Verpackungen:Ein schweres Pfand

Jeder Zweite erkennt nicht, wenn er eine Einwegflasche kauft. Jetzt werden diese besser gekennzeichnet. Aber hilft das der Umwelt?

Von Michael Kläsgen und Felicitas Wilke

Wolfgang Rommel ist Professor und Experte in Sachen Verpackung und Müll. Aber auch dem Geschäftsführer des Bifa Umweltinstituts in Augsburg geht es so wie Millionen Deutschen. Neulich auf einer Geburtstagsfeier diskutierte er wieder mit seinen Freunden über dieses eine Thema: Einweg oder Mehrweg? Außer Rommel wusste kaum einer, woran man den Unterschied erkennt. Und das geht Umfragen zufolge jedem zweiten Bundesbürger so.

Pfandflasche ist nicht gleich Mehrweg, also wieder verwendbar. Seit 2003 wird auch auf Einwegflaschen Pfand erhoben, aber nur auf manche. Es gibt PET-Flaschen, die sind Einweg, andere Mehrweg. Wenn in der Einweg-Plastikflasche, je nach Größe, Saft ist, zahlt man keinen Pfand, wenn Wasser drin ist, schon. Alles klar? Rommel sagt dazu: "Die Welt war schon mal weiter."

Das hat auch ein Teil der Industrie eingesehen. Viele Unternehmen haben sich deswegen dazu verpflichtet, Einweg-Getränkeverpackungen deutlicher zu kennzeichnen. Zum Beispiel durch die Angaben "Einweg" oder "25 Cent Pfand" auf Dosen, PET-Flaschen oder an den Regalen. Bislang waren PET-Einwegflaschen nur am Symbol der Deutschen Pfandsystem GmbH erkennbar. Das zeigt zwar einen Pfeil, der auf eine Pfandflasche hindeutet. Ersichtlich war aber nicht, dass es sich um eine Einwegflasche handelt. Und so glauben viele Verbraucher, sie hielten eine Mehrwegflasche in der Hand.

Tatsächlich aber gibt es immer weniger Mehrwegflaschen. In den Neunzigerjahren wurden noch vier von fünf Flaschen mindestens dreimal neu gefüllt. 2015 waren es nur noch halb so viele. Die Mehrwegquote sank, während das Umweltbewusstsein stieg und die Verpackungsverordnung sieben Mal novelliert wurde.

Die Industrie hat bis heute kein einheitliches Symbol für Mehrweg hervorgebracht

Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe, hat einen Schuldigen für das Sinken der Mehrwegquote ausgemacht: "Jeder zweite Liter Mineralwasser wird heute beim Discounter gekauft", sagt Fischer. Aldi und Lidl verkaufen jedoch seit jeher nur Einweg-Verpackungen. So sparen sie Lagerkosten. Aus Kostengründen verabschiedet sich derzeit auch Coca-Cola, der größte Softdrink-Hersteller der Welt, von wieder befüllbaren PET-Flaschen. Transport und Sammeln des Leerguts sind teurer, die Produktion von PET-Flaschen, die nur einmal benutzt und dann geschreddert werden, günstiger. Folglich verringert sich der Anteil von Mehrweg.

Es ist schon bizarr: Sonst scheint vielen Deutschen die Umwelt sehr am Herzen zu liegen: Sie wollen am liebsten grünen Strom, trennen akribisch Müll, sparen Wasser und fahren Rad. Sie würden allzu gern wohl auch vermeintlich umweltfreundliche Mehrwegflaschen kaufen. Aber die Industrie hat bis heute kein einheitliches Zeichen hervorgebracht. Es existieren nebenher verschiedene Logos. Am weitesten verbreitet ist ein Symbol mit einem stilisierten grün-blauen Kreis. Das verwenden aber nur 150 von 3000 Abfüllern. So lassen sich Einweg- von Mehrwegflaschen oft nur durch den Pfandbetrag unterscheiden, den der Verbraucher meist erst auf dem Kassenbon entdeckt.

Verpackungen: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Fischer fordert daher eine eindeutige Kennzeichnung nicht nur für Einweg, sonder auch für Mehrweg. Für Kai Falk, Geschäftsführer des Deutschen Einzelhandelsverbandes (HDE), ist die Sache hingegen simpel: "Die Verbraucher hatten kein Problem mit der Erkennbarkeit von Mehrweg. Probleme gab es mit Einweg. Dort haben wir nachgebessert."

"Der Verbraucher wird nicht aus seiner ökologischen Verantwortung entlassen."

Doch ob die Verwirrung damit beendet ist? Umweltbewusste Menschen würden wohl seltener nach einer Einwegflasche greifen. Liegen sie damit aber richtig? Rommel sagt: "Mehrweg ist nicht grundsätzlich umweltschonender als Einweg. Wenn leere Glasflaschen über lange Strecken transportiert werden, ist das nicht sehr ökologisch." Fischer nennt den Einweg-Pfand sogar einen "grandiosen Erfolg", weil er die "Vermüllung der Landschaft" gestoppt habe. Und das war ja der Grund für die Einführung des Einweg-Pfands. 98,5 Prozent der Einweg-Getränkeverpackungen werden heute wiederverwertet. Aus dem geschredderten Plastik entstehen neue Flaschen, Bänke, Fleece-Pullover oder Fahrradrahmen.

Aldi Nord versucht zudem, die Transportwege kurz zu halten. "Bei unserem Mineralwasser verfügen wir zum Beispiel über verschiedene Lieferanten, die das Wasser, je nach geografischer Region aus unterschiedlichen Ursprungsquellen, unter der Marke"Quellbrunn" für uns abfüllen", sagt eine Sprecherin. Einweg-Getränkeverpackungen seien bei der Befüllung hygienischer als Mehrweg und, für den Verbraucher wichtig: leichter als Glas, zudem stabil und bruchsicher.

Für PET-Einwegflaschen mag das gelten. Experten sind sich aber einig, dass Dosen aus Weißblech oder Aluminium eine schlechte Umweltbilanz haben. Weil jüngere Kunden häufiger darauf zugreifen, will Aldi Nord sie dennoch verstärkt anbieten. Und auch die PET-Einwegflasche fällt trotz der Pluspunkte in der Öko-Bilanz hinter der regional abgefüllten Mehrweg-Flasche aus Glas oder Plastik zurück.

Fischer sagt: "Wer Mehrweg kauft, unterstützt damit einen von 3000 regionalen Mittelständlern. Einweg ist hingegen Massenware. Da gibt es in Deutschland nur 100 Abfüller." Was lehrt das den Verbraucher? Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, hat keine gute Nachricht: "Das Pfandsystem entlässt den Verbraucher nicht aus der ökologischen Verantwortung. Um den eigenen CO₂-Fußabdruck möglichst gering zu halten, sollte man darauf achten, möglichst nur regional abgefüllte Getränke aus Mehrwegflaschen zu kaufen." Aber wie soll er wissen, wo abgefüllt worden ist? Sommer sagt dazu: "Oftmals steht der Abfüllort auf der Flasche. Falls dies nicht der Fall ist, lässt sich der Name der Quelle auf der Flasche finden. Durch eine kurze Internetrecherche kann der Verbraucher herausfinden, ob sich die Quelle nahe des Wohnortes befindet und ob die Flaschen regional abgefüllt wurden." Kurzum: Die Welt war schon mal einfacher.

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