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Verkehr:Zurücklehnen und zuschauen: So reist man im Auto von morgen

Sunnyvale (dpa/tmn) - Was macht eigentlich der Fahrer, wenn das Auto künftig ohne sein Zutun fährt? Je näher die Ingenieure der Vision vom autonomen Fahren kommen, desto drängender wird diese Frage für die Designer. Showcars und Fahrzeugstudien liefern erste Antworten.

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Sunnyvale (dpa/tmn) - Was macht eigentlich der Fahrer, wenn das Auto künftig ohne sein Zutun fährt? Je näher die Ingenieure der Vision vom autonomen Fahren kommen, desto drängender wird diese Frage für die Designer. Showcars und Fahrzeugstudien liefern erste Antworten.

Die Hände fast krampfhaft in den Schoß gepresst, den Blick hochkonzentriert auf der Straße, rings herum so viel Technik, dass er sich kaum rühren kann: Wenn Mercedes-Entwickler Eberhard Kaus am Steuer der ersten autonom fahrenden S-Klasse sitzt, kann von Entspannung keine Rede sein. Das soll sich ändern, wenn Kunden vom Fahrer zum Passagier hinter dem Lenkrad werden.

"Die Technik schafft völlig neue Freiräume für die Insassen eines Autos", sagt Mercedes-Zukunftsforscher Alexander Mankowsky. Er schwärmt davon, wie man die Zeit im Stau oder auf der Straße dann als Gewinn empfinden wird. "Allerdings müssen sich dafür die Innenräume der Fahrzeuge gravierend verändern." Die Designer arbeiten deshalb mit Hochdruck an neuen Innenkonzepten fürs Autopilot-Auto.

Die ersten Schritte in diese Richtung sind noch recht konventionell. So hatte Audi auf der Computermesse CeBIT im Frühjahr 2014 die Sitzkiste "James 2025" enthüllt und damit die Vision für ein Cockpit der Zukunft in Form gebracht. Im autonomen Fahrbetrieb fährt hier ein Teetischchen aus der Mittelkonsole, die Instrumente werden von Klappen verdeckt, und das Lenkrad macht sich dünne.

Diesen Faden spinnt Hartmut Sinkwitz weiter. Er leitet die Abteilung Interieur-Design bei Mercedes und bereitet im Entwicklungszentrum Sunnyvale im Silicon Valley für die Elektronikmesse CES (6. bis 9. Januar) in Las Vegas eine Studie vor, die einen Ausblick auf die übernächste Generation eines Fahrzeugs vom Format der S-Klasse geben soll.

"Man sitzt dort auf vier Einzelsesseln, die wie daheim im Wohnzimmer drehbar sind", erklärt Sinkwitz. Ist das Auto losgefahren, drehen sich Fahrer und Beifahrer nach hinten, es surrt ein Tisch mit Touchscreen-Platte herbei und man kann arbeiten, spielen oder entspannen, während draußen die Landschaft vorbei zieht.

Für das autonome Auto hat Sinkwitz nicht nur die Möblierung, Farben und Materialen überdacht, sondern auch die Instrumente, die Anzeigen und das Bediensystem: "Weil die Position des Fahrers nicht mehr eindeutig ist, müssen wir extrem flexibel sein", erläutert er. Überall sind deshalb Bildschirme integriert und Schalter tauchen dort auf, wo man sie gerade braucht. "Wir verfolgen die Blicke und Gesten des Fahrers und schaffen die virtuellen Bedienoberflächen passend zu Situation und Sitzposition, egal ob der Fahrer vorne links oder hinten rechts sitzt."

Während es den Mercedes-Innenraum bis zur Premiere auf der CES nur als Skizze gibt, ist Frank Rinderknecht schon ein bisschen weiter. Der schweizer Querdenker und Chef der Tuning-Firma Rinspeed hatte bereits im März 2014 auf dem Genfer Autosalon in der Studie XchangE einen variablen Innenraum präsentiert. Die beiden Insassen können hier die Sitz- und Blickrichtung wechseln und auf einem Monitor anstelle der Rückscheibe Filme schauen, wenn der Autopilot aktiv ist. Für den nächsten Salon im März 2014 hat er das Konzept verfeinert und den Budii angekündigt, der vor allem mit einem variablen Cockpit punkten will: Das Lenkrad wird von einem Roboterarm getragen, so können sowohl Fahrer als auch Beifahrer zum Steuer greifen.

Die Designer von Qoros haben diese Phase bereits hinter sich gelassen - zumindest bei dem Entwurf Qloud, mit dem das chinesische Unternehmen im November 2014 bei der LA Design Challenge am Rande der Autoshow in Los Angeles angetreten ist. Dort hocken die Insassen die einander zugewandt um das interaktive Hologramm des Bordcomputers.

So revolutionär die Studien auch sein mögen: Sie haben alle irgendwo noch ein Lenkrad. Laut Mercedes-Mann Sinkwitz ist das "ein wichtiges Symbol für die Entscheidungshoheit des Menschen". Nur Google verzichtet in seinem Entwurf für das autonome Auto auf alle bekannten Bedienelemente, weil man sie dort für überflüssig hält. Aber Google ist eben auch ein Software-Konzern - und kein Autohersteller.

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