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Verkehr - Wiesbaden:Corona drückt die Zahl der Unfalltoten

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Wiesbaden/Düsseldorf (dpa/lnw) - Es sind die positiven Seiten der Pandemie: 2020 gab es ein Rekordtief bei den Verkehrstoten in Nordrhein-Westfalen und im Bund. Nach vorläufigen Zahlen starben im vergangenen Jahr auf NRW-Straßen 430 Menschen - 26 weniger als im Vorjahr. Das sei der niedrigste Stand von Verkehrstoten im Bundesland der gesamten vorliegenden Zahlenreihe seit 1980, berichtete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag. 1980 waren in NRW im Straßenverkehr noch 2885 Menschen gestorben. Bundesweit sank die Zahl auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1953.

"Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass wegen der Corona-Pandemie im Jahr 2020 auf deutschen Straßen deutlich weniger Kilometer zurückgelegt wurden als im Vorjahr", erklärten die Statistiker. Auch die Zahl der Schwerverletzten ging 2020 im Vorjahresvergleich in NRW um gut ein Zehntel auf 12 110 zurück. Insgesamt verunglückten im bevölkerungsreichsten Bundesland gut 67 000 Menschen im Straßenverkehr - 14,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit liegt der Rückgang in NRW fast genau im Bundesschnitt (-14,6 Prozent).

Dass das dauerhaft so bleibt, halten Verkehrsexperten für unwahrscheinlich. Die Zahlen seien erfreulich, "zeichnen aber ein falsches Bild der Verkehrssicherheit", sagt der Präsident der Deutschen Verkehrswacht, Prof. Kurt Bodewig. Tüv-Bereichsleiter Richard Goebelt glaubt, dass die Zahlen wieder steigen, "sobald eine Normalisierung des Verkehrsgeschehens nach den Covid-Einschränkungen einsetzt".

Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hofft immerhin, dass sich der Trend zumindest im ersten Halbjahr fortsetzt. "Ich gehe fest davon aus, dass wir auch in diesem Jahr auf dem Niveau des Vorjahres verharren werden", sagt er zur Gesamtentwicklung. Wenn sich die Corona-Lage im Sommer entspannt, könnte der Effekt aber schnell aufgezehrt werden. "Sobald der Verkehr wieder zunimmt, werden sich die Menschen verhalten wie zuvor. Am Charakter hat sich durch Corona nichts verändert."

Große Unterschiede gibt es bei den Verkehrsmitteln. Hier liegen detailliertere Ergebnisse zwar erst bis November 2020 vor, aber der Trend ist klar. Einem starken prozentualen Rückgang gab es NRW-weit bei Autos: Die Zahl der Verunglückten sank um fast ein Viertel auf knapp 28 000. Ähnliches war bei Fußgängern zu beobachten: Dort verunglückten gut ein Fünftel weniger (5570). Dagegen explodierte die Zahl der verunglückten Pedelec-Fahrer förmlich um mehr als 45 Prozent auf 3676. 28 Menschen starben in NRW bei Pedelec-Unfällen (Vorjahreszeitraum 23).

Pedelec-Fahrer seien älter, ohne Unterstützung würden viele gar nicht oder eher langsam fahren, mit Motor erreichten sie hohe Geschwindigkeiten. Außerdem seien E-Räder schwerer. "Tempo und Gewicht, das sind die entscheidenden Faktoren", sagt Brockmann. Die hohe Zahl der Unfälle führt er darauf zurück, dass die Nutzer die Fahrzeuge nicht unter Kontrolle haben - und fordert, die Endgeschwindigkeit an die Tretleistung zu koppeln.

"Die Corona-Krise hat erfreulicherweise mehr Menschen aufs Fahrrad gebracht", sagt Verkehrswacht-Präsident Bodewig, "die Unfallzahlen aber auch deutlich erhöht." Das Jahr 2021 müsse im Zeichen der Radverkehrssicherheit stehen, um diesen Negativtrend aufzuhalten. Auch Tüv-Bereichsleiter Goebelt kritisiert, dass der positive Trend an den Fahrradfahrern weitgehend vorbeigeht. "Von Aufatmen kann überhaupt keine Rede sein."

© dpa-infocom, dpa:210225-99-589169/3

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