Süddeutsche Zeitung

Vermögen:Der Millionär gilt nichts mehr

Ein Bankbericht gewährt tiefe Einblicke - in die Welt der Reichen.

Von Victor Gojdka und Felicitas Wilke

Den Menschen geht es finanziell besser als noch vor einem Jahr - zumindest im Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt der "Global Wealth Report" der Schweizer Großbank Credit Suisse, für den das Institut zum zehnten Mal das Vermögen privater Haushalte weltweit verglichen hat. Dabei sind die Menschen nirgends so wohlhabend wie in dem Land, aus dem die Bank kommt: Die Schweiz führt die Liste der größten Vermögen pro Erwachsenem mit 564 650 US-Dollar an, gefolgt von Hongkong, den USA und Australien. Deutschland liegt mit einem durchschnittlichen Vermögen von 216 654 Dollar pro Erwachsenem auf Platz 19.

Unter den vermögendsten zehn Prozent der Weltbevölkerung lebten in diesem Jahr knapp mehr Menschen (100 Millionen) in China als in den USA (99 Millionen). In der Studie heißt es, dass die Vermögensungleichheit seit der Jahrtausendwende zurückgegangen sei. Allerdings besitzen die am wenigsten wohlhabenden 90 Prozent der Weltbevölkerung bis heute gerade einmal 18 Prozent des weltweiten Vermögens. Deutschland ist der Erhebung zufolge ein Land, in dem die Ungleichheit im europäischen Vergleich hoch ist. Zwischen Nordsee und Alpen besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung knapp ein Drittel des gesamten Vermögens, während es in Italien und Frankreich 22 Prozent sind. Insgesamt sitzen die Menschen hierzulande auf einem Vermögen von 14,7 Billionen Dollar.

Das Überraschende: Die Mehrheit dieses Vermögens sind nicht etwa Scheine und Münzen oder gar Wertpapiere - sondern ausgerechnet Immobilien. Mit 58 Prozent steckt mehr als die Hälfte des deutschen Vermögens in Häusern und Wohnungen. Und das, obwohl die Deutschen traditionell eigentlich als kauffaules und eher mietfreudiges Völkchen gelten. Wer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Deutschland eine Immobilie erworben hat, ist heute mit ziemlicher Sicherheit wohlhabender als damals: In den vergangenen Jahren sind die Preise für Häuser und Wohnungen deutlich gestiegen. Die jungen Menschen können davon nur begrenzt profitieren: Sie können sich eine eigene Immobilie oft nicht mehr leisten - außer sie erben eine.

Der Bericht enthält zwischen den Zeilen aber auch noch eine andere Schlussfolgerung: Der Millionär gilt nichts mehr. Inzwischen gibt es weltweit bereits mehr als 45 Millionen Dollarmillionäre. Wer unter den Reichen wirklich punkten will, braucht heute mehr. Der wirklich eingeschworene Reichenkreis nennt sich im besten Understatement "besonders vermögende Privatpersonen". Nur 4830 Personen besitzen mehr als 500 Millionen Dollar. Man kann hoffen, dass sie damit etwas Sinnvolles anzufangen wissen.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019
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