Süddeutsche Zeitung

Verlagerung der Zentrale:EADS sieht Staatskrise in Bayern

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Von München ins französische Toulouse: Der Streit um die Verlagerung der EADS-Konzernzentrale eskaliert. Der künftige Chef des Rüstungskonzerns greift Bayerns Politiker frontal an. Wichtige Teile des Unternehmens blieben im Lande, die Kritik laufe ins Leere. Ministerpräsident Seehofer keilt zurück - und will ein wichtiges Finanzierungsgeschäft auf den Prüfstand stellen.

Caspar Busse und Jens Flottau

Es geht um einige hundert Arbeitsplätze, aber es geht vor allem ums Prestige: Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS will seine Zentrale nach Toulouse verlagern, vor allem München wäre neben Paris - dem zweiten Sitz der Verwaltung - leidtragend. Die teure deutsch-französische Arbeitsteilung wäre dahin. Der künftige EADS-Chef Thomas Enders hat für große Aufregung mit dieser Ankündigung gesorgt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) drohte offen, der Bund könne dann nicht wie geplant bei EADS einsteigen. Und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) behauptet, EADS habe Bayern hintergangen.

Die Wogen gehen hoch. Enders, derzeit noch Airbus-Chef, ab Sommer aber dann Boss von EADS, geht erstmals zum Gegenangriff über. "Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Seehofer und Herr Zeil, bevor sie ihren heiligen Zorn über EADS und mich persönlich ausschütten, sich erst einmal über die Entwicklung von EADS in Bayern informiert hätten", teilt Enders der Süddeutschen Zeitung mit und fragt: "Wie ist es eigentlich um die deutsch-französische Partnerschaft bestellt, wenn bereits Überlegungen, wie die Konsolidierung eines Firmensitzes auf der anderen Seite des Rheins, in Bayern eine Art Staatskrise auslösen?"

Nach Angaben von Enders hat der Konzern seit der Gründung im Jahr 2000 die Anzahl der Mitarbeiter in Deutschland um mehr als 9500 auf derzeit rund 48 600 erhöht. In Bayern sei die Anzahl der Jobs um rund 1500 auf derzeit knapp 15 200 gestiegen, ohne Berücksichtigung mehrerer tausend Zeitarbeitskräfte, wie es heißt. Alleine im vorigen Jahr habe EADS über 600 Personen in Bayern neu eingestellt. "Mit dieser Bilanz können wir uns im Freistaat gut sehen lassen", erklärt Enders. Zudem wolle sich der Konzern am Standort Ottobrunn mit rund 60 Millionen Eigenbeitrag für Forschungsprojekte und Investitionen im Rahmen des geplanten Campus Aerospace beteiligen.

EADS betont: Wichtige Funktionen blieben auch weiter in München

"Es kann also keine Rede von mangelndem Engagement unsererseits sein. Wenn irgendwelche EADS-Standorte in Bayern in Zukunft gefährdet sein sollten, dann nicht aufgrund von Entscheidungen des Managements zur Bündelung von Zentralfunktionen, sondern wegen wegbrechender Verteidigungsprogramme in Deutschland", betont Enders und fügt an: "Die ganze Aufregung in Bayern ist ein Sturm im Wasserglas."

München bleibe auch in Zukunft Hauptsitz von EADS in Deutschland, der Konzern-Technologievorstand und der Forschungsbereich mit dem Namen "Innovation Works " solle komplett in Ottobrunn bleiben. Zudem sei die Raumfahrtsparte Astrium am Standort Ottobrunn vertreten. Enders: "Davon hat sich beispielsweise Herr Zeil erst kürzlich bei einem Besuch überzeugen können. Von einer 'Aufgabe des Standorts' kann also keine Rede sein. Es ist für mich von vorneherein immer klar gewesen, dass wichtige Zentralfunktionen der EADS-Gruppe auch zukünftig in Paris und München verbleiben werden."

Seehofer: "So haben wir nicht gewettet"

Derzeit laufen intensive Verhandlungen, dass die staatseigene KfW-Bank vom Daimler-Konzern 7,5 Prozent der Anteile übernimmt. Das aber stellte Seehofer nun in Frage. "So haben wir nicht gewettet", meinte Seehofer am Dienstag im bayerischen Landtag, er habe sich bereits mit Kanzlerin Angela Merkel abgesprochen. Der frühere Ministerpräsident Franz Josef Strauß hatte einst die Luft- und Raumfahrtindustrie im strukturschwachen Bayern aufgebaut. Die damalige Dasa ist vor zwölf Jahren im EADS-Konzern aufgegangen. Enders ärgert sich über die bayerische Politik, und er gilt ohnehin als Gegner von staatlichen Beteiligungen an EADS. Er will den Konzern zu einem "normalen Unternehmen" machen und die Zentrale nach Toulouse verlegen, an den Sitz von Airbus.

Die Umzugspläne sorgen nicht nur für Ärger mit der bayerischen Politik. Auch intern bricht Enders lange Zeit etablierte Strukturen auf, und er rüttelt an der Eigenständigkeit der größten EADS-Tochterfirma Airbus. Enders hat deutlich zu verstehen gegeben, dass er künftig EADS und Airbus enger integrieren wolle. So werden die beiden Firmen künftig einen gemeinsamen Finanzvorstand (Harald Wilhelm) und einen gemeinsamen Personalchef (Thierry Baril) haben - dies könnte nur der erste Schritt sein.

Mit einer weitergehenden Integration würde zumindest informell die immer noch sorgsam bemühte Balance zwischen der deutschen und der französischen Seite wackeln. Zwar ist mit Fabrice Brégier wie ausgemacht nun ein Franzose als Nachfolger für Enders als Airbus-Chef designiert. Doch der wird vermutlich weniger eigenständig agieren können als Enders - aus dessen Geschäft sich der aktuelle EADS-Chef Louis Gallois weitgehend herausgehalten hat.

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SZ vom 16.02.2012
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