Silicon Future:Die Kette und ihre Glieder

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An dieser Stelle schreiben jeden Dienstag Marc Beise, Helmut Martin-Jung, Jürgen Schmieder und Kathrin Werner im Wechsel. Illustration: Bernd Schifferdecker

Immer mehr Dinge werden miteinander vernetzt. Das ist oft praktisch und steigert die Effizienz. Doch es macht auch abhängig und fehleranfällig.

Von Helmut Martin-Jung

Hach, wie haben wir es bequem. Schnell ein Foto? Wisch, klick, klick - fertig. Wo geht's noch mal zum Bahnhof? "Sie erreichen das Ziel in dreieinhalb Minuten, jetzt rechts abbiegen." Wie steht das Aktienportfolio, das Bankkonto, das Champions-League-Spiel? Ein Smartphone kann fast alles, kaum je hat eine Technik so schnell so viele Lebensbereiche erobert wie die Kleincomputer mit Bildschirm und Telefonierfunktion.

Und so kommt es, dass dem Smartphone immer noch mehr Aufgaben übertragen werden. Es ist, so wurde es schon öfters gesagt, die Fernbedienung unseres Lebens (und ja, man kann Smartphones auch als Fernbedienung für manche Fernseher verwenden). Diese Häufung ist einerseits sehr praktisch, weil ein einziges Gerät das vereint, wozu früher viele nötig waren. Die Kameras etwa in hochwertigen Smartphones sind längst besser als die kleinen Digitalkameras, die bei vielen nun in irgendwelchen Schubladen herumliegen.

Andererseits aber wächst natürlich auch die Abhängigkeit von den kleinen Wunderkästchen. Lässt man es mal zu Hause liegen, fühlt man sich fast wie nackt, ein Verlust ist eine mittlere Katastrophe, vor allem, wenn man beim Datensichern nachlässig war. Das Smartphone als isoliertes Gerät verliert aber auch einen Großteil seines Nutzens, wenn ihm die Verbindung zur Außenwelt fehlt - das Internet. Oder dann, wenn das, was man im Netz gerade braucht, nicht funktioniert.

Fatale Abhängigkeiten

Dass die Internetdienste Whatsapp, Facebook und Instagram, wie vor Kurzem geschehen, zusammen mehrere Stunden lang ausfielen, war natürlich denkbar. Überrascht hat es viele dann doch - und manche auch der Grundlage ihres Geschäfts beraubt. Selbst Mitarbeiter von Facebook, das sich neuerdings Meta nennt, kamen nicht mehr in ihre Büros, weil dummerweise alles über dieselben Server lief, auch die elektronischen Schließsysteme. Auch einige Besitzer von E-Autos der Hype-Marke Tesla guckten kürzlich blöd aus der Wäsche, weil sie nur ihr Smartphone dabei hatten, nicht aber die Autoschlüssel. Da aber der Tesla-Server eine Zeit lang den Betrieb einstellte, konnten sie ihr Auto auch nicht nutzen.

Zwei gesamtgesellschaftlich eher unbedeutende Ausfälle, die aber den Blick darauf lenken, wie verwundbar unsere vernetzte Welt ist. Bei dieser Entwicklung, so hört man es oft aus der Industrie, stehe man noch am Anfang. Je mehr alles mit allem zusammenhängt, desto effizienter könne datengetrieben gearbeitet werden. Das ist durchaus plausibel, umso mehr mögliche Fehlerstellen gibt es aber auch. Geht ein Glied der Kette kaputt, kann das eine ganze Produktion beeinträchtigen oder gar zum Stillstand bringen.

Noch weniger verschmerzbar wäre, wenn es zu großflächigen Internetausfällen käme oder zu Stromausfällen - ohne Strom geht spätestens nach einigen Tagen auch bei vielen gut gesicherten und gewarteten Rechenzentren vermutlich nichts mehr - ein allgemeines, nie gekanntes Chaos wäre die Folge. Wer es noch nicht kennt, lese das Buch "Blackout" von Marc Elsberg. Danach ist man froh, wenn der Strom noch immer aus der Steckdose kommt.

Ein Plan B wäre nicht schlecht

Gerade in Zeiten, in denen wegen des Klimawandels mit mehr Naturkatastrophen zu rechnen ist, tut man gut daran, sich vorzubereiten. Und auch daran, sich immer zu überlegen, ob wirklich alles mit allem in Verbindung stehen muss. Zu bezweifeln ist beispielsweise, ob der Kühlschrank wirklich zu erfahren braucht, ob die Waschmaschine im Keller fertig ist mit ihrer Arbeit oder nicht. Die Szenarien, die manche Hersteller da als Utopie vorstellen, gleichen für manchen eher einem Horrorszenario, schon allein wegen der vielen persönlichen Daten, die dabei im Spiel sind. Die Wohnung mit vernetzten, smarten Thermostaten auszustatten, ergibt dagegen viel Sinn, denn damit lässt sich eine Menge an Heizenergie sparen. Oft sind dabei Lösungen die besseren, die nur eines können, das dafür aber einfach und richtig. Fällt eine mal aus, funktionieren die anderen immer noch.

Es kann auch nicht schaden, für die wirklich wichtigen Dinge einen Plan B zu haben. Nur sollte es einem dabei nicht gehen wie so manchem, der sich wegen eines Daten-Back-ups in Sicherheit vor bösen Angreifern wähnte. Doch als das Back-up zurückgespielt werden sollte, stellte sich heraus, dass es gar nicht funktionierte.

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