen Stil. Dabei verweist er auf die Entscheidung des Discounters Penny aus der vergangenen Woche, künftig wieder Erfrischungsgetränke und Bier in Dosen zu verkaufen.

Zusammenspiel von Form, Stabilität und Kompaktheit

Die Entsorgung der leeren Gebinde erfolgt dabei wie bei den Pfandflaschen aus PET an den Rückgabe-Automaten oder an den Kassen in den Filialen. Den Anfang machen in diesen Tagen die Penny-Verkaufsstellen in Nordrhein-Westfalen. Aber es soll nicht lange dauern, bis die Dosen in allen bundesweit 2400 Märkten des zur Rewe-Gruppe gehörenden Billiganbieters erhältlich sind.

Einsortieren von Bierdosen

Ein Mitarbeiter räumt die Dosen in die Regale eines Getränkemarktes. Kritik am Comeback kommt von der Deutschen Umwelthilfe: Sie habe viele ökologische Nachteile.

(Foto: ag.dpa)

Um ein Drittel leichter

Einst hatte Penny nach Schätzung von Heske in jedem Jahr zwischen 150 und 200 Millionen Dosen verkauft. Er hofft, dass dieses Niveau bald wieder erreicht wird. Von den drei anderen führenden Discountern Aldi, Lidl und Netto gebe es noch keine Signale für eine erneute Listung von Getränkedosen. "Tatsache ist aber, dass sich alle Lebensmittelhändler mit diesem Thema beschäftigen", sagt der Ball-Geschäftsführer.

Penny begründet die Entscheidung für die Dose zum einen mit logistischen Vorteilen: "Durch das Zusammenspiel von Form, Stabilität, Kompaktheit und Stapelbarkeit entstehen auf allen Stufen Vorteile", heißt es bei dem Discounter. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten habe die Dose in den vergangenen Jahren Boden gut gemacht. Sie sei heute knapp ein Drittel leichter als vor ein paar Jahren und wegen des Pfandes würden nahezu alle verkauften Dosen zurückgebracht.

Auch Ball glaubt die Dose inzwischen unter ökologischen Gesichtspunkten "auf einer Stufe mit anderen Verpackungen" und sieht sich in diesem Punkt von einer aktuellen Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung bestätigt. Kritik kommt dagegen von der Deutschen Umwelthilfe. Deren Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch hält die Dose nach wie vor für die "ökologisch nachteiligste Verpackung", die von der Industrie immer wieder "schöngerechnet" werde.

Schwarze Zahlen mit Hilfe aus Osteuropa

Für den Dosenhersteller Ball war der Absatzeinbruch in Deutschland eine Herausforderung: Die drei Werke an den baden-württembergischen Standorten Haßloch und Weißenthurm sowie Hermsdorf in Sachsen-Anhalt hatten plötzlich kaum zu tun. Durch die Verlagerung von Aufträgen, die ursprünglich für andere europäische Werke vorgesehen waren, schaffte es das Unternehmen, die deutschen Produktionsstätten einigermaßen auszulasten.

"Die lebhafte Nachfrage vor allem aus Osteuropa hat uns geholfen, den Einbruch in Deutschland abzufedern", sagt Heske. Auch Kurzarbeit habe dazu beigetragen, Entlassungen im großen Stil zu vermeiden. Trotz der Probleme hat Ball in Deutschland allerdings stets Geld verdient. "Wir haben in keinem Jahr rote Zahlen geschrieben", betont Heske.

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